Patientenverfügung – wichtiger als Testament

HANNOVER. Dieser Beitrag (teils ergänzt, teils gekürzt) basiert auf einer Rede des Landessprechers der Freien Humanisten Niedersachsen,

Jürgen Gerdes, die er für die Sendereihe „Freiheit und Verantwortung“ für NDR-Info (Sendetermin war der 20. Mai 2007, 7:15-7:30 Uhr) verfasste mit dem Titel „Die Patientenverfügung – heute wichtiger als ein Testament!“ Ein humanistisches Plädoyer für die Eigenverantwortung am Lebensende“. – Im Folgenden werden besonders diejenigen Teile dokumentiert, die sich mit konkreten Ratschlägen beim Umgang mit Patientenverfügungen befassen.

Es könnte Herbst werden, bis sich der Deutsche Bundestag darauf verständigt hat, wie er es mit der gesetzlichen Regelung der Patientenverfügungen halten will. Der hpd hat über die Diskussion im Bundestag umfänglich informiert und Handreichungen gegeben, was eine Patientenverfügung ist. In der Externen Presse hat er regelmäßig über den Fortgang der Debatte berichtet.

Es war in der ersten Hälfte der 1980er Jahre – vor über zwanzig Jahren, als in der NDR-Sendereihe „Freiheit und Verantwortung“ der erste Beitrag über Humanes Sterben ausgestrahlt wurde. Er trug den damals provozierenden Titel: „Das Leben – persönliches Eigentum jedes Menschen?“. Zehn Jahre darauf war das schon keine Frage mehr. Der 1994er Titel enthielt eine klare Aussage: „Humanes Sterben ist ein Menschenrecht!“ Wieder zehn Jahre später, im Jahr 2004, standen die humanistischen Gedanken über Patientenverfügung und Sterbehilfe unter der Überschrift „Leben müssen und nicht wollen“.

Beharrlich und konsequent wurde in all den Jahren von den humanistischen Verbänden am Thema gearbeitet und die Problematik in einer sehr offenen Betrachtungsweise ins Bewusstsein der Menschen gerückt. Gegen alle Angriffe – gelegentlich auch gegen Anfeindungen, üble Verleumdungen und Unterstellungen wurden Patientenverfügungen entwickelt und in öffentlichen Veranstaltungen vorgestellt. ...

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Patientenverfügung selbst. Die Anfänge dieser Verfügungen wurden von einzelnen Ärzten oder Juristen formuliert, ohne dass sie eine massenhafte Verbreitung fanden. Die ersten Organisationen, die sich des Problems annahmen, waren die „Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben (DGHS)“, deren vorrangiges Verbandsziel die Durchsetzung der Sterbehilfe war und ist. Außerdem die Bürgerrechtsorganisation „Humanistische Union“, für die Selbstbestimmung am Lebensende ein Grund- und Bürgerrecht darstellt. Und dann kamen die vielen humanistischen Verbände hinzu, die sich als Sprachrohr und Interessenvertretungen der Menschen ohne Religion zielstrebig für die Wertvorstellungen ihre Mitglieder und kirchenfreier Bürger einsetzten. ...

Zur Verdeutlichung, wie schnell man als normaler Mensch Probleme bekommen kann, wenn man sich in dieser komplizierten Materie nur auf seinen „gesunden Menschenverstand“ verlässt, ist besonders die letzte, mittlerweile rund zehn Jahre alte Version einer solchen Formular-Patientenverfügung geeignet. Sie ist sensibel formuliert, scheint uns stimmig – sie drückt aus, was wir fühlen und erstreben, ist aber dennoch in mehreren Punkten unvollständig und ergänzungsbedürftig. Zur Verdeutlichung, worum es überhaupt geht und als Anregung zur Überprüfung des eigenen Standpunktes und der eigenen Unterlagen, finden sie diese in Auszügen im Anhang als PDF.

Es ist eine von den Humanisten nicht mehr ausgegebene, überholte Version. Sie reicht, weil sie zu allgemein gehalten ist, heute zur Festlegung des eigenen Willens nicht mehr aus und sollte durch eine aktuelle Form ersetzt werden. Das Bundesjustizministerium rät zur Verwendung von medizinisch und juristisch akkurat vorformulierten Textbausteinen, mit denen eine wesentlich größere Spannbreite bei der Festschreibung individueller Einstellungen möglich ist.

Bei der Verfassung einer Patientenverfügung ist es inzwischen allgemein üblich und von den meisten Verfassern gewünscht, dass der gesamte, umfangreiche Inhalt im Voraus festgelegt wird. Alles das, was man im Eventualfall geregelt haben möchte, schreibt man in seine Verfügung hinein. Das heißt, der mögliche Fall des Wirksamwerdens der schriftlichen Verfügung ist noch nicht konkret absehbar, sie soll aber gerade in einem solchen Fall gelten, wenn er denn einmal eintritt.

Die Festlegung soll bindend sein – für Angehörige, Bevollmächtigte, Ärzte und Pflegepersonal gleichermaßen. Und sie soll ohne jede Einschränkung für bestimmte Situationen, Krankheitsstadien oder Krankheiten gelten. ... Das aktuelle Angebot der Humanisten gliedert sich in zwei voneinander unabhängige Versionen der Patientenverfügung. ...

  • Die Standardpatientenverfügung (erstens) richtet sich an Menschen, denen lediglich an einer Grund-Vorsorge gelegen ist – ohne dass sie bereits Vorstellungen haben, die sich auf eine Vielzahl von Möglichkeiten erstrecken. Es ist keine akute Erkrankung vorhanden, auf deren Symptome die Patientenverfügung speziell ausgerichtet werden muss. Die Verfügung ist in Form eines Fragenkataloges aufgebaut, in dem für jede Frage mindestens eine von mehreren möglichen Antworten anzukreuzen ist. Diese Form der Patientenverfügung kostet zwischen 18 und 24 EURO. Eine kostenlose Beratung dazu wird nur Mitgliedern gewährt. (Im Internet unter www.standard-patientenverfuegung.de steht zusätzlich eine kostenlose Online-Ankreuzvariante des Humanistischen Verbandes zur Verfügung.)

  • Die Individuelle Patientenverfügung (zweitens) richtet sich an diejenigen, die so spezielle Wünsche an die inhaltliche Gestaltung ihrer Verfügung haben, dass vorgefertigte Textbausteine dem in keiner Weise gerecht werden können. Das wird zunächst bei all denjenigen zutreffen, bei denen bereits eine Erkrankung vorliegt, für die eine spezielle Vorsorge getroffen werden muss. In so einem Fall reichen die zur Auswahl stehenden Standard-Antworten keinesfalls aus. Auch diejenigen, die ganz ausgeprägte eigene Vorstellungen haben, werden mit einer standardisierten Ankreuzvariante nicht alle ihre Vorstellungen verwirklichen können. Grundlage der Erstellung ist ein mehrseitiger Fragebogen, der auch die Möglichkeit von individuellen Zusätzen bietet. Mit ihm werden die persönlichen Wertvorstellungen ermittelt. Eine fernmündliche oder persönliche Hilfestellung ist möglich.

Der Humanistische Verband weist jedoch darauf hin, dass es sich hierbei in jedem Fall um eine Sozialberatung zum Herausfinden der eigenen Wertvorstellungen handelt, da eine individuelle Rechtsberatung nur durch Anwälte vorgenommen werden kann. In der Bundeszentralstelle für Patientenverfügungen des Humanistischen Verbandes in Berlin wird aus dem ausgefüllten Fragebogen ein individueller, konkreter Text erarbeitet, der den aktuellen rechtlichen Anforderungen gerecht wird. Dieser ist dann zu unterschreiben und wird, falls gewünscht, in den Verbands-Geschäftsstellen beglaubigt. Die Kosten für die Individuelle Patientenverfügung liegen zurzeit zwischen 24 und 96 EURO. Im Anhang des Fragebogens sind die jeweils entstehenden Kosten detailliert aufgeführt.

Abgerundet wird das Angebot für beide Varianten der Patientenverfügung durch ergänzende Vorsorgeformulare, die den jeweiligen Unterlagen beigefügt sind. Es sind insgesamt 5 ergänzende Unterlagen, die weitere Erfordernisse abdecken:

  • Die medizinische Patientenanwaltschaft – eine Vollmacht für gesundheitliche Angelegenheiten.
  • Die Vorsorge-Vollmacht – eine Vollmacht für finanzielle und rechtsgeschäftliche Angelegenheiten.
  • Die Betreuungsverfügung – eine Alternative zur Vorsorgevollmacht.
  • Der Notfallbogen – der nur in akuter Lage nach eingehender ärztlicher Beratung auszufüllen ist.
  • Ein Organspende-Ausweis – entsprechend dem derzeit geltenden Transplantationsgesetz

Außerdem ist es möglich, die Patientenverfügung in der Bundeszentralstelle für Patientenverfügungen in Berlin zu hinterlegen. Mittels eines Notfallpasses, der in der Geldbörse mitgeführt werden kann, werden Hilfsdienste und Ärzte über die vorhandene Patientenverfügung informiert. Sie erhalten durch Kontaktaufnahme mit der Zentralstelle umgehend die vollständige Verfügung. ...

Insbesondere von konservativer und christlicher Seite wird dieser Umfang der Patientenverfügung nicht gewünscht. Sie möchte die Wirksamkeit, also die Gültigkeit oder „Reichweite“ der Verfügung in vielerlei Hinsicht einschränken.

... Die Ergebnisse eines Testamentes erlebt man nicht mehr selbst mit; darüber streiten sich später die Erben. Ohne eine konkrete Patientenverfügung aber leidet man möglicherweise über viele Jahre, weil andere etwas über den eigenen Kopf hinweg bestimmen, das man für sich selbst so nie gewollt hat.

Nehmen sie sich die Zeit einmal gemeinsam mit denen, die ihnen wichtig sind, darüber nachzudenken, was sie – wenn sie einmal sterben müssen – für sich nicht möchten. Lassen sie sich dazu beraten. Und dann lassen Sie ihre Vorstellungen und Wünsche in ihre Patientenverfügung schreiben.

Im Internet stehen – kontinuierlich aktualisiert – umfassende Informationen zum Thema zur Verfügung:

Standard-Patientenverfügung

Individuelle Patientenverfügung

Solidaritätsaufruf Sterbehilfe – Online-Unterschriftenaktion

 

FREIE HUMANISTEN NIEDERSACHSEN

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Humanistische Weltanschauungsgemeinschaft
und Interessenvertretung kirchenfreier Menschen

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