Katholiken nehmen Sache nicht ernst
Sie werden die Sache einfach nur nicht ernst nehmen. Das erscheint nachvollziehbar. Jeder Katholik, selbst ein religiös indifferenter Taufscheinkatholik, weiß, dass bei den Protestanten Frauen Pfarrerinnen sein dürfen. Das muss man ihnen nicht mit einer sündteuren Werbekampagne nahe bringen. So dumm sind die Schäfen auch wieder nicht. Wäre die äußerliche Liberalität auch nur irgendein Kriterium, zum Protestantismus zu konvertieren, es hätten wahrscheinlich schon Millionen getan.
Die, die aus Protest gegen zu viel Konservativismus aus der katholischen Kirche ausgetreten sind und bislang konfessionsfrei sind, werden wohl ihr Gründe haben, warum sie nicht zu den Protestanten gegangen sind. Papstfimmel vielleicht. Ein Hang zur Inszenierung, möglicherweise. Da sind die Katholiken unbestreitbar besser als die Protestanten. Diese Leute werden sich nicht jetzt plötzlich missionieren lassen. Den meisten Konfessionsfreien und den knapp 90 Prozent Taufscheinkatholiken ist es ohnehin egal, siehe oben.
Die Sorge, dass Massen von Schäfchen ins andere Lager überwechseln, wird den katholischen Funktionären eher keine schlaflosen Nächte bereiten.
Man stelle sich vor, Atheisten würden das machen
Allein, die Geschichte zeigt etwas anderes auf: Religionsgemeinschaften können einander in der Öffentlichkeit ausrichten, was sie voneinander halten. Subtil aber doch sagen die Protestanten den Katholiken, dass sie Recht haben und die Katholiken eine mittelschwer verzopfte Einrichtung haben.
Atheisten dürfen das nicht. Man stelle sich vor, etwa der Freidenkerbund ließe in ganz Wien plakatieren: „Frauen haben hier nix zu melden“ und es wäre eindeutig, dass sich diese Aussage auf die katholische Kirche bezieht. Das wäre eine bloße Tatsachenfeststellung, nicht mehr und nicht weniger.
Ein Aufschrei wäre gewiss. Sämtliche Glaubensgemeinschaften würden öffentlich über die „intoleranten Atheisten“ herfallen. Die Protestanten würden einen wahrscheinlich sofort wieder Nazi nennen.
Sofern man überhaupt Plakatflächen für das Sujet gefunden hätte. Die meisten Anbieter von Plakatflächen hätten sich schlicht geweigert, solche Plakate entgegenzunehmen (siehe Buskampagne). Wenn die Protestanten das gleiche machen, ist’s ein Beweis für die „ökumenische Verbundenheit“ und alle haben einander lieb. Die sprichwörtlichen zweierlei Maß lassen grüßen.
Abgesehen davon, dass weder der Freidenkerbund noch sonst ein atheistischer oder religionskritischer Verein in Österreich das Geld hätte, eine solche Kampagne zu veranstalten. Anders als vor allem die katholische und die protestantische Kirche hängen die nicht am Steuertropf der Republik sondern müssen mit ihren Mitgliedsbeiträgen auskommen.
Christoph Baumgarten
Notizen aus Wien ist die monatliche Kolumne unseres Österreich-Korrespondenten Christoph Baumgarten.