(hpd) Der Verbreitung von Kreationismus und Intelligentem Design in Gesellschaft und Wissenschaft widmen sich die Beiträge des Sammelbandes „Die unerschöpfte Theorie", der auf die Vorträge einer Fachtagung zurückgeht und inhaltlich die Evolutionstheorie gegen derartige Auffassungen verteidigt.
Eigentlich gilt die Evolutionstheorie öffentlich wie wissenschaftlich als akzeptiert. Aus den USA schwappt mittlerweile aber eine Welle nach Deutschland hinüber, welche mit christlich-fundamentalistischem Einschlag den Schöpfungsmythos wieder zu Ehren bringen will. „Kreationismus" und „Intelligentes Design" lauten die entsprechende Stichworte. Akzeptanz finden derartige Auffassungen nicht nur bei religiösen Sektierern: Immerhin wollte eine Kultusministerin die Schöpfungslehre wieder im Biologieunterricht behandelt sehen; und ein Bischof nannte die Fixierung in diesem Schulfach auf die Evolutionslehre etwas Totalitäres. Grund genug für den Arbeitskreis Kritische Theorie(n) an der Universität Trier zum Thema eine Fachtagung unter dem Titel „Die erschöpfte Theorie? Evolutionismus und Kreationismus in Wissenschaften" durchzuführen. Die ebendort gehaltenen Vorträge liegen jetzt in überarbeiteter Form als wissenschaftliche Aufsätze in dem von Christoph Antweiler, Christoph Lammers und Nicole Thies herausgegebenen Sammelband „Die unerschöpfte Theorie. Evolution und Kreationismus in Wissenschaft und Gesellschaft" vor.
Die darin enthaltenen zehn Texte thematisieren unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte: Dittmar Graf präsentiert die Ergebnisse einer Untersuchung zu Einstellungen zur „Evolution" im Schulunterricht; und Christoph Lammers widmet sich dem Kreationismus auf dem „Bildungsmarkt" in Deutschland und den USA. Eine Kritik an kreationistischen Veröffentlichungen unternimmt Ulrich Kutschera; und die Argumente und Methoden der modernen Evolutionsgegner finden eine kritische Betrachtung von Thoma Waschke. Franz M. Wuketits macht das Erklärungspotential der Evolutionstheorie auch für den kulturellen und sozialen Bereich deutlich; und Christoph Antweiler gibt einen Überblick zu den verschiedenen „evolutionären Ansätzen" in den Humanwissenschaften. Nach den Grenzen evolutionsbiologischer Betrachtungen im Bereich des Humanen fragt Hans-Walter Leonhard; und vor biologistischen Fehldeutungen in der Soziobiologie warnt Vanessa Lux. Utz Anhalt spricht Darwin von dem Vorwurf des Rassismus frei; und Jürgen Kunz thematisiert die unterschiedlichen Funktionen der Religion für den Menschen.
Alle Autoren sind sich in der Akzeptanz der Evolutionstheorie und der Ablehnung von Kreationismus und Intelligentem Design einig. Überzeugend formulieren sie sachliche Einwände und problematisieren den gesellschaftlichen Kontext entsprechender Tendenzen. Dabei argumentieren die Autoren ausführlich, detailliert und sachkundig. Lediglich der Beitrag von Kutschera wirkt etwas lieblos zusammengestellt. Besondere Beachtung verdienen die Ausführungen von Lux, die aber gerade keine Kritik an den erwähnten Phänomenen vornimmt. Vielmehr weist sie kritisch auf biologistische Verkürzungen bei den Deutungen im Sinne der Evolutionstheorie und Soziobiologie hin, wobei auch Richard Dawkins einer näheren Kritik unterzogen wird. An einer solchen Stimme mangelte es bislang in der Debatte über die angesprochenen Themen! Darüber hinaus verdient der Sammelband aber auch wegen seines eigentlichen inhaltlichen Schwerpunktes Aufmerksamkeit: Kreationismus und Intelligentes Design dürfen tatsächlich als Gefahr für die Akzeptanz wissenschaftlicher Erkenntnisse gelten. Hierzu leisten die abgedruckten Texte einen wichtigen aufklärerischen Beitrag.
Armin Pfahl-Traugbher
Christoph Antweiler/Christoph Lammers/Nicole Thies (Hrsg.), Die unerschöpfte Theorie. Evolution und Kreationismus in Wissenschaft und Gesellschaft, Aschaffenburg 2008 (Alibri-Verlag), 224 S., 15 €
Das Buch ist auch im denkladen erhältlich