KARLSRUHE. Staatlicher Ethikunterricht als ordentliches Lehrfach für die Jahrgangsstufen 7 bis 10
ist seit Schuljahresbeginn 2006 an den öffentlichen Schulen im Land Berlins erfolgreich eingeführt worden. Im Dezember 2006 entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin, dass nur aus wichtigem Grund Schülerinnen oder Schüler von der Teilnahme an dem Unterricht befreit werden können.
Nach Auffassung des zuständigen 8. Senats lag ein solcher Grund in dem zu entscheidenden Fall nicht vor. Die Pflicht der Schüler zur Teilnahme an dem bekenntnisfreien, also religiös und weltanschaulich neutralen Ethikunterricht verletze insbesondere weder das Grundrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit noch das elterliche Erziehungsrecht.
Der hpd informierte bisher fortlaufend und ausführlich über die Fortschritte bei der Einführung dieses Faches und die Hindernisse, die besonders die christlichen Kirchen dieser Innovation in den Weg zu legen versuchten.
Die unterlegenen Kläger gingen vor das Bundesverfassungsgericht und haben dort ebenfalls verloren. Der hpd hatte unverzüglich in der „Externen Presse“ über das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom gleichen Tag informiert. Die Presse von gestern und heute berichtet ausführlich über dieses Urteil, darunter Spiegel online.
Das Gericht selbst teilte gestern der Presse u.a. mit: „Die nunmehr erneut erhobene Verfassungsbeschwerde ist von der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen worden, da die Einführung eines verbindlichen Ethikunterrichts ohne Abmeldemöglichkeit weder die Religionsfreiheit der Schülerin noch das Erziehungsrecht ihrer Eltern verletzen. …
Der Landesgesetzgeber darf der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten 'Parallelgesellschaften' entgegenwirken und sich um die Integration von Minderheiten bemühen. …
Die Fähigkeit aller Schüler zu Toleranz und Dialog ist eine Grundvoraussetzung nicht nur für die spätere Teilnahme am demokratischen Willensbildungsprozess, sondern auch für ein gedeihliches Zusammenleben in wechselseitigem Respekt vor den Glaubensüberzeugungen und Weltanschauungen anderer.
Im Rahmen des staatlichen Erziehungsauftrags darf der Landesgesetzgeber mit Rücksicht auf die tatsächlichen Gegebenheiten und die religiöse Orientierung der Bevölkerung daher die Einführung eines gemeinsamen Ethikunterrichts für alle Schüler ohne Abmeldemöglichkeit vorsehen, um so die damit verfolgten legitimen Ziele gesellschaftlicher Integration und Toleranz zu erreichen und den Schülern eine gemeinsame Wertebasis zu vermitteln.
Der Berliner Landesgesetzgeber durfte davon ausgehen, dass bei einer Separierung der Schüler nach der jeweiligen Glaubensrichtung und einem getrennt erteilten Religionsunterricht oder der Möglichkeit der Abmeldung von einem Ethikunterricht den verfolgten Anliegen möglicherweise nicht in gleicher Weise Rechnung getragen werden könne wie durch einen gemeinsamen Pflicht-Ethikunterricht."
Das gesamte Urteil befindet sich hier. Der „Humanistische Verband Deutschlands“ hat heute das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Ethikunterricht in Berlin in einer Presseerklärung als Stützung des säkularen Staates ausdrücklich begrüßt.
In dieser Erklärung heißt es: „Das Bundesverfassungsgericht bestätigte mit einer eindeutigen Argumentation die Politik des Berliner Senats, der für alle Schülerinnen und Schüler ein integratives Fach eingeführt hat, in dem gemeinsam über Werte, moralisches Handeln und Ethik diskutiert werden kann.
Der Humanistische Verband hat sich immer dafür ausgesprochen, diesen staatlichen Erziehungsauftrag nicht an die Religionsgemeinschaften abzutreten. Deshalb hat er die von den Kirchen geforderte Abmeldemöglichkeit kritisiert. Nur in einem gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen kann ein tolerantes Miteinander und gegenseitiger Respekt gelernt werden.
Mit der Entscheidung des Gerichts wurde die klare Trennung von Staat und Kirche in Berlin beibehalten und der Religionsunterricht nicht zu einem staatlichen Schulfach aufgewertet wie es die Kirchen wünschen.
Der Lebenskundeunterricht des Humanistischen Verbandes wird weiterhin als freiwilliges Fach und als Ergänzung des staatlichen Ethikunterrichts in der Berliner Schule angeboten. In diesem Schuljahr nehmen 43.000 Schülerinnen und Schüler daran teil.
Mit dem neuen Schuljahr wird der Aufbau des Humanistischen Lebenskundeunterrichts in den Schulen Brandenburgs beginnen.“
Anträge auf Humanistische Lebenskunde in weiteren Bundesländern stehen bevor bzw. wurden bereits gestellt, wobei v.a. die Landesregierung NRW mit einer Antwort zögert und, wie der dortige HVD feststellt, wohl mit zweierlei Maß urteilt .
GG