Dalai Lama trifft Weihnachtsmann

BERLIN. (hpd) Eine multireligiöse digitale Gebetsmühle in Handyformat für alle Fälle und alle Lebenslagen, eine neue Weltreligion  – die Erfindungen Lauris und Kalles sind nicht eben bescheiden. Obwohl immer aus der Not geboren. Die beiden werden, wie einst die schiffbrüchigen Seefahrer in 1001 Nacht von Hafen zu Hafen, durch das trockene Zentralasien getrieben, von ihrer Geschäftstüchtigkeit und dem Zeitgeist.

Der finnische Erfolgsautor Arto Paasilinna  hat mit „Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle“ einen zeit- und religionskritischen Roman geschrieben.

Hat Paasilinna McLuhans Satz „Das Medium ist die Botschaft“ mittels einer Geschichte als hinreißend komischen Roman inszeniert? Treibt er seinen Spott über die immer noch bei den Göttern um Hilfe suchenden modernen Menschen oder über die Unverbindlichkeit zeitgenössischer Mischreligionen? Wohl von allem ein bisschen.

Kalles Schiffbruch, mit dem der Roman beginnt, ist wirklich einer. Bei einem rasanten Betriebsausflug fällt er vom Boot, kurz nachdem man ihm seine Kündigung mitgeteilt hatte. Das Wasser bis zum Hals macht er sich seine ersten religiösen Gedanken. Nichts Geringeres als das Weltall könne ihm aus seiner Malaise helfen, fürchtet er und betet. Er wird gerettet.

Noch im Krankenhaus führt er mit seinem Freund Lauri, einem freischaffenden Erfinder, Gespräche von existenzieller Tiefe. Aus ihnen entwickelt sich flugs ein smarter Geschäftsplan. Sie wollen ein multireligiöses Gebetsmühlen-Handy entwickeln und vermarkten. Denn in der Not und überhaupt kommt es schließlich nicht so darauf an, zu welchem Gott man betet, und höchstens das Weltall ist groß und mächtig genug.

Die Geschichte rattert dahin mit atemberaubender Geschwindigkeit, fröhlich wirbelnd wie eine Gebetsmühle. Schließlich wird nicht wenig in dem kleinen Buch verhandelt. In kurzen knappen Sätzen geht es durch die Kontinente.

Die beiden machen sich auf ins Ursprungsland von 1001 Nacht, nach Indien. Eine billige indische Produktionsfirma läßt sich auf ihr Vorhaben ein. Es gelingt ihnen sogar, dem Dalai Lama ihre Idee persönlich vorzutragen. Dann geht es nach Lhasa, der Heimat der Gebetsmühlen. Dort hat man allerdings auch für neumodische Formen der Religion wenig übrig. Die beiden Abenteurer werden eingekerkert. Nun wird diesmal Kalle zum Erfinder – gleich einer ganzen Religion. Ihr einfacher Glaubensgrundsatz: Nur die guten Taten zählen - lasse sie dir bezeugen. Ein digitales Zentralregister könne schließlich alles festhalten. Wieder betet er das Weltall um Hilfe an. Das antwortet prompt und schickt ihnen ein Vöglein als Zeichen. Es gelingt ihnen mit Hilfe des Arztes einer NGO die Flucht über den Himalaya.

Aber was wird hier eigentlich von den beiden Schelmen der Anbetung empfohlen und je nach ideologischem Standpunkt beargwöhnt: das Gerät, das Handy, alles oder nichts? Alles hängt mit allem zusammen.

Daheim erfährt Lauri von seinem Zahnarzt von einer neuen Religion und entdeckt wenig später, dass es sich um seine eigene Kreation handelt, in Windeseile im Internet durch seinen Fluchthelfer, den  Arzt aus China, weiterverbreitet. Nun sind die beiden wer. Ihrerseits laden sie den Dalai Lama nach Finnland ein. Da sich kein Staatsmann mit ihm treffen will, wird eine Zusammenkunft mit dem Weihnachtsmann im hohen Nordosten Finnlands geplant (nebenbei gesagt der Heimat des samischen Autors). Dem Dalai Lama gefällt´s.

Die beiden machen nun als religiöse Eventmanager Karriere. Für die Anhänger der neuen Weltreligion wird ein finnischer Eissee zum neuen Mekka. Doch die Ehefrauen der beiden Fahrensmänner sind mehr fürs Realistische. Die beiden Abenteurer belassen es nun fortan bei einem Feinschmeckerrestaurant für indisch-finnische Küche am See. Die Sache läuft gut an. Eine archaische Floss-Party  inmitten von sintflutartigem metaphysischen Sturmesbrausen gerät zum gelungenen Event mit Nervenkitzel.

Verhöhnt Paasilinna Aberglauben oder Eventfeier, und was unterscheidet heute eigentlich das eine vom anderen, und was hat beides je voneinander unterschieden? Paasilinnas rasend komisches Buch wäre kein Roman, wenn solche Fragen so einfach zu beantworten wären. Im wahrsten Sinne des Wortes: eine wunderbare Sommerlektüre!

Simone Guski

Arto Paasilinna: „Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle“, aus dem Finnischen von Regine Pirschel, ISBN-978-3-404-16800-2, Bastei Lübbe Köln, 2013, 219 S. , 9,99 Euro.