Empörung auch bei der CDU
Wie umfassend die Empörung über das Verhalten der beiden katholischen Krankenhäuser ist, zeigt sich daran, dass auch die CDU-Fraktion im NRW-Landtag eine umfassende Hilfe für Vergewaltigungsopfer und eine Aufklärung des Kölner Vorgangs fordert. „Die Vorgänge sind sorgfältig aufzuklären. Opfer müssen sich sicher sein können, dass sie in ihrer Not Hilfe bekommen.“ heißt es in ihrem Fraktions-Antrag. Die Christdemokraten haben sich allerdings nicht dazu durchringen können, dem SPD/GRÜNEN-Antrag zuzustimmen.
Ethik-Richtlinien waren „Chefsache“
Lückenlose Aufklärung ist angesagt. Gegenwärtig stellen sich Fragen über Fragen: welchen Inhalt haben die aktuellen „Ethik“-Vorgaben der Krankenhäuser und wie wurden sie intern kommuniziert? Warum gab es sogenannte Missverständnisse und wodurch wurden sie hervorgerufen? Besteht in den katholischen Einrichtungen in dem von Kardinal Meißner geführten Erzbistum Köln ein Klima der ideologischen Vergiftung, der Intoleranz und der Einschüchterung, wie manchenorts gemunkelt wird? Welche Rolle hat die Leiterin des „Klinischen Ethikrats“ im Zusammenhang mit der Verabschiedung der neuen Richtlinien im November 2012, die nach Angaben eines Ordenssprechers „den behandelnden Ärzten Sicherheit bei ethischen Fragestellungen“ geben sollen, gespielt? Was wurde bei dem vom Kölner Stadtanzeiger mitgeteilten Gespräch des „Klinischen Ethikrates“ im Herbst letzten Jahres mit Kardinal Meisner erörtert? Warum war die Angelegenheit von solcher Bedeutung, dass Herr Meisner sich persönlich damit befasst hat? Offenbar ist das, was jetzt an die Öffentlichkeit gekommen ist, „Chefsache“ gewesen. Dann trägt aber auch der „Chef“ die unmittelbare Verantwortung.
Meisner will länger im Amt bleiben
Von Konsequenzen für sich erwähnt Meisner allerdings nichts; vielmehr wird er wohl, wie am Wochenende gemeldet, weit über seinen 80. Geburtstag in diesem Jahr hinaus im Amt bleiben.
Fest steht, dass die Krankenhäuser eine Behandlung mit der „Pille danach“ ablehnen, obwohl es sich um keinen Abtreibungsvorgang handelt. Offenbar nimmt es hierzu der Kölsche Katholische Klüngel mit der Wahrheit nicht so genau: Der Sprecher des Erzbistums Köln hat Presseberichten zufolge behauptet, die „Pille danach“ habe abtreibende Wirkung. Kardinal Meißner hat sich, wie erwähnt, ähnlich in seiner Presseerklärung vor einigen Tagen geäußert. Ob dies kennzeichnend für das „medizinische Niveau“ ist, auf dem die Erzbistumsfunktionäre (und auch die Krankenhausärzte) debattieren? Eher wird es wohl so sein, dass man nicht genauer differenzieren möchte, um weiter bei der bisherigen Praxis gemäß der katholischen Lehre zu bleiben und die neuerdings immer lautstarker auftretenden und sich als „Lebensschützer“ bezeichnenden katholischen Hardliner zufrieden zu stellen.
Behördliche Überprüfungen notwendig
Aufklärung muss erfolgen und in dieser Angelegenheit darf nichts auf die lange Bank geschoben werden. Die Prüfung, ob Notfallabteilungen und gynäkologische Abteilungen aus katholischen Krankenhäusern auszugliedern sind, ob über behördliche Weisungen sichergestellt werden kann, dass dort notleidenden Frauen umfassend geholfen wird – von der Untersuchung und Spurensicherung bis zur sofortigen Verschreibung der „Pille danach“ ohne die betroffene Frau zu anderen Ärzten oder gar zu einer Schwangerschaftsberatung weiterzuschicken -, ob Betriebsuntersagungen und –einschränkungen angebracht sind, diese Prüfung muss kurzfristig erfolgen und zu für die Gesellschaft akzeptablen Ergebnissen führen. Sollten katholische Krankenhäuser versuchen, wie offenbar teilweise in Erwägung gezogen, auf ihrem Gelände ansässige Notfallkliniken in anderer Trägerschaft durch Mietkündigungen zu vertreiben, muss die generelle Betriebserlaubnis überprüft werden.
Eine alsbaldige Klärung ist auch deshalb notwendig, weil die katholischen Krankenhäuser offenbar von militanten Abtreibungsgegnern unter Druck gesetzt werden und nicht willens oder nicht in der Lage sind, sich hiergegen angemessen zur Wehr zu setzen, zumal sie von Kardinal Meisner keine Unterstützung erhalten, da er in diesem anderen Lager verortet ist. Auseinandersetzungen innerhalb des katholischen Lagers mögen dort intern ausgefochten werden, wenn sie sich auf die gesamte Gesellschaft belästigend auswirken, hat der Staat seine Ordnungsfunktion auszuüben und die Störer in die Schranken zu verweisen.
Katholische Krankenhäuser der Gesellschaft noch zumutbar?
Mittelfristig gehört aber die Problematik insgesamt auf den Prüfstand: kann und will die deutsche Gesellschaft es sich leisten, dass im Bereich der Gesundheitsfürsorge, insbesondere bei der Gynäkologie, die flächendeckende Grundversorgung und auch die Notfallversorgung von kirchlichen Einrichtungen durchgeführt werden, die sich nicht zu einer umfassenden Hilfeleistung, sondern nur zu einer ideologisch eingeschränkten Hilfeleistung verstehen. Die finanziellen Mittel für diese Einrichtungen werden von den Steuerzahlern insgesamt und von der Sozialversichertengemeinschaft, und nicht etwa vom Klerus.
Damit nichts missverstanden wird: Katholische Organisationen sind gewerberechtlich nicht davon ausgeschlossen, Gesundheitseinrichtungen zu betreiben. Dabei soll es auch bleiben. Nur: wer aufgrund seiner katholischen Vorstellungen nur eingeschränkte Hilfe zu leisten bereit ist, hat im Bereich der medizinischen Grundversorgung und im Bereich der Notfallversorgung nichts zu suchen.
Daneben mögen dann noch katholische Einrichtungen bestehen, die selbstverständlich berechtigt sind, ihre Religionsauffassungen in medizinische Praxis umzusetzen; um ihre Finanzierung müssen sie sich aber selber kümmern.
Seltsame Qualifikationsanforderungen
Bereitschaft zum Dialog besteht bei den Kirchenfunktionären nicht. Und solange die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche noch als wichtiges Qualifikationsmerkmal angesehen wird, wie vor kurzem der für die Personalangelegenheiten von etwa 50.000 Mitarbeitern im Erzbistum Köln zuständige Generalvikar Heße bestätigt hat, wird bei den katholischen Einrichtungen kaum Veränderungspotential vorhanden sein.
Es als Qualifikationsmerkmal für einen Herzchirurgen anzusehen, dass er neben seiner fachlichen Qualifikation auch noch gläubiger Katholik sein muss, wie Generalvikar Heße propagiert, erschließt sich dem verständigen Betrachter selbst bei viel gutem Willen und erheblichen geistigen Anstrengungen nicht.
Offenbar wird in den katholischen Einrichtungen es angesichts des rapiden Ansehensverlustes bis weit in die katholische Mitgliedschaft hinein als vordringlich angesehen, die eigenen Reihen fest geschlossen zu halten. Ideologische „Reinheit“ geht offenbar der Bereitschaft zum Dialog und dem Mitgefühl mit den vergewaltigten Frauen vor.
Die Gesellschaft aber scheint dies nicht länger akzeptieren zu wollen. Gesellschaft und Politik müssen aber auch handeln – gegen die Religionsfunktionäre! Damit in Deutschland jede vergewaltigte Frau sicher sein kann, die bestmögliche umfassende Hilfe zu erhalten.
Walter Otte