Eröffnung „Treppenhaus der Menschenrechte".

ZIEMENDORF. Am Ostersonntag waren am Vormittag in dem kleinen Ort am Arendsee in der Altmark in Sachsen-Anhalt mehrere

Dutzend Menschen zur Eröffnung des „Treppenhaus der Menschenrechte" zusammen gekommen.

Die allgemeine Begrüßungsrede hielt Erwin Schmid, privat Vorsitzender des Bundes für Geistesfreiheit in Regensburg. „Ich freue mich sehr, dass ihr gekommen seid, diese positive Entwicklung einer Kaserne der Grenztruppen zu einer weltoffenen humanen Pension zu feiern. Symbol dieser Veränderung ist hier die Gegenüberstellung von ‚heroischen Soldatenbildern' zu den 30 Artikeln der Menschenrechte der Vereinten Nationen. Symbol dieser Veränderung ist auch die Umwandlung des ehemaligen Todesstreifens in das grüne Band Europas. Überhaupt ist die Geschichte Europas seit dem Ende des 2. Weltkrieges, seit nunmehr 62 Jahren, ein langsames, mühevolles, aber friedliches Arbeiten mit Kompromissen verschiedenster Anschauungen. Langsam setzten sich die besseren Argumente und die besseren demokratischen Gesellschaften durch."

 

Ihm folgte sein ältester Sohn Armin, der vor Ort tätig ist und sich u.a. fragte: „Wieso überhaupt Treppenhaus der Menschenrechte? Deshalb, weil es notwendig ist, die Menschen stetig an ihre Rechte zu erinnern, um diese wahrzunehmen und um zu wissen, was es zu schützen gilt. Mit dieser Ausstellung haben wir versucht, die Geschichte der Teilung Deutschlands und Europas zu kommentieren. Im Eingangsbereich sind drei Wandbilder von Soldatenpatrouillen zu sehen. Sie haben uns zur Gestaltung des Treppenhauses der Menschenrechte provoziert. Die Menschenrechtsartikel der UNO-Charta von 1948 und die Friedensnobelpreisträger seit Michael Gorbatschow 1990, der maßgeblich an der friedlichen Wiedervereinigung beteiligt war, haben im Treppenhaus ihren Platz gefunden. Das Grüne Band steht als Symbol für die friedliche Einigung."

"Es hat mir persönlich viel Freude bereitet, dieses Treppenhaus der Menschenrechte zu schaffen. Hier gibt es die Möglichkeit Urlaub zu machen und sich dabei auf unsere Menschenrechte zu besinnen. Dies sind die Rechte und Werte, die sich die Menschen selbst gaben, zu einer Zeit als die Not nach dem 2. Weltkrieg am größten war."

 

Barbara Knöfler, die für die PDS.Die Linke im Landtag Sachsen-Anhalts für Demokratieentwicklung und Bürgerrechte wirkt, hatte ihr vorbereitetes Redemanuskript zur Seite gelegt. „Die Einladung hierher machte mich neugierig - da wird etwas eröffnet, es geht um Menschenrechte und es ist eine Familie, die sich aus dem Westen aufgemacht hat, um im Osten etwas zu verändern, und zwar nicht irgendetwas, sondern konkret in einer Kaserne, die sich auf dem Grenzstreifen befindet. In dieser Kaserne nahe der Grenze waren Soldaten. Soldaten, die die DDR beschützten aber ebenso auch geschossen haben, wenn es darauf ankam, auf Menschen, die die Republik verlassen wollten, die sie daran gehindert und gegebenenfalls getötet haben.

Und dann gab es ein vereinigtes Deutschland. Es wurde vieles aufgedeckt, was uns allen eigentlich so nicht klar war, wie der Staat mit den Menschen umgegangen ist, wie er Künstler nicht das hat singen lassen, was sie singen wollten, nicht hat schreiben lassen, was sie ausdrücken wollten. Die Künstler haben diesen Staat verlassen und es ist keine so ganz einfache Aufgabe für mich, heute hier zu stehen, in einer ganz großen Familie - ich empfinde es als Familie, was hier entsteht und schon entstanden ist -, übergreifend über Ländergrenzen, übergreifend zwischen alt und jung, und es entstehen Freundschaften."

Erwin Schmid schloss seine Rede mit 'Freundschaft', das war der Gruß der FDJler. Sie meinten immer Freundschaft, aber waren sie tatsächlich immer freundschaftlich zueinander?"

"Ich habe noch, neben vielem Anderen, einen Aspekt, und mit dem möchte ich dann auch schließen.

Die DDR, was war das? Nicht gefachsimpelt, wir haben sie erlebt, wir fanden sie zum Teil sympathisch, manches Mal auch einengend. Roman Herzog hat 1994 in einer Enquete-Kommission einmal festgestellt, ich will es nur anreißen, nicht wörtlich zitieren: Die DDR war ein Lebensraum mit Höhen und Tiefen, mit Wärmen und Kälten. Und er hat festgestellt, dass man diese Zeit den Menschen nicht in Abrede stellen darf, denn es war ihre Lebenszeit, die sie dort gelebt haben. Jetzt haben wir eine neue Zeit und haben einen ganz wesentlichen Auftrag, an dem wir alle mitarbeiten oder mitarbeiten sollten, miteinander friedfertig, friedlich zu leben - nicht nur hier, in einer ehemaligen Kaserne -, wir sollten es schaffen europaweit und weltweit."

 

Schließlich sprach Ulrike Dausel, aus Belgien, zu den Versammelten. „Ich habe hier und heute die Ehre, im Auftrag der Internationalen Humanistischen und Ethischen Union - kurz IHEU - das 'Treppenhaus der Menschenrechte' feierlich mit zu eröffnen. Frau Sonja Eggerickx, die Vorsitzende der IHEU, wäre heute übrigens sehr gerne mit dabei gewesen. Aber so wie ich sie kenne, wird sie ihren Besuch hier noch nachholen, so bald sie kann - denn auch sie findet dieses Projekt hier besonders unterstützenswert!

'Treppenhaus der Menschenrechte' - was für ein wunderbarer, klang- und bedeutungsvoller Name für ein humanistisches Tagungshaus! Ein Name, der mich schon beim ersten Hören vor ein paar Monaten ganz besonders angesprochen hat - da ich die Universelle Erklärung der Menschenrechte für eine der wichtigsten Errungenschaften des 20. Jahrhunderts halte. Ein Jahrhundert, in dem ja auf den verschiedensten Ebenen sehr viel passiert ist, im positiven wie im negativen Sinne. Ein Jahrhundert, in dem zwei Weltkriege stattgefunden haben. Mit dem Kalten Krieg zur Folge, der die Welt mehr als vier Jahrzehnte lang in "Ost" und "West" gespalten hat.

Eine Spaltung, die auch in Deutschland einschneidende Folgen hatte, mit dem Bau der Berliner Mauer und der hermetischen Absicherung der Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland. Eine Grenze, die tiefe Spuren hinterlassen hat - in der Landschaft, hier ganz in der Nähe, und in beiden Teilen Deutschlands, die sich in all den Jahrzehnten in verschiedene Richtungen entwickelt haben.

Trotz aller Unterschiede zueinander finden, einander begegnen wollen, den anderen kennen lernen, ihn als gleichwertig ansehen, ihn so sein lassen, wie er ist, auch wenn er anders ist als ich selbst... das sind wichtige Grundwerte des Humanismus, Grundwerte eines friedlichen und toleranten Miteinanders. Werte, die diese Welt menschlicher und angenehmer machen, vor allem dann, wenn wir sie in unserem eigenen, tagtäglichen Leben zu verwirklichen versuchen ... was nicht immer einfach ist."

"Für die IHEU, die Internationale Humanistische und Ethische Union sind die Menschenrechte enorm wichtig. Die IHEU ist die weltweite Dachorganisation für humanistische, rationalistische, atheistische, säkulare, ethische und agnostische Gruppen. Sie wurde 1952 in Amsterdam gegründet und umfasst weltweit mittlerweile beinahe hundert Mitgliedsorganisationen in über 30 Ländern, von Nepal bis Peru, von der Slowakischen Republik bis Indonesien, von Ghana bis Neuseeland, von großen Mitgliederverbänden bis hin zu spezialisierten Gruppen wie Verlagen, Universitäten und Dritte-Welt-Projekten."

"Humanisten beziehen Anregungen aus ihrem rationalistischen und freidenkerischen Erbe. Sie lehnen absolute Autoritäten und offenbarte Wahrheiten ab. Humanisten vertrauen auf die intellektuelle Integrität des Menschen und sind dagegen, dass überkommene Traditionen das Gewissen ersetzen. Humanisten fördern die Freiheit der Forschung als Basis eines wissenschaftlichen Denkens und einer lebendigen Philosophie.

Das soziale Ideal des Humanismus ist die Verbreitung von demokratischen Werten mit dem Ziel einer umfassenden sozialen, politischen und wirtschaftlichen Demokratie. Humanisten vertrauen auf die Kraft der dem Menschen innewohnenden Moral und auf ihre intellektuellen Fähigkeiten.

Für die IHEU ist die nationale Identität weniger bedeutsam als der Aufbau einer internationalen Weltgemeinschaft. Die IHEU fühlt sich den Idealen der UNO besonders verpflichtet und vertritt die Interessen von Humanisten in der UNO, UNICEF, UNESCO und im Europarat; und die ersten Direktoren der UNESCO (Julian Huxley), der FAO (J. Boyd Orr) und der WHO (G.B. Chisholm) waren prominente Humanisten. Viele der humanistischen Grundsätze finden sich wieder in den internationalen Konventionen über Menschenrechte, und in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen.

Die Aktivitäten der IHEU sind also vielfältig, im Mittelpunkt stehen jedoch stets humanistische Grundwerte und die Rechte und die Würde des Menschen.

Darum folgen wir auch mit großer Wachsamkeit die Geschehnisse innerhalb der Kommission für Menschenrechte der Vereinten Nationen. Respekt für andere Überzeugungen und Lebensauffassungen ist sehr wichtig. Dennoch darf dieser Respekt nie übergehen in Toleranz gegenüber Unrecht. Dafür ist die Universelle Erklärung der Menschenrechte ein sehr gutes Instrument."

"Dass gerade in diesem Gebäudekomplex hier in Ziemendorf, einer ehemaligen NVA-Kaserne, ein Treppenhaus der Menschenrechte eröffnet wird, ist mehr als symbolisch. Und dass dies gerade heute geschieht, am Ostersonntag, einem der Tage, an denen seit über vier Jahrzehnten Ostermärsche organisiert werden als Zeichen der Hoffnung auf eine gewaltfreie, friedliche und solidarische Welt und als Zeichen des Protestes gegen Krieg und Gewalt, ist natürlich auch besonders bedeutsam.

Diese wertvolle Tradition verdient es, in Ehren gehalten zu werden - von daher ist es besonders schön, dass wir jetzt gleich anschließend selbst aufbrechen zu einem Ostermarsch rund um den Arendsee. So unternehmen wir buchstäblich einen Schritt, um unsere Ideale nach außen hin zu zeigen und unseren Teil beizutragen zu einer Welt, in der Menschen im Frieden zusammenleben. Eine Welt, in der Menschen, so unterschiedlich sie auch sein mögen, zusammen arbeiten an und sich einsetzen für eine Gesellschaft voll Toleranz."

"Mitunter wird behauptet, dass Lebensauffassung und Religion zur Privatsphäre des Menschen gehören. Dies ist größtenteils richtig, aber die Menschen, die in einer Gesellschaft leben, haben auch die Verantwortung, dass die Menschenrechte hinter geschlossenen Türen respektiert werden.
Alle Menschen sind gleichwertig - das ist ein Prinzip, das wir als Humanistinnen und Humanisten, das wir als Menschen keinesfalls ignorieren können. Und es versteht sich von selbst, dass meine eigene Freiheit da aufhört, wo ich die Freiheit anderer bedrohe oder gefährde.

Es ist nicht immer einfach, hierin zu einem ausgewogenen Gleichgewicht zu gelangen, aber dies ist ein essentieller Bestandteil eines friedlichen Zusammenlebens. Die Arbeit hieran ist nie zu Ende, daran müssen wir immer weiterarbeiten, jeden Tag aufs Neue ...

Und in diesem Sinne finde ich das Treppenhaus der Menschenrechte ein besonders interessantes, einzigartiges und schönes Projekt, in dem Menschen zur Ruhe kommen können mitten in der schönen Natur und in den freundlichen, geräumigen und hellen Innenräumen der Pension, und in dem Menschen einander begegnen und zusammen an einer besseren Welt arbeiten können in den humanistischen Tagungsräumen.

Bemerkenswert finde ich auch, dass in diesem Haus die Geschichte einerseits nicht vertuscht wird, wie die Darstellungen im Eingangsbereichs zeigen, die noch aus NVA-Zeiten stammen, und dass dem andererseits eine positive Alternative gegenübergestellt wird in Form der 30 Artikel der Universellen Erklärung der Menschenrechte.

Und auch die Landkarten von Europa und der ganzen Welt sprechen mich an - zeigen sie mir doch, wie groß die Welt eigentlich ist, und wie wichtig es ist, das Ideal eines friedlichen Zusammenlebens nie aufzugeben. Und auch das Grüne Band, das sich durch das ganze Haus zieht, gefällt mir, nicht nur von der Farbe her, sondern vor allem, weil es ein Projekt des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschlands symbolisiert. Ein Projekt, das aus jenem Grenzstreifen, der mehr als vier Jahrzehnte lang eine absolut menschenfeindliche Zone war, ein grünes Band machen will, in dem der Mensch der Natur wieder näher kommen kann, und in dem die verschiedensten Menschen einander begegnen können."

 

CF