Die Verhaftung von Boualem Sansal: Ein Angriff auf die Meinungsfreiheit

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Die Meinungsfreiheit ist in islamischen Staaten kein hohes Gut. Wer politische Machthaber oder religiöse Strukturen im Iran, in Ägypten oder in Saudi-Arabien kritisiert, muss mit schweren Konsequenzen rechnen, von langjährigen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe. Besonders Schriftsteller und Intellektuelle sind ein Dorn im Auge repressiver Regime, die sich vor allem vor der Macht des geschriebenen Wortes fürchten. Ein aktuelles und erschreckendes Beispiel liefert Algerien.

Der 75-jährige Schriftsteller Boualem Sansal, bekannt für Werke wie "Der Schwur der Barbaren" oder "2084 – Das Ende der Welt", wurde am 16. November bei seiner Einreise am Flughafen von Algier verhaftet. Tagelang gab es kein Lebenszeichen, bis bekannt wurde, dass er in einem Untersuchungsgefängnis festgehalten wird. Die Vorwürfe wiegen schwer: Gefährdung der staatlichen Sicherheit durch angeblich terroristische und subversive Handlungen.

Boualem Sansal 2014, Foto: © Amrei-Marie, WIkipedia,  CC BY-SA 4.0
Boualem Sansal bei der Leipziger Buchmesse 2014, Foto: © Amrei-Marie, Wikipedia, 

CC BY-SA 4.0

Sansal, der neben der algerischen auch die französische Staatsbürgerschaft besitzt, zählt zusammen mit Kamel Daoud, dem Prix-Goncourt-Preisträger von 2024, zu den bedeutendsten algerischen Intellektuellen. In seinen Romanen und Essays hat Sansal wiederholt den Aufstieg des islamistischen Fundamentalismus in Algerien und dessen blutige Herrschaft beschrieben. In "Das Dorf des Deutschen" zog er Parallelen zwischen Nationalsozialismus und islamistischem Terrorismus. Für sein mutiges Eintreten gegen "jede Form von doktrinärer Verblendung, Terror und politischer Willkür" wurde Boualem Sansal 2011 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Seine Bücher wie "Allahs Narren" warnen eindringlich vor den verheerenden Folgen des Politischen Islam – insbesondere in Algerien. Mit seinem vor zwei Jahren veröffentlichten "Brief an die Völker und Nationen der Welt" hat er zudem ein "humanistisches und atheistisches Manifest" geschrieben, wie der Merlin Verlag betont.

Die Verhaftung von Boualem Sansal steht im Kontext wachsender Spannungen zwischen Frankreich und Algerien. Ausschlaggebend dürfte sein Statement gewesen sein, die Westsahara gehöre zu Marokko, zudem stellte er die territoriale Zugehörigkeit der algerischen Region um Oran und Tlemcen in Frage, da diese erst durch den französischen Kolonialismus ein Teil Algeriens wurden. Diese Aussagen werden von der algerischen Regierung als Provokation betrachtet. Die französische Tageszeitung Libération schrieb: "Die Anerkennung der Souveränität Marokkos über die Westsahara durch Frankreich in diesem Sommer hat den Zorn Algeriens erregt, des historischen Paten der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario."

Sansals scharfe Islamkritik hat ihn auch zur Zielscheibe der staatlichen Nachrichtenagentur Algérie Presse Service (APS) gemacht, die ihn als "von der französischen Rechtsextremen verehrten Pseudo-Intellektuellen" bezeichnete. Gleichzeitig wird Sansal in der westlichen Welt als Freigeist geschätzt, der sich für den Dialog zwischen verfeindeten Lagern einsetzt. Er reiste sogar nach Israel, obwohl dies algerischen Staatsbürgern verboten ist.

Das Vorgehen des algerischen Militärregimes hat weltweit Proteste ausgelöst. Vor allem Schriftsteller fordern Sansals Freilassung. Ein Offener Brief, verfasst von Kamel Daoud, wurde von prominenten Autoren wie Salman Rushdie, Annie Ernaux, Orhan Pamuk und Roberto Saviano unterzeichnet. Thea Dorn, Sprecherin des PEN Berlin, erklärte: "Boualem Sansal ist eine der wichtigsten Stimmen der französischsprachigen Literatur. Seine leidenschaftlichen öffentlichen Warnungen vor dem politischen Islam können seine Verhaftung ebenso wenig rechtfertigen wie die nun erhobenen Vorwürfe."

Sansals Werk steht exemplarisch für den Mut, sich gegen Diktaturen und religiösen Fanatismus aufzulehnen. Seine Verhaftung zeigt jedoch einmal mehr, wie weit Regierungen gehen, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Es bleibt zu hoffen, dass der internationale Druck auf Algerien dazu beiträgt, Sansals Freilassung zu erreichen. Abweichende Meinungen – ob in Fragen zu Grenzstreitigkeiten oder Islamismus – dürfen nicht kriminalisiert werden.

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