Garfreitag mit dem Spaghettimonster

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Bruder Pasta L'adoratore und Bruder Pasta Amico Intimo bei ihrer pastafarianischen Trauung

Religionsfreien Menschen wird oft vorgeworfen, sie würden religiöse Bräuche nicht ernst nehmen. Um mit diesem Vorurteil aufzuräumen, hat hpd-Autorin Anna Wopalensky zwei tiefgläubige Menschen bei ihren Vorbereitungen zu den bevorstehenden Feiertagen begleitet.

Bruder Pasta L'adoratore und Bruder Pasta Amico Intimo fiebern dem Tag entgegen, den Christen "Karfreitag" nennen. Die beiden sind Pastafari, Anhänger des Fliegenden Spaghettimonsters. Als ich sie in ihrem Osnabrücker Zuhause besuche, kann ich ihre Vorfreude fast mit Händen greifen. Was für Christen ein Tag der Trauer ist, weil der Legende nach an diesem Tag der christliche Heiland starb, ist für Anhänger des Fliegenden Spaghettimonsters ein Freudentag. Pastafarianischen Legenden zufolge wurde an diesem Tag die erste Nudel gegart, weswegen er eigentlich "Garfreitag" heißt. Dass Christen die ursprüngliche Bezeichnung dieses Tages änderten und ihn nun als ihren Feiertag ausgeben, darüber sehen Pastafari milde hinweg. Schließlich ist allgemein bekannt, dass die meisten Religionen ihre Bräuche und Feiertage älteren Religionen entlehnt – man könnte auch sagen: gemopst – haben.

Für gläubige Pastafari ist der Garfreitag immer ein großes Freudenfest. Für Bruder Pasta L'adoratore und Bruder Pasta Amico Intimo, die mit bürgerlichen Namen Dietmar und Stefan heißen, ist es in diesem Jahr jedoch ein ganz besonderes Ereignis: Es ist der erste gemeinsame Garfreitag nach ihrer pastafarianischen Hochzeit. "Wir sind zwar schon viele Jahre verheiratet, aber irgendwie hatten wir das Gefühl, dass unserer Beziehung ohne pastafarianische Trauung der spirituelle Segen fehlt", sagt Dietmar. Im vergangenen November haben sich die beiden deshalb in der Templiner Mutterkirche, der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland, vor dem Spaghettimonster das Ja-Wort gegeben. "Es war ein sehr erhebender Moment", berichtet Stefan, "ich konnte wirklich spüren, wie uns das Monster mit seinen Nudeligen Anhängseln berührte und uns seinen Segen gab". Die Trauungszeremonie hat die beiden in ihrem Glauben bestärkt. Dem anstehenden pastafarianischen Hochfest sehen sie deshalb mit besonders großer Freude entgegen. Denn gefeiert wird nicht nur am Garfreitag, sondern auch am darauf folgenden mehrtägigen Passtahfest.

Während des Passtahfestes feiern gläubige Pastafari jene Zeit, in der das Fliegende Spaghettimonster begann, die Menschen mit seinen Nudeligen Anhängseln zu berühren. Das uralte Fest der Spaghettimonster-Gläubigen wurde später von den Juden zum Passahfest und noch später von den Christen zum Osterfest umfunktioniert. Am Garfreitag und dem anschließenden Passtahfest treffen sich Pastafari mit Familie und Freunden und verzehren Unmengen von vielfältig zubereiteten Nudelgerichten. Stolz präsentieren mir Dietmar und Stefan ihre frisch aufgestockten Nudelvorräte: Filigrane Farfalle, füllige Fettuccine, bissfeste Bucatini, wuchtige Cannelloni, monströse Tortelloni – und natürlich: Spaghetti. Die Nudeln müssen viele Mägen füllen, denn die beiden Osnabrücker Pastafari haben pastafarianische Freunde aus ganz Deutschland eingeladen. Sie alle gemeinsam werden in Piratenkleidung ausgelassen und fröhlich den Garfreitag und das Passtahfest miteinander feiern. Doch warum eigentlich Piratenkleidung, will ich von Stefan wissen.

"Weil wir dadurch etwas gegen den Klimawandel tun." Ich stutze. Deshalb holt Stefan zu einer etwas längeren Erklärung aus: "Unser Prophet Bobby – gepriesen sei sein Name – hat festgestellt, dass der Anstieg der Erdtemperatur und die Abnahme der Anzahl der Piraten in den letzten Jahrhunderten in einem direkten Verhältnis zueinander stehen. Und darum gibt es folgerichtig nur eines, was man gegen den Klimawandel tun kann: Man muss die Zahl der Piraten erhöhen, um die Erdtemperatur zu senken. Deshalb hat uns das Monster in seiner unendlichen Weisheit mitgeteilt, dass es ihm am liebsten wäre, wenn wir uns als Piraten kleideten." "Also eine Art Garfreitag for Future?", frage ich. "Genau", bestätigt Stefan. "Das ist ja auch der Vorteil an unserem Glauben: Es ist die einzige wissenschaftliche Religion der Welt", sagt er. "Man muss nicht einfach daran glauben, dass irgendein Gott möchte, dass man sich einen ulkigen Hut auf den Kopf setzt oder dass man sich komplett mit Stoff verhüllt – unser Gott liefert uns nachvollziehbare Gründe, warum wir etwas tun sollen", schwärmt Stefan.

Dass Dietmar und Stefan tief von ihrem Glauben erfüllt sind, daran lassen sie keinen Zweifel. Doch ich frage mich, ob es im Alltag wirklich immer so leicht ist, Pastafari zu sein. "Na ja, die Nudeln sind halt schon sehr kalorienreich", gibt Dietmar zu. "Aber wir gehen regelmäßig ins Fitnessstudio, darum geht das schon." Das war nicht ganz die Antwort, mit der ich gerechnet hatte. Ob sie aufgrund ihres Glaubens denn nie diskriminiert werden, möchte ich von den beiden wissen. Ich berühre einen heiklen Punkt, denn die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters ist in Deutschland noch immer nicht als Weltanschauungsgemeinschaft anerkannt. "Es gibt sogar Leute, die unsere Kirche für einen Karnevalsverein halten, weil wir uns auf Wunsch des Monsters als Piraten kleiden", sagt Stefan, sichtlich verletzt.

Doch an solche schmerzhaften Diskriminierungen wollen Bruder Pasta L'adoratore und Bruder Pasta Amico Intimo jetzt nicht denken. Fröhlich rücken sie ihre Piratenhüte zurecht und schanghaien mich spontan als Testesserin für ein neues Nudelgericht. Denn am Garfreitag soll bei den Anhängern der einzig wissenschaftlichen Religion nudeltechnisch schließlich nichts dem Zufall überlassen werden.