Arthur-Koestler-Preis an Hans Küng

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Fotos: Herby Sachs

BONN. (hpd/dghs) Am vergangenen Freitag verlieh die Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) den Arthur-Koestler-Preis für das Jahr 2013. Theologie-Professor Dr. Hans Küng erhielt bei der Festveranstaltung den Preis für sein Lebenswerk. Dabei fand er klare Worte für die Selbstbestimmung am Lebensende: "Ich nehme meine Verantwortung wahr für mein Sterben zu gegebener Zeit."

Dank einer Notiz im "Bonner General-Anzeiger" hatten sich noch einige Bonner am Freitag, dem 8. November 2013, spontan auf den Weg zum Gustav-Stresemann-Institut gemacht. Dort waren zahlreiche ehren- und hauptamtliche Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS), die sich zum diesjährigen Forums-Wochenende trafen, sowie ortsansässige Vereinsmitglieder und Ehrengäste zusammengekommen, um den diesjährigen Arthur-Koestler-Preis des Vereins zu feiern.

Ausgelobt war der Medienpreis wieder in den Kategorien Print, Hörfunk und Fernsehen für herausragende journalistische Arbeiten, die sich mit dem Lebensende befassen. Besonderen Glanz bekam der Abend durch die Anwesenheit des bekannten Kirchenkritikers Professor Dr. Hans Küng. So hatte es sich auch Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch nicht nehmen lassen, ein persönliches Grußwort zu übermitteln, das Vereinspräsidentin Elke Baezner zu Beginn verlas.

Volker Leisten ehrte die Preisträgerin der Kategorie Print, Christine Holch, für ihren Beitrag "Ich habe genug", eine Interview-Reportage zum Thema Sterbehilfe in Deutschland, erschienen in der Zeitschrift "chrismon" im April 2013. "Wem es gelingt, bei der Differenziertheit dieser Positionen die zentrale Botschaft, den Grundsatz der Selbstbestimmung, wie einen roten Faden durch den gesamten Beitrag zu wahren, hat nach unserer Meinung besondere Anerkennung verdient. Christine Holch tut dies offen, kompetent, sachlich und, wie ich finde, erfreulich unaufgeregt."

Christine Holch gab in ihrer Dankesrede zu, dass sie sich vor dem Herangehen an das Thema des selbstbestimmten Sterbens lange gedrückt habe. In ihren Recherchen habe sie festgestellt, dass es oft erschreckend wenig bekannt sei, dass Patienten eine Weiterführung ihrer Behandlung ohne weiteres untersagen können.

In der Kategorie Hörfunk ging der diesjährige Arthur-Koestler-Preis an die Berliner Radiojournalistin Svenja Pelzel, die vor lauter Glück ob dieser Ehrung übers ganze Gesicht strahlte. Laudatorin Elke Baezner sagte in ihrer Rede: "In der knapp halbstündigen Sendung im Deutschlandradio Kultur vom Februar mit dem Titel 'Sterben ist gar nicht so einfach' stellt Svenja Pelzel Menschen vor, die konkret mit Sterbesituationen konfrontiert sind. Was hier vordergründig wie einfaches Aneinanderreihen unterschiedlicher Standpunkte zur Sterbehilfe aussieht, erweist sich bei genauerem Hinsehen als subtile Heranführung an ein schweres Thema, im Bewusstsein, es in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit nicht umfassend ausloten zu können."

Svenja Pelzel rückte sich als gelernte Radiofrau zunächst das Mikrofon am Redepult etwas zurecht, bevor sie erzählte, wie sie an dieses schwere Thema herangegangen ist. Ihr sei mulmig zumute gewesen, als sie bei einem sterbenden Mann im Krankenhauszimmer war, der mit ihr, der Unbekannten, offenbar über persönlichste Dinge sprechen wollte. Die Tochter des Mannes wagte sie erst gar nicht zu befragen, hoffte dann aber auf eine spätere Kontaktaufnahme, zu der es auch kam.

Jury-Mitglied Dr. med. Ulrich Meyberg sagte über den Siegerbetrag in der Kategorie Fernsehen: "Überzeugt hat mich die objektive, untendenziöse Haltung dieses Films. Sterbehilfe wird weder diskreditiert noch idealisiert oder gar heroisiert, Fragwürdigkeiten werden nicht ausgespart, kritische Überlegungen angedeutet. Die Sterbewilligen, ihre Angehörigen, die helfenden Ärzte kommen vornehmlich zu Wort, aber auch Stimmen aus der Politik, aus der ärztlichen Standesvertretung, aus dem Lager der Sterbehilfegegner und der so genannten Lebensschützer."

Die vielbeachtete und eindringliche Dokumentation "Sie bringen den Tod. Unterwegs mit Sterbehelfern in Deutschland" von Sebastian Bösel und Dr. Ulrich Neumann war im Rahmen der ARD-Themenwoche 2012 "Leben mit dem Tod" ausgestrahlt worden. Als Journalist, sagte Sebastian Bösel auf der Bühne, solle man zwar Distanz wahren, aber in diesem Fall eine Haltung haben. Er bestellte Grüße von einer im Film auftretenden ALS-Patientin an die Gäste im Saal. Sterbehelfer Uwe-Christian Arnold, einer der wichtigsten Protagonisten der 45-minütigen TV-Dokumentation war eigens zu diesem Abend nach Bonn gereist, um die Ehrung mitzuerleben.

Zum Höhepunkt des Abends geriet der Auftritt des kritischen Theologen Professor Dr. Hans Küng. Professor Dr. Dieter Birnbacher, Universitätsprofessor i. R. für Philosophie, Autor zahlreicher Texte zu ethischen Fragen, langjähriger Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der DGHS und seit kurzem auch zweiter Vizepräsident, schöpfte in seiner Laudatio aus früheren Begegnungen mit Hans Küng und eigenen Überlegungen. So sagte er u. a. über Küngs Publikation "Menschenwürdig sterben", die dieser gemeinsam mit dem kürzlich verstorbenen Rhetorikprofessor Walter Jens verfasst hatte: "Eine der ganz wenigen Stellungnahmen für das Recht auf Selbstbestimmung am Lebensende aus der katholischen Theologie weist viele der Vorzüge auf, die Werk und Wirkung Hans Küngs insgesamt auszeichnen: Menschlichkeit, Integration von Glauben und Vernunft, und ein weises Vermeiden von Extremen zugunsten eines wohlerwogenen und ausgewogenen 'Weg der Mitte'. Menschlichkeit spricht aus Hans Küngs Zweifeln an dem christlichen Leidenspathos, das viele Theologen nicht nur gegen die transhumanistische Vision einer 'leidfreien' Gesellschaft ins Feld führen, sondern insbesondere auch gegen den Versuch, erwartetes Leiden durch eine selbstbestimmte Abkürzung des Lebens zu umgehen."

In seinem 2013 vorgelegten Buch "Erlebte Menschlichkeit", dem dritten Teil seiner Lebenserinnerungen, war Küng ebenfalls auf die Möglichkeit des selbstbestimmten Abschieds unter Inanspruchnahme einer Schweizer Sterbehilfegesellschaft eingegangen, was für großes Aufsehen gesorgt hatte.

In seiner Erwiderung dankte Professor Küng herzlich, dass er für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird, und betonte ganz klar: "Ich verteidige und plane keinen Selbstmord; auch am Ende eines Lebens läge Mord nur dann vor, wenn er aus niedriger Motivation, aus Heimtücke und durch Gewalt gegen den Willen des Betroffenen geschieht. Aber ich nehme meine Verantwortung wahr für mein Sterben zu gegebener Zeit, eine Verantwortung, die mir niemand abnehmen kann. (...) Gott schenkt mir, so hoffe ich, die Gnade, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen; der späteste wäre für mich zweifellos eine beginnende Demenz. (…) Dass ein solches Ende 'vorzeitig' wäre, ist eine bloße Behauptung. In der Bibel wird die Selbsttötung (Freitod, Suizid) nirgendwo ausdrücklich verboten, die des Abimelech, des Samson und des Königs Saul zum Teil mit Zustimmung berichtet. Als Theologe und Christenmensch bin ich der Überzeugung, dass das menschliche Leben, das der Mensch ja nicht sich selber verdankt, letztlich eine Gabe Gottes ist. Aber zugleich ist das Leben nach Gottes Willen auch des Menschen Aufgabe. Es ist so in unsere eigene (nicht fremde!) verantwortliche Verfügung gegeben. Dies gilt auch für die letzte Etappe des Lebens, das Sterben. Niemand soll zum Sterben gedrängt, aber auch niemand zum Leben gezwungen werden."

Die Palliativmedizin begrüßt Küng in seiner Rede ausdrücklich, aber: "Auch Schmerztherapeuten räumen ein, dass in manchen Fällen nur 'weitgehende' Schmerzlinderung möglich ist – außer man nimmt den Patienten alle 'Wachheit' ('Vigilanz') und macht ihn willenlos, ja bewusstlos. Sterbewünsche müssen also ernst genommen werden, aber nicht allen kann allein mit 'mehr Zuwendung' begegnet werden. Gründe für Sterbewünsche können auch der andauernde Verlust der persönlich empfundenen Würde und des Lebenssinns oder die fehlende Aussicht der Verbesserung der gesundheitlichen Situation sein." Das Publikum lauschte diesen klugen und freundlich vorgetragenen Ausführungen gebannt. Beim anschließenden Umtrunk war für manche noch Gelegenheit, mit Professor Hans Küng ein kurzes persönliches Wort zu wechseln.

Wega Wetzel