Skandal um kath. Krankenhäuser – Was nun?

screenshot_hostpital_loeln_0.jpg

Screenshot, Webseite des "St. Vinzenz-Hospital"

(hpd) Im Skandal um die Hilfeverweigerung für eine vergewaltigte Frau durch zwei katholische Krankenhäuser in Köln im Dezember letzten Jahres sind katholische Stellen nun um Schadensbegrenzung bemüht. Ihnen dämmert angesichts der massiven politischen und gesellschaftlichen Kritik aus ganz Deutschland, dass das Maß allmählich voll ist und dass die Gesellschaft nicht mehr bereit ist, Schikanen einer Ideologie wegen hinzunehmen.

Jetzt will es natürlich niemand gewesen sein, die Suche nach dem Sündenbock hat begonnen. Keiner will verantwortlich sein und es soll sich lediglich um ein „Missverständnis“ gehandelt haben - ein paralleles freilich, was schon Indiz dafür ist, dass es eben kein „Missverständnis“ war. Dafür sprechen auch die mehr und mehr offengelegten Hintergründe des Skandals.

Die Mär vom „Missverständnis“

Kardinal Meisner, der gerne Abtreibungen als „Super-Gau“ bezeichnet, verurteilt zwar wortreich die Ablehnung der Behandlung der vergewaltigten Frau durch die beiden katholischen Krankenhäuser, verliert aber kein einziges Wort über eine umfassende Hilfeleistung für vergewaltigte Frauen. Zur „Pille danach“, bleibt er dabei, dass diese in Katholischen Krankenhäusern nicht verordnet werden darf, da es ein Nein der Kirche zu Abtreibungen nach Vergewaltigungen gäbe. Dass es sich bei der „Pille danach“ um ein Verhütungsmittel und keine Abtreibungsmedikation handelt, interessiert offenbar nicht. Meisner sprach von einer „geradezu unerträglichen Entscheidungssituation“, ohne allerdings zu erwähnen, dass er – als Mann - selbst niemals in eine solche geraten kann, und dass er und seine Mitideologen durch ihr Gerede die betroffenen Frauen noch zusätzlich unter psychischen Druck setzen.

Schon an diesen Äußerungen des Kardinals mag man ermessen, dass es sich bloß um wohlfeiles Propagandagerede handelt. Seinen Worten zufolge habe sogar die Ethikkommission der beiden betroffenen Krankenhäuser als Handreichung für die Ärzte formuliert, dass Vergewaltigungsopfer „sofort, mitfühlend und begleitend … jede erdenkliche Hilfe bekommen“ sollen. Die Realität sieht anders aus. Zudem wird bislang diese „Handreichung“ nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, so dass die Behauptung Meisners nicht überprüft werden kann.

In einer Pressemitteilung der Hospitalvereinigung St. Marien GmbH vom 16.01.2013  wird von „Missverständnissen“ gesprochen, ohne in der Sache jedoch etwas zu erhellen. Deutlich gemacht wird allerdings, dass die „Pille danach“ keinesfalls verordnet wird, sondern betroffene Frauen stets noch zu weiteren Ärzten oder gar zur Schwangerschaftsberatung geschickt werden. Offenbar spürt man in diesen Krankenhäusern nicht einmal, welche Zumutung diese Haltung für die betroffenen Frauen darstellt.

Vorgeschichte: ideologische Mobilisierung

Der Verdacht, dass es lediglich über eine Sündenbock-Suche darum geht, vom eigenen Fehlverhalten der Krichen- und Krankenhausoberen abzulenken und dass der Öffentlichkeit etwas verheimlicht wird, wird durch die Nachricht erhärtet, dass der Caritasverband bereits vor etwa 11 Monaten in einem der dpa vorliegenden Rundbrief die katholischen Krankenhäuser im Erzbistum Köln an die „Null-Toleranz-Grenze“ für die „Pille danach“ erinnert und eine Schulung und Unterweisung der Beschäftigten in katholischen Krankenhäusern angeregt hat, um sich „gemäß der Lehre der Kirche zu verhalten“, damit der Schutz des ungeborenen Lebens deutlicher werde!

Das weitere Verhalten der Verantwortlichen sollte von der Öffentlichkeit genauestens beobachtet werden; ein Bauernopfer ist gesellschaftlich nicht akzeptabel und die Auseinandersetzung darf nicht auf dem Rücken der anscheinend massiv eingeschüchterten Mitarbeiter geführt werden.

Unterschriftenkampagne gegen die Hilfeverweigerung

Pro familia NRW hat in der vergangenen Woche eine bundesweite Unterschriftensammlung gestartet. Gerichtet an die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) und den Bundesgesundheitsminister Bahr (FDP) wird in einem Aufruf verlangt: „Gewaltopfer müssen sicher sein können, dass sie in ALLEN DEUTSCHEN Krankenhäusern jede Unterstützung erhalten, die sie in so einem Fall benötigen. Vergewaltigte Frauen müssen in Deutschland die beste Versorgung erhalten, die denkbar ist. Das Recht von Frauen auf umfassende gesundheitliche Versorgung und Selbstbestimmung darf nicht durch Glaubensfragen verletzt werden.“ Gefordert wird die „sofortige gründliche Untersuchung zur Spurensicherung, ggf. eine anonyme Spurensicherung für eine spätere Strafverfolgung“ und eine Notfallverhütung durch die „Pille danach“.

Gefragt wird von pro familia zu Recht danach, ob in katholischen Krankenhäusern „Opferschutz und ärztliche Pflichten verletzt und aufgegeben worden sind“. Die Politiker werden aufgefordert, bis zum weltweiten Aktionstag gegen Gewalt an Frauen am 14. Februar eine verbindliche Klärung vorzunehmen, wie eine Notfallverhütung mit der „Pille danach“ in allen deutschen Krankenhäusern sicher gestellt werden kann.

Ziel dieser Aktion, die von TERRES DES FEMMES unterstützt wird, ist es bis zum 14. Februar mindestens 50.000 Unterschriften zu sammeln.

Erste Entscheidungen des NRW-Landtags

In der vergangenen Woche hat sich auch bereits der Landtag von NRW aufgrund einer Eilinitiative der PIRATEN-Fraktion mit dem Kölner Skandal befasst. Mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von SPD und GRÜNEN bei Zustimmung der PIRATEN hat der Landtag beschlossen, dass Opfer sexueller Gewalt die „notwendige medizinische Versorgung“ erhalten müssen, wobei zu einer umfassenden Erstversorgung von Vergewaltigungsopfern die „Beratung“ und die „Sicherstellung der Verschreibung und Ausgabe der ´Pille danach`gehört …“ und eine sofortige Spurensicherung zwecks eventueller Strafverfolgung erfolgt. Der Landtag hat ausdrücklich festgestellt: „Religiöse Erwägungen dürfen nicht über das Wohl der Opfer oder die Möglichkeit einer Strafverfolgung gegen die Täter gestellt werden.“

Die Landesregierung wird in dem Beschluss in vier Punkten aufgefordert, für eine lückenlos Aufklärung des Falles zu sorgen, auf eine Sicherstellung der Versorgung der Opfer von Vergewaltigungen (auch mit der „Pille danach“) - „unabhängig von moraltheologischen Erwägungen“ - hinzuwirken und zudem entsprechende Klärungen auf Bundesebene voranzutreiben sowie „ dafür Sorge zu tragen, dass die gerichtsverwertbare Dokumentation, auch auf dem Wege der anonymen Spurensicherung, in NRW flächendeckend möglich ist.“

Damit ist eine umfassende Aufklärung des Vorfalls und die Debatte von notwendigen Umstrukturierungen der medizinischen Versorgung (insbesondere der Notfallversorgung) in NRW und im gesamten Bundesgebiet in die Wege geleitet  - ein notwendiger Schritt.

Bundesweite Aufklärung notwendig

Es bleibt zu hoffen, dass die Parteien auch in anderen Bundesländern sich dazu entschließen, sich dieses Themas ebenfalls anzunehmen. Bekanntlich ist die diskriminierende Haltung katholischer Krankenhäuser gegenüber vergewaltigten Frauen einschließlich der Verschreibung der „Pille danach“ kein Kölner Einzelfall.

Ein Antrag der PIRATEN-Fraktion fand keine weitere Zustimmung, da er, wie es heißt, den Regierungsfraktionen nicht weit genug ging. Auch wenn die Forderungen der beiden Anträge teilweise identisch sind, bleibt doch ein weiterer nicht vom Landtag beschlossener Gesichtspunkt: es soll bei einer Aufklärung des konkreten Falles bleiben, wichtig aber ist – wie die PIRATEN gefordert haben – „zu überprüfen, in welchen Krankenhäusern Vergewaltigungsopfern medizinische Hilfe verwehrt wurde“ Dies muss allerdings nicht nur in NRW, sondern in sämtlichen Bundesländern geschehen - um zu dokumentieren, in welchem Umfang katholische Einrichtungen Menschenrechtsverletzungen begehen, um dann bundesweit Konsequenzen zu ziehen.