Wenn Glaube zur interaktiven Ware wird

Besser beten mit der Hallow-App

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Screenshot der Hallow-Website vom 24.04.2025
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Die App der Stunde heißt Hallow – zumindest für Katholiken in Amerika und der ganzen Welt. Hallow versteht sich als religiöses Multifunktionstool im modernen App-Design: tägliche Meditationen, Rosenkranz zum Einschlafen, biblische Kindergeschichten oder "Gebets-Challenges" – das Angebot ist umfangreich, die Zielgruppe eindeutig: Religiöse Menschen auf Identitätssuche. Besonders interessant: Wer hinter der App steckt und daran prächtig verdient.

Die spirituelle Verpackung darf nicht darüber hinwegtäuschen: Inhaltlich vertritt die App ein klar konservatives Weltbild. Abtreibung wird kategorisch abgelehnt, das Leitmotiv ist die Rückkehr zu einer "göttlichen Ordnung" – liberale Lebensformen werden als Bedrohung begriffen. Kritische Perspektiven oder pluralistische Weltanschauungen finden keinen Platz. Was auf den ersten Blick als spirituelle Unterstützung für sinn- und struktursuchende Katholiken erscheint, ist in Wirklichkeit ideologische Einflussnahme im frommen Gewand.

Stars, Dollars und Gottes Werk

Was haben Schauspieler und Musikerinnen wie Mark Wahlberg, Gwen Stefani, Chris Pratt und Jonathan Roumie (Jesus-Darsteller aus "The Chosen") gemein? Sie alle bekennen sich öffentlich zum Katholizismus und werben für die Hallow-App. Und Wahlberg agiert auf der Plattform sogar als Vorbeter. Die mediale Präsenz der App ist beachtlich: Selbst beim Superbowl wurde sie beworben. Mehr als 22 Millionen Nutzer gibt es weltweit, zeitweise stand die App in den Top Ten der Download-Charts. Der Katholizismus erlebt – zumindest in rechten Kreisen in den USA – eine Renaissance, und Hallow ist Teil eines reaktionären Systems, das mit seinen Glaubensfundamenten zunehmend an politischem Einfluss gewinnt.

Die App, die im Jahr 2018 angetreten ist, um die christliche Lehre zu verbreiten, ist inzwischen auch auf deutsch erhältlich. Das Angebot reicht von Meditationen, Stundengebeten und biblischen Kindergeschichten bis zu Gebetsvorschlägen und Vorträgen. Selbstverständlich kann man auch christliche Musik streamen oder an Gebets-Challenges teilnehmen. Die Botschaft auf der Homepage mit ihren schönen bunten Kacheln hat für viele Bedürfnisse das richtige Angebot: "Lasse dir von Gott seinen Frieden bringen, mit der Ruhegebetsliste, der täglichen Meditation, dem Rosenkranz und den Schlafbibelgeschichten" bis zu "Mach es dir zur Gewohnheit, jeden Tag zu beten, indem du eine Routine einrichtest, die in deinen Tagesablauf passt."

Geldgeber mit Agenda

Dass Hallow mehr als nur eine harmlose Meditations-App ist, zeigt ein Blick auf ihre Finanzierungsstruktur. Der entscheidende Durchbruch gelang 2021 mit einer 40-Millionen-Dollar-Investition durch Narya Capital – ein Risikokapitalfond, hinter dem kein Geringerer als der rechtslibertäre Tech-Milliardär Peter Thiel steht. Ein anderer Geldgeber ist der heutige US-Vizepräsident J.D. Vance, der 2019 vom Atheisten zum Vorzeigekatholiken wurde. Seither gehört er zu den lautstarken Befürwortern einer christlich-nationalistischen Agenda: "God. Nation. Family."

Die Hallow-App ist ein wichtiger Baustein im Reigen der fanatisch-religiösen Kräfte rund um Donald Trump, die die Vision verfolgen, die Nation wieder unter Gott zu einen. Zu dieser radikalen Agenda gehört auch der Wunsch, dass alle Institutionen des Staates zur Durchsetzung christlicher Werte beitragen. Kein Wunder, dass die Hallow-App im Präsidentschaftswahlkampf so subtil wie erfolgreich versuchte, ihren Nutzern bei der Entscheidungsfindung zu helfen.

Kommerzialisierter Glaube, verkaufte Daten

Wer sich die App herunterlädt, wird zunächst nach seinen Beweggründen gefragt: "Möchtest du näher zu Gott finden?" oder "Stress und Ängste reduzieren?" Anschließend muss man auswählen, welche Gebetsformen man bevorzugt und darf einen "Gebetsguide" auswählen. Musikalisch begleitet von lateinischen Fastenklängen kann man beispielsweise zwischen einem "Moment mit Maria" oder der "Erschaffung der Welt durch Gott in Genesis 1-3" wählen.

Was harmlos klingt, hat einen Preis – und zwar nicht nur den Abo-Tarif von 69,99 Euro jährlich. Die App sammelt umfangreiche persönliche Daten und erstellt detaillierte Nutzerprofile. So können gezielte Botschaften platziert und das Konsum- oder gar Wahlverhalten beeinflusst werden. Die spirituelle Reise führt über die Kreditkarte – und direkt in die Datenbanken christlich-fundamentalistischer Netzwerke. Die Grenze zwischen Seelsorge und kommerzieller Ausbeutung ist fließend – und wird von Hallow geschickt verwischt. Glaube wird zur Ware, spirituelle Praxis zur Nutzerbindung, Datenschutz zur Nebensache.

Hallow ist kein harmloser Gebetsbegleiter, sondern ein Paradebeispiel für die digitale Instrumentalisierung von Religion, Glauben und Sinnsuche – wirtschaftlich hochprofitabel, ideologisch aufgeladen. Was als Hilfe zur inneren Einkehr beworben wird, dient in Wahrheit einem Projekt, das eine reaktionäre Weltordnung unter religiösen Vorzeichen legitimieren will. Die säkulare Gesellschaft sollte das Projekt wachsam verfolgen. Wer wirklich Ruhe sucht, ist mit einem Spaziergang im Wald besser beraten – dort bleibt man wenigstens Herr über seine Daten.

P.S.: Mein Tipp: Der Römerbrief als "Schlafgeschichte"!„"

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