Gründung der "Säkularen Grünen"

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TeilnehmerInnen der Gründungsversammlung / Foto:privat

MANNHEIM. (hpd) Nun haben auch die Grünen – nach der SPD, den Linken und der Piratenpartei - eine innerparteiliche säkulare Initiative. Mitte Januar hat sich der "Bundesweite Arbeitskreis Säkularer Grüner" konstituiert. Angestrebt wird die Etablierung einer "Bundes­arbeits­gemeinschaft Säkulare Grüne", um inner­parteilich die Debatten um einen Säkulari­sierungs­prozess voran­zutreiben.

Als eine wesentliche Ursache dieser aktuellen Entwicklung wird die letzt­jährige Debatte um die gesetz­liche Legalisierung von Knaben­beschnei­dungen zu sehen sein, bei der das Verhalten führender Grüner zugunsten der Weiter­führung der Beschneidungs­praxis für erheblichen Unmut in der Partei gesorgt hatte. Die grüne Bundes­tags­fraktion hatte sich dann – nach lebhaften inner­parteilichen Debatten - im Dezember 2012 bei der Abstimmung über das Beschneidungs­legalisierungs­gesetz bekanntlich sehr unter­schiedlich positioniert.

Eine Reduzierung auf diese – wenngleich außergewöhnlich wichtige, weil grund­legende Menschen­rechte von Kindern betreffende - Angelegenheit würde allerdings zu kurz greifen, sind die Grünen doch insgesamt eine Partei, die bereits in der Vergangen­heit in etlichen Bereichen säkulare Positionen vertreten hat. Sowohl Beschlüsse von Bundes­delegierten­konferenzen als auch der Bundes­tags­fraktion hierzu liegen vor: so wurden beispiels­weise sowohl Änderungen beim kirchlichen Arbeits­recht, das in der derzeitigen Ausgestaltung erhebliche Einschränkungen allgemein üblicher Arbeit­nehmer­rechte enthält, als auch die Streichung des als "Blasphemieparagraph" bezeichneten § 166 StGB gefordert.

Die Grüne Jugend hat auf ihrem Bundes­kongress im Mai 2011 umfangreiche Forderungen für eine weiter­gehende Säkularisierung erhoben.

In der Verfassungs­debatte des Deutschen Bundes­tages 1991 bereits hat „Bündnis 90 / Die Grünen“ Anträge eingebracht, um den Gottes­begriff aus der Präambel des Grund­gesetzes zu streichen und das Religions­verfassungs­recht neu zu strukturieren, wobei etwa der Körper­schafts­status für Religions­gemein­schaften entfallen sollte.

Auch die bei den Grünen seit Jahren existierende BAG ChristInnen ist mit kritischen Positionen zum kirchlichen Arbeits­recht hervor­getreten, die an manchen Punkten über das hinaus­gehen, was in anderen Parteien zu diesem Thema Usus ist.

Aktueller Handlungsbedarf zu säkularen Positionen

Als notwendig wird aber in den säkularen Kreisen innerhalb der Grünen angesehen, die säkularen Positionen insgesamt stärker voran­zutreiben und dafür einzutreten, dass eine umfassende "Trennung von Kirche und Staat" verwirklicht und die gesell­schaftlich nicht begründbaren Privilegien von Religions­gemein­schaften abgebaut werden. Die Veränderung der religiösen und welt­anschau­lichen Landschaft in Deutschland, der Rückgang der Mitglieder­zahlen der traditionellen christlichen Groß­kirchen bei erheblichem Anwachsen der Anzahl religions­ungebundener Gesellschafts­mitglieder, die Verbreitung humanistischer Auffassungen, aber auch das Auftreten nicht­christlicher Religionen erfordern nach ihrer Auffassung, sich auf politischer Ebene dieser Thematik konzentriert anzunehmen. Die aktuellen Ereignisse in Köln, wo in katholischer Träger­­schaft stehende und aus Steuer­­mitteln sowie Sozial­beiträgen finanzierte Kranken­häuser aus Gründen der katholischen Ideologie Hilfe für eine vergewaltigte Frau verweigert haben, zeigen zudem drastisch, dass dringender und zwar sofortiger Handlungs­bedarf auf diesem Gebiet besteht. Auch die Debatten um die Garantie von umfassenden Arbeit­­nehmer­­rechten in kirchlichen Ein­richtung zeigen: Hier darf nichts mehr auf die lange Bank geschoben werden. Die grüne Initiative kommt gerade zur rechten Zeit.

Breites Spektrum bei den Säkularen Grünen

Die Säkularen Grünen auf Bundesebene haben ihre Basis in Arbeits­gemein­schaften und Initiativen in mittler­weile neun Bundes­ländern. Auf dem Bundes­treffen in Mannheim waren knapp 40 Grüne aus verschiedenen Teilen der Bundes­republik anwesend, die über mehrere Stunden über die Ziel­setzungen und Programmatik Säkularer Grüner diskutiert haben. Das Spektrum der Teil­nehmer reichte dabei von religiös gesinnten bis zu atheistischen Grünen, wobei diese Zusammen­setzung als ebenso bedeutsam für die weitere Diskussion angesehen wird wie die Mitarbeit von etlichen Grünen mit Migrations­hintergrund im bundes­weiten Arbeits­kreis.

Säkulares Grundstatement: eine erste Orientierung

In Mannheim ist ein Grundstatement verabschiedet worden, das eine erste Orientierung über die Ziel­setzungen der Säkularen Grünen gibt. Darin wird deutlich gemacht, dass sie auf eine Gesellschaft orientieren, "in der Menschen verschiedener Glaubens­richtungen und Welt­an­schauungen sowie Nicht­religiöse gleich­berechtigt zusammen leben" sollen. Eine Privilegierung oder eine Diskriminierung aufgrund einer Welt­anschauung oder der Zuge­hörigkeit zu einer bestimmten Religion soll ausgeschlossen sein. "Privilegien von Kirchen und Religions­gemeinschaften" sollen perspektivisch abzuschaffen sein. Im Vorder­grund steht für die Säkularen Grünen die freie Entfaltung der Persönlichkeit jedes Gesell­schafts­mitglieds "in sozialer und ökologischer Verant­wortung".

Strikte Ablehnung der Relativierung von Menschenrechten

Die individuelle Selbst­bestimmung jedes Einzelnen und nicht etwa eine Zugehörigkeit zu bestimmten Ethnien oder Religionen wird als von maßgeblicher Bedeutung angesehen. Deutlich geworden ist in den Beratungen in Mannheim, dass die Säkularen Grünen ohne Abstriche sich an den allgemeinen und unveräußer­lichen Menschen­rechten orientieren und deren Relativierung strikt ablehnen.

Derzeit laufen die Arbeiten an einem Grund­konsens, der auf einem nächsten Bundes­treffen im März dieses Jahres beschlossen werden soll. In dem bereits beschlossenen Teil des Grund­konsenses betonen die Säkularen Grünen, dass die Veränderungen der letzten Jahr­zehnte (die starke Zunahme der konfessions­losen Gesell­schafts­mitglieder bei gleichzeitigem Rück­gang der Mit­glieder­zahlen der großen christlichen Kirchen, das Vor­dringen humanistischer Welt­anschauung sowie die Etablierung nicht­christlicher Religionen in Deutschland) eine kritische Bestands­aufnahme des Verhältnisses von "Staat und Kirche" (Gesellschaft und Religion sowie Weltan­schauung) erforderlich machen und Veränderungen unabweisbar sind. "Der Abbau von Privilegien einerseits und von Dis­krimi­nierungen andererseits ist für das friedliche und gleich­berechtigte gesellschaft­liche Mit­einander von grund­legender Bedeutung" wird betont.

In einer auf der Website des "Bundesweiten Arbeitskreises Säkularer Grüner" jüngst veröffent­lichten Stellung­nahme des Sprecher­Innen­kreises wird die Bedeutung der allgemeinen Menschen­rechte betont und mit Blick auf die Beschneidungs­debatte betont, dass auch Kindern in vollem Umfang die allgemeinen Menschen­rechte zustehen und dass das Eltern­recht stets nur ein treu­händerisches Recht ist, welches die Menschen­rechte des Kindes beachten muss.

Bedeutung säkular verfassten Staatswesens wird betont

Die Bedeutung eines säkularen Staates wird in dieser Stellung­nahme besonders hervorgehoben: "Nur ein säkular verfasstes Staats­wesen garantiert jedem Gesell­schafts­mitglied eine Selbst­bestimmung in Freiheit und verweist Totalitäts­anmaßungen in ihre Schranken, schützt Aufklärung und kritische Reflexion, lässt 'jeden nach seiner eigenen Fasson selig werden', setzt die Rahmen­bedingungen dafür, dass unter­schiedliche Lebens­entwürfe und Lebens­stile realisiert werden können und engt die Freiheit der Wissenschaft nicht durch dogmatische Vorgaben ein; 'Gottesstaaten' hingegen kennen kein Recht auf individuelle Selbst­bestimmung und eigene Lebens­entwürfe, keine Meinungs- und Rede­freiheit, keine Religions- und Welt­anschauungs­freiheit – und auch keine Freiheit der Wissen­schaft" schreiben die Sprecher­Innen in ihrer Erklärung.

Reger Zuspruch für Säkulare Grüne

Sie lassen zudem verlauten, dass sich täglich Grüne aus der gesamten Bundes­republik bei ihnen melden, um die Initiative zu unterstützen. Offenbar besteht innerhalb der Grünen großer Bedarf an einer inner­partei­lichen säkularen Formierung. 

Man wird wohl in Zukunft in den gesellschaftlichen Debatten einiges von den Säkularen Grünen hören.

Walter Otte