Zu einzelnen Traumafolgestörungen, wie PTBS, Depression, Angststörungen, Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen und Störungen des Sozialverhaltens, sowie Übergewicht und Bluthochdruck, was ebenfalls als Folgeerscheinungen erkannt wurde, gibt es seitens der Krankenkassen gute Dokumentationen. Dabei wurde herausgefunden, dass vor allem nach sexueller Gewalt des Risiko für PTBS zwischen 50 und 80 Prozent liegt und damit wesentlich höher, als nach anderen traumatischen Ereignissen.
Für die Studie musste zuerst geklärt werden, welche Kosten überhaupt berücksichtigt werden sollen. Die vorliegenden internationalen Studien berücksichtigten größtenteils die Kosten aus Opfersicht, also kaum die der Täterverfolgung.
Ein weiterer zu klärender Punkt war, ob man lediglich die Kosten der nachgewiesenen Fälle berücksichtigt oder die um das 20fach höhere Anzahl aus den Prävalenzangaben. Auf jeden Fall würde die Betrachtung der bekannten Fälle kein repräsentatives Ergebnis liefern, da die Dunkelziffer viel zu hoch ist. Eine weitere Schwierigkeit bestand in der Ermittlung der Kostenbereiche, da nicht eindeutig zuordenbar ist, welche Kosten direkt durch das Trauma bedingt sind. Eine komplette Kostenaufstellung ist auch real nicht machbar, da viele Kosten nicht erfasst werden oder privat getragen werden und damit nicht ermittelbar sind.
Es sind auch nur für wenige Traumata (wie für Missbrauch und Misshandlung) die Auswirkungen bekannt. Für andere, wie schwerer Unfall, Verletzung, Zeugenschaft eines Ereignisses) gibt es kaum Daten und konnten somit gar nicht berücksichtigt werden.
Diese Studie kann deshalb auch nur eine Einschätzung bieten und bringt keine gesicherten Werte. Durch wenig öffentliche Beachtung und mangelnde Bereitstellung von Finanzen für die Erforschung dieses Themas entstand eine ebenfalls nur lückenhafte Datenrecherche. Dennoch ist es gelungen, Traumafolgekosten den Präventionskosten gegenüberzustellen.
Danach sind Traumafolgekosten um ein vielfaches höher als Präventionsmaßnahmen. Da dieser Studie sehr konservative Einschätzungen zugrunde liegen, ist real mit wesentlich höheren Kosten zu rechnen.
Die folgende Tabelle zeigt, welche Kosten für eine Ermittlung der Größenordnung relevant sind:
Im Ergebnis dieser Studie wird eine Summe von
11.005.676.636 Euro
(Elf Milliarden Euro) ermittelt, die durch Folgen von Kindesmisshandlung/-missbrauch und Vernachlässigung jährlich entsteht. Damit würden auf jeden Bundesbürger Traumafolgekosten in Höhe von rund 135 € entfallen (als Vergleich 2.579 € für den EU-„Rettungsschirm“).
Bewertung
Diese Studie kann nur bedingt einen Anhaltspunkt für die Folgekosten von Traumatisierungen bieten. Die Herleitung der Folgekosten ist sehr einfach gehalten, weil viele Daten mit großen Ungenauigkeiten behaftet sind. Die unterschiedlichen verwendeten Datenquellen sind unter anderen Gesichtspunkten erstellt worden und bieten daher nur mittelbar Bezugsquellen zu der hier zu ermittelnden Größe der Kosten.
Ziel muss es jetzt sein, Spezial-Ausbildungsplätze für neu erkannte Wege der Therapie zu schaffen. Der erstmalige Versuch, die Kosten der Folgen von Traumatisierungen zu erfassen, liefert Anhaltspunkte für die ökonomische Seite von Therapien. Nämlich, dass sehr zeitnah zum Traumaereignis die Behandlung beginnen muss, um möglichst rasch die bekannten Folgekrankheiten zu vermeiden bzw. zu minimieren. Das erfordert insgesamt eine größere Beachtung von Traumata. Ärzte und Therapeuten müssten befähigt sein, solche Patienten zeitig zu erkennen, um sie dann gezielt behandeln zu können bzw. sie an Spezialisten zu vermitteln.
Elke Schäfer
Quelle: Deutsche Traumafolgekostenstudie - Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie; Universitätsklinikum Ulm; „Kein Kind mehr – kein(e) Trauma(kosten) mehr?“- Susanne Habetha, Sabrina Bleich, Christoph Sievers, Ursula Marschall, Jörg Weidenhammer und Jörg M. Fegert; Institut für Gesundheits-System-Forschung GmbH Kiel; Februar 2012, 140 Seiten, ISBN 978-3-88312-327-1
Weiteres zum Thema: Gahleitner, Silke Birgitta & Oestreich, Ilona (2010). „Da bin ich heute krank von.“ Was hilft ehemaligen Heimkindern bei der Bewältigung ihrer Traumatisierung? Im Auftrag des Rundes Tisches Heimerziehung. Berlin: Runder Tisch Heimerziehung. [Download]