(hpd) Der Publizist Alfred Binder liefert mit dem Buch „Religion. Eine kurze Kritik“ eine kritische Einführung zur Religion. Dabei setzt er sich argumentativ mit den entsprechenden Begründungen auseinander, verweist aber auch treffend auf die unterschiedlichen Funktionen des Glaubens.
Aufklärer und Freidenker haben in den letzten Jahrhunderten aus agnostischer oder atheistischer Perspektive eine Fülle von Einwänden gegen die Geltungsansprüche der Religionen formuliert. Dabei entstanden kurze Streitschriften ebenso wie umfassende Werke. Gleichwohl mangelte und mangelt es an einer Art „Kritischer Theorie von Religion“, welche sich nicht nur in kritischer Auseinandersetzung, sondern auch in systematischer Erklärung ergeht. Den Anspruch, ein Buch in einem solchen Sinne vorzulegen, erhebt der studierte Philosoph Alfred Binder mit seinem Werk „Religion. Eine kurze Kritik“ nicht. Bereits im ersten Satz formuliert er: „Dieses Buch ist kein originelles Buch, es enthält keinen einzigen neuen Gedanken, dieses Buch ist eine Sammlung von Selbstverständlichkeiten“ (S. 11). Obwohl es sich demnach „nur“ als eine kurze Einführung zum Thema aus kritischer Sicht als Zusammenfassung versteht, enthält das schmale Werk zur Frage, „ob die Religion wahr ist“ (S. 15) doch genügend Stoff für eine solche aufklärerische Perspektive.
Nach einer kurzen Definition von Religion, die als Sammelbezeichnung für jenseitig, transzendent und übernatürlich ausgerichtete Weltanschauungen gedeutet wird, geht Binder der Frage nach: „Was spricht für und was gegen Religion?“. Dieser Hauptteil des Buchs konzentriert sich indessen in einem kritischen Sinne auf den erstgenannten Aspekt. Der Autor referiert kurz die jeweils von den Protagonisten der Religion vorgebrachten Argumente und setzt sich danach fragend damit auseinander. Solche Aussagen sind etwa „Alle Völker haben eine Religion gehabt“, „Übernatürliche Wesen haben sich den Menschen in den ‚Heiligen Schriften’ mitgeteilt“, „Weil Gott allmächtig, allwissend und allgültig ist, können wir gerettet werden“ oder „Ohne Religion gäbe es keine Werte und keine Moral“. Häufig finden sich zu den jeweiligen Hauptpunkten noch Unterpunkte, die ebenfalls einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. Am Ende jeden Abschnitts steht dann ein Fazit, worin die Kernaussagen der jeweiligen Erörterung noch einmal systematisch zusammengefasst werden.
Als bilanzierende Einschätzung formuliert der Autor: „Die Kernbehauptung der Religion ist die Existenz von Jenseitigem, von Transzendentem. Alle ihre anderen Behauptungen bauen auf dieser Behauptung auf. Es gibt aber keine Belege, keine Nachweise, keine Suren, die für die Existenz von Jenseitigem sprechen. Die Kernbehauptung der Religion ist ein Phantasma.“ (S. 164) Ganz in diesem Sinne arbeitet Binder auch mit der Projektionsthese, wonach die Inhalte der Glaubensformen eine Übertragung menschlicher Furcht und Wünsche auf eine Gottesfigur darstellten. Demnach gilt für ihn: „Ursprung und Wesen der Religion ist die Angst und der Wunsch auf ein wundersames Ende aller Angst.“ (S. 165) Die Attraktivität der Religionen für die Menschen erklärt Binder sich auch durch die Funktionen, die man aber ebenfalls bei nichtreligiösen Weltanschauungen finden könne: „1. Welt- und Daseinserklärung, 2. Förderung, Regelung und Schutz des sozialen Lebens, 3. Förderung, Regelung und Schutz des persönlichen Lebens, 3. Entlastung vom Todeswissen“. (S. 19)
Gerade mit diesem funktionsbezogenen Ansatz geht der Autor über die Ebene der bloßen Entlarvung und Verdammung von Fehlern und Widersprüchen in religiösen Aussagen hinaus, welche auch heute noch nicht wenige atheistische Darstellungen prägt. Sein hauptsächliches Verdienst besteht aber darin, auf engem Raum und mit inhaltlicher Zuspitzung die wichtigsten inhaltlichen Einwände gegen die Religionen vorzutragen. Dies geschieht auch ohne ständige Häme und Polemik. Besondere Aufmerksamkeit verdienen darüber hinaus die von Binder mitunter formulierten „Kontrollfragen“, welche zur kritischen Prüfung von weltanschaulichen Aussagen einladen. Nur selten vergreift sich der Autor mit Deutungen. „Ursache des islamischen Fundamentalismus“, so heißt es etwa, „ist die Überbevölkerung in den islamischen Ländern ...“ (S. 13). Dazu kommen noch viele andere Faktoren, die erst in Kombination miteinander das gemeinte Phänomen erklären. Diese kritische Bemerkung kann und will aber nicht die Qualität dieses kritischen Einführungsbandes schmälern.
Armin Pfahl-Traughber
Alfred Binder, Religion. Eine kurze Kritik (Reihe: Kritikpunkt.e), Aschaffenburg 2012 (Alibri-Verlag), 172 S.
Das Buch ist auch im Denkladen erhältlich.