Kritik an Millionenförderung aus Steuergeldern für Kirchentag

Schlitzohriger David gegen gereizten Goliath

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David Farago und Ricarda Hinz mit Löwenwagen und Moses auf dem Düsseldorfer Burgplatz, im Hintergrund der Schlossturm
David Farago und Ricarda Hinz mit Löwenwagen und Moses

Die subversive Aktion gegen den evangelischen Kirchentag 2027 in Düsseldorf liegt nun eine Woche zurück. Die Evangelische Kirche reagierte genervt und mit juristischer Gegenwehr. Und musste es hinnehmen, dass durch das gewaltige Medienecho einer breiten Öffentlichkeit die Kritik säkularer Organisationen an der Millionenförderung des Kirchen-Events bekannt wurde. Eine Chronik des subversiven Streichs.

Auf der Titelseite der Boulevardzeitung Düsseldorfer Express prangte ein Foto, das die berühmte Moses-Figur des Aktionskünstlers David Farago zeigt – die grimmig dreinschauende Großplastik mit ihrem "11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!" Darüber gelegt in riesigen Lettern die Überschrift: "Irrer Aufstand gegen den Kirchentag." Und seine Rückseite widmete der Express dann großflächig dem, wie es dort in der Überschrift heißt, "schlauen Trick der Spaghettimonster". Auch andere Zeitungen (Rheinische Post, Westdeutsche Zeitung, Neue Rhein Zeitung, Frankfurter Rundschau, Zeit Online, t-online, n-tv) berichteten ausführlich über die spektakuläre Aktion. So titelte beispielsweise die Neue Rhein Zeitung: "Millionenspiel: Agnostiker kapern Düsseldorfer Kirchentag". katholisch.de, evangelisch.de, domradio, jesus.de begleiteten das Geschehen ebenfalls. Der hpd hat hier und hier über die Aktion berichtet.

Eine Woche danach ist es Zeit für ein Fazit: Was steckte hinter der subversiven Aktion, wie waren die Reaktionen, was sind die Folgen, wie ist der Stand der Dinge?

Die Vorgeschichte: Öffentliche Millionenförderung und Bürgerbegehren

Der Rat der Stadt Düsseldorf hatte 2022 beschlossen, einem noch zu gründenden Verein 5,8 Millionen Euro für die Durchführung des Evangelischen Kirchentags im Jahr 2027 in der Stadt zukommen zu lassen. Diese städtische Millionenhilfe löst eine quasi automatische Zusatzförderung von 7 Millionen Euro durch das Land Nordrhein-Westfalen und 500.000 Euro durch den Bund aus. Eine Förderung, die kritisiert wird, da die Fördergelder von allen Steuerzahlern getragen werden müssen. Dabei sind nur knapp 14 Prozent der Düsseldorfer Mitglied der evangelischen Kirche. Auch, so die Kritiker, sei nicht transparent, wofür die Millionen-Fördergelder eingesetzt werden. Das Bereitstellen dieser hohen Fördersumme durch die verschuldete Stadt für eine einmalig stattfindende Veranstaltung habe zur Folge, dass viele kleine kulturelle Veranstaltungen nicht gefördert werden können und daher nicht stattfinden.2

Eine subversive Vereinsgründung

Der Düsseldorfer Aufklärungsdienst (DA!), eine Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), war im Jahr 2023 knapp mit einem Bürgerbegehren gescheitert, diesen Ratsbeschluss noch einmal politisch zur Debatte zu stellen. Im Herbst 2024 gründete sich dann im Umfeld des DA! in Zusammenarbeit mit der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters ein Verein mit dem Namen "40. Deutscher Evangelischer Kirchentag Düsseldorf 2027 e.V." Die beiden Vorsitzenden: David Farago, bekannt durch seine Aktionen mit der Moses-Figur und dem "11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!". Und Mario Ickert, Vorsitzender der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland. Da die evangelische Kirche ihrerseits den für die Durchführung und den Abruf der Millionen-Subventionen zuständigen Verein noch nicht gegründet hatte, gelang es Farago, den Verein beim Vereinsregister am Amtsgericht Fulda eintragen zu lassen. Ein Verein, in dessen Aufsichtsrat prominente Köpfe berufen wurden: Die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete und Beirätin der Giordano-Bruno-Stiftung, Ingrid Matthäus-Maier. Dann der gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon. Und der insbesondere in Düsseldorf populäre Kabarettist Manes Meckenstock.

Großes Medienecho und juristische Gegenwehr der Kirche

Die evangelische Kirche ließ einen von ihr beauftragten Rechtsanwalt in einem 120-seitigen Schreiben ans Amtsgericht Fulda die Löschung des Vereins fordern. Begründung: Die Öffentlichkeit solle getäuscht werden, um möglichst viel Widerstand gegen den 40. Deutschen Evangelischen Kirchentag 2027 in Düsseldorf zu erzeugen. Der Verein hatte schon vorher eine Pressekonferenz im historischen Düsseldorfer Schlossturm am Rheinufer angesetzt1, auf der Vorstand und Aufsichtsrat der zahlreich erschienenen Presse Rede und Antwort standen. In der darauffolgenden Berichterstattung griffen die Medien das Thema breit auf.

Es bestand jedoch schon am Tag der Pressekonferenz ein großer Zeitdruck für den Alternativ-Verein, auf die anwaltliche Forderung der Gegenseite zu antworten. In dem Anwaltsschreiben war auch auf eine angebliche Verletzung der Wort-Bild-Marke "Evangelischer Kirchentag" hingewiesen worden. Am Tag nach dem der Kirchentagsverein an die Öffentlichkeit gegangen war, lief eine Frist zur Stellungnahme beim Gericht ab. Es wurde eine außerordentliche Mitgliederversammlung des Vereins angesetzt. Diese entschied angesichts des beträchtlichen wirtschaftlichen Risikos, die ein Rechtsstreit haben könne, der Löschung des Vereins nicht zu widersprechen. Zumal ja das Ziel erreicht worden war, in den Medien die in weiten Teilen der Öffentlichkeit nicht bekannte Millionenförderung des Events Kirchentag zu thematisieren.

Die Argumente der subversiven Vereinsgründer

Ricarda Hinz, Vorstand des DA! und Gründungsmitglied des subversiven Kirchentagsvereins, hatte bei der Pressekonferenz so argumentiert: "Von zehn Düsseldorfern ist noch einer Mitglied in der evangelischen Kirche, zwei sind Mitglied in der katholischen Kirche. Das heißt: von zehn Düsseldorfern sind sieben konfessionsfrei. Das heißt auch: 70 Prozent werden von der Stadtpolitik stillschweigend genötigt, ihre eigene Gegenpropaganda in Form eines fünftägigen Missionsfestivals der evangelischen Kirche mitzufinanzieren."

Hinz verwies darauf, Stadtdirektor Burkhard Hintzsche habe bei der Zusage der Millionenförderung durch die Stadt Düsseldorf betont, dass der Evangelische Kirchentag nicht dazu diene, Missionsarbeit zu leisten, sondern ein Zusammentreffen von Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen sei – auch von Menschen, die keiner Glaubensrichtung angehören. Unter dieser Voraussetzung, so Hinz, sei die Millionenförderung der Stadt bewilligt worden.

Das stehe aber in krassem Widerspruch zu Aussagen der evangelischen Kirche. Hinz zitierte aus einer Vorlage der Kirchenleitung der evangelischen Kirche im Rheinland an deren Landessynode, wo es heißt:

"Der Evangelische Kirchentag mit seiner ursprünglich insbesondere aus dem pietistischen Milieu inspirierten Motivation versteht sich als missionarisches Großereignis …. Regelmäßig werden insbesondere die politischen Veranstaltungen zur Kenntnis genommen – das verkennt jedoch die Breite des Programms in den Kernbereichen der Verkündigung des Evangeliums durch die Erprobung von Gottesdienstformen und das Feiern traditioneller Gottesdienste, Bibelarbeiten, theologische Werkstätten, die eine Fülle von Möglichkeiten über die fünf Tage Programm bieten. Nicht zuletzt sind die einrahmenden Großgottesdienste in dieser Zeit prägend für die Stadt und geben ein beredtes Zeugnis lebendiger Verkündigung."

Es gebe offensichtlich ein Missverständnis zwischen Stadt und Landeskirche, so das Fazit von Hinz. "Für uns ist das eine einzige große PR-Maßnahme der evangelischen Kirche." Deshalb sei man mit dem Verein in die Offensive gegangen, um sicherzustellen, dass die konfessionsfreie Mehrheit der Stadt an dem Event beteiligt wird. Dabei sei man angetreten, um zu kooperieren und das Programm zu ergänzen. Und mit Blick auf diesen subversiven Schritt fügte sie schmunzelnd hinzu: "Wenn der Evangelische Kirchentag ins Rheinland vorstößt, dann muss er schon mal mit ein bisschen Satire und Humor rechnen."

Schlitzohrigkeit kam denn auch in dem einen Tag später erklärten Rückzieher des Vereins zum Ausdruck, in dem man sich dem juristischen Druck der Kirche beugte. Dort hieß es halb sarkastisch und verbittert, halb augenzwinkernd: "Mit unserem guten Namen kann die Kirche nun Subventionen in Millionenhöhe abrufen."

Kabarettist und Autor Manes Meckenstock hatte es in der Pressekonferenz so formuliert: "Mir ist als eingeborenem Düsseldorfer dieser Ratsbeschluss einen Ticken zu weit gegangen, Düsseldorf war immer eine freigeistige Stadt, ein Schmelztiegel." Er wolle positiv dagegen sein und biete für den Kirchentag eine Stadtführung an – zu den Immobilien der evangelischen Kirche. Da werde er vorher die Werte ermitteln. Seine Schlussfolgerung: "Wenn jemand schweinereich ist, braucht er kein Geld entgegenzunehmen."

Aufsichtsrätin Ingrid Matthäus-Maier sagte es so: "Wir wollen den Kirchentag nicht stören. Ein solcher Vorwurf empört mich. Wir wollen konstruktiv diskutieren über Themen wie die Staatsleistungen an die Kirchen oder das kirchliche Arbeitsrecht." Und sie ergänzte: "Ich bin nicht in der Kirche, ich habe aber nichts gegen Kirchentage. Wohl aber bin ich dagegen, dass wir alle diese subventionieren sollen."

Aufsichtsrat Michael Schmidt-Salomon betonte: Die Tatsache, dass es so schnell und reibungslos abgelaufen sei, den Kirchentagsverein beim Vereinsregister eintragen zu lassen, belege, wie schnell Behörden reagierten, wenn etwas kirchennah erscheine. "Dann kontrollieren sie nichts mehr." Ein Kirchentag, wenn er denn schon mit öffentlichen Mitteln finanziert werde, "scheint uns eine Möglichkeit, eine breit angelegte Diskussion zu führen, ob wir nicht eine religiöse Abrüstung bräuchten, um nationale wie internationale Konflikte zu verhindern oder zumindest einzudämmen. Überall finden Sie Gruppen, die nationalen Chauvinismus mit reaktionären religiösen Werten koppeln." Das sei das Grundproblem unserer gegenwärtigen Weltlage, ob man nach Nahost, nach Indien und Pakistan oder nach Russland blicke. Darüber müsse bei einem solchen Großereignis gesprochen werden.

Die empörte Reaktion der evangelischen Kirche

Schon bevor der alternative Kirchentagsverein mit seiner Pressekonferenz an die Öffentlichkeit gegangen war, hatte die evangelische Kirche nicht nur mit dem Anwaltsschreiben, sondern auch mit öffentlicher Kritik reagiert. Auf der Internetseite des Deutschen Evangelischen Kirchentags hieß es: "Die Gründer des Vereines '40. Deutscher Evangelischer Kirchentag Düsseldorf 2027 e.V.' sind offen bekennende Atheisten und eignen sich mit der Vereinsgründung gleichzeitig die kulturelle Geschichte des Deutschen Evangelischen Kirchentages und des Protestantismus an."

Kristin Jahn, die Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages ordnet dies wie folgt ein: "Die Einladung des Kirchentages zu einem offenen und respektvollen Dialog erfolgt über Glaubensgrenzen hinweg und entlang des gesamten demokratischen Spektrums. Unsere Veranstaltungen werden mit großer Selbstverständlichkeit von atheistisch geprägten Menschen und jenen mit Glaubenserfahrungen gemeinsam gestaltet. Der religionskritischen Haltung der Initiatoren rund um Farago und Ickert begegnen wir daher mit großer Offenheit und Dialogbereitschaft. Wir freuen uns, dass Mario Ickert und weitere Vertreter humanistischer Netzwerke unserer Einladung zur Mitwirkung am nächsten Kirchentag in Hannover 2025 gefolgt sind. Umso irritierender ist für uns nun deren Entscheidung mit der Gründung eines Vereins unter unserem Namen die Grenzen des respektvollen Miteinanders zu überschreiten."

Dialogbereitschaft der Kirche – nur ein leeres Versprechen?

In Sachen Dialogbereitschaft der Kirche hat David Farago freilich ganz andere Erfahrungen. Er sagt: "Seit zehn Jahren sind wir bei jedem Kirchentag mit dem Moses und dem 11. Gebot dabei. Und wir werden mit allen juristischen Tricks behindert, damit wir aus dem Kirchentagsgeschehen herausbleiben. Dialogbereitschaft sieht anders aus. Sie kann nur auf Augenhöhe funktionieren und nicht von oben herab."

Mario Ickert, Vorsitzender der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland hat es immerhin geschafft, seine Bewegung mit einem Stand auf dem "Markt der Möglichkeiten" beim Kirchentag zu präsentieren. Neben Organisationen wie Gewerkschaften, Kriegsgräberfürsorge oder politischen Parteien. Standmiete: mehr als 500 Euro. Schon 2023 in Nürnberg und auch im kommenden Mai in Hannover. Dabei wurde er sogar in die Marktleitung gewählt. Nachdem die evangelische Kirche davon erfahren hatte, dass Ickert und die Spaghettimonster an der Düsseldorfer Aktion beteiligt waren, wurde er mit dem Argument des "Vertrauensverlusts" wieder aus der Marktleitung herausgeworfen. Ihren Stand wird die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters aber auch in Hannover aufbauen. Und dabei für ihre Weltanschauung werben und Wasser in Bier verwandeln. Er würde sich auch freuen, wenn die evangelische Kirche zur Diskussion auf eine der Bühnen einlädt, so Ickert.

Der Zentralrat der Konfessionsfreien jedenfalls wollte die evangelische Kirche schon mit Blick auf den im Mai in Hannover stattfindenden Kirchentag beim Wort nehmen. In einer Mail mit diesem Angebot an die Veranstalter heißt es: "Auch der Zentralrat der Konfessionsfreien möchte die Einladung zur Mitgestaltung annehmen und ist gerne bereit, zur Programmgestaltung die konfessionsfreie Perspektive beizutragen. Wir könnten Ihnen beispielsweise unseren Vorsitzenden, Philipp Möller, als Podiumsgast anbieten." Heute erreichte den Zentralrat eine Absage für den Kirchentag 2025: "Die Programmerstellung und die entsprechenden Bewerbungsverfahren sind leider bereits abgeschlossen". Die Möglichkeit zur Mitwirkung in Düsseldorf 2027 wird jedoch in Aussicht gestellt.

Jedenfalls bei evangelisch.de zeigte man sich schon erstaunlich offen – selbst für das "11. Gebot". Den Bericht über das Einlenken des alternativen Kirchentags schmückte doch tatsächlich ein Bild des grimmigen Moses mit seinem "11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!"

Ein Ausblick

Was den Evangelischen Kirchentag 2027 in Düsseldorf betrifft, wartet auch der Düsseldorfer Aufklärungsdienst nun auf Kooperationsangebote der evangelischen Kirche. Diese dürfte angesichts des Bürgerbegehrens und der nun durchgeführten spektakulären Aktion ohnehin darauf gefasst sein, dass weitere kreative Aktionen anstehen, die die öffentliche Finanzierung des Treffens anprangern. Ricarda Hinz vom DA! erzählt von einem jungen Vereinsmitglied. Als dieses erstmals davon erfuhr, dass der Kirchentag nach Düsseldorf kommen soll, war die Reaktion: "Was? Sind die denn blöd? Da ist doch der Düsseldorfer Aufklärungsdienst!"


Die Pressekonferenz des alternativen Kirchentagsvereins im Düsseldorfer Schlossturm am 9. Januar wurde aufgezeichnet:

Das Presseecho zu der Aktion finden Sie auf der Internetseite des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes (DA!).


1 In einer vorherigen Version des Textes stand, dass die Pressekonferenz "daraufhin" angesetzt worden sei; dies war falsch.

2 Dieser Satz wurde am 20.01.2025 um 15:45 Uhr ergänzt.

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