Plädoyer für ein säkulares Iran

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Mina Ahadi. Foto: Fiona Lorenz

TRIER. (hpd) Unter dem Titel „Ist ein Ende der menschenverachtenden Diktatur in Sicht?“, referierte die Menschenrechtlerin Mina Ahadi in Trier über Hoffnungen und Enttäuschungen für Frauen und Dissidenten nach den Unruhen im Iran und plädierte für eine säkulare Regierung.

Eingeladen hatten die Terre de Femmes Gruppe Trier und die Trierer Arbeitsgemeinschaft Frieden.

Mina Ahadi gründete 2001 das Internationale Komitee gegen Steinigung. Sie kämpft gemeinsam mit Anwälten und Menschenrechtsorganisationen gegen die barbarischen Steinigungsurteile und gegen weitere Menschenrechtsverletzungen. Sie hat viele Kontakte mit Menschen in Iran und weiß, dass die Unzufriedenheit der Bevölkerung nicht mit den gefälschten Wahlen dieses Jahres angefangen hat.

Mina Ahadi hatte bereits vor der Wahl immer wieder darauf hingewiesen, dass man diesen Vorgang keine Wahl nennen könne, weil in diesem Land kein Recht auf freie Meinungsäußerung existiere. Oppositionelle Parteien durften nicht zur Wahl antreten und es durften auch keine Frauen gewählt werden. Die Kandidaten wurden von vornherein vom Wächterrat aussortiert. Mit dem Ergebnis, dass man zwischen vier Männern wählen konnte, die alle in den letzten 30 Jahren das Regime unterstützt haben und auch an der Macht beteiligt waren.

„Mit dem Kopftuch fängt es an“

Ahadi erzählt, sie sei in einem Dorf in Aserbaidschan als Muslima zur Welt gekommen. Ihr Großvater war ein Atheist und dessen freigeistige Haltung habe bei ihr letztendlich zur Abkehr vom Islam geführt. Im Alter von 19 Jahren demonstrierte sie in Tabriz gegen den Schah und für mehr Freiheit, Menschenrechte und Frauenrechte. Stattdessen gewannen Islamisten die Macht. Die Unterdrückung begann mit dem Kopftuch, wandte sich zuerst gegen Frauen, dann gegen Kinder, Dissidenten, Homosexuelle und irgendwann schließlich gegen alle Menschen im Iran.

Ahadi sah von Beginn an das Kopftuch als „Einzelzelle“, die sie von der Welt isolieren sollte, die die Geschlechterapartheid herbeiführte, und weigerte sich, es zu tragen. Sie durfte wegen ihres Widerstands nicht weiter studieren und einige Monate später wurde ihr Ehemann neben Hunderten anderer Dissidenten von der Regierung hingerichtet, Ahadi ging in den Untergrund und flüchtete schließlich nach Europa. Sie beschreibt die Situation: „Erst waren Männer mit Messern auf der Straße. Dann waren Männer mit Kalaschnikows auf der Straße.“

Seit 30 Jahren herrscht in Iran eine islamische Regierung, die für Morde, Hinrichtungen und Steinigungen verantwortlich ist. Seit 30 Jahren erniedrigt die Geschlechterapartheid die Frauen, nimmt Ihnen ihre Würde, verweigert ihnen jede Teilhabe an der Gesellschaft. Steinigungen waren laut Ahadi bis zur Machtergreifung der Mullahs unbekannt, sie hielten erst mit den Islamisten Einzug. Frauen waren die ersten, die wegen Ehebruchs gesteinigt wurden, später folgten Homosexuelle. „Wie kann es heute, im 21. Jahrhundert, Steinigungen geben?“, fragt Mina Ahadi das Publikum. Und keine andere Regierung setzt sich für die Menschen Irans ein! Sie wirkt entsetzt.

Menschenrechte: Das Regime weltweit verurteilen

Die westlichen Mächte sollten den Mut haben, dieses Regime zu verurteilen. Stattdessen aber werde die Zusammenarbeit mit der islamischen Regierung aufgebaut, sie werde nicht kritisiert, es sei denn wegen ihres Nuklearprogramms. Und die UNO habe sich noch nie zum Thema Steinigung geäußert. Mina Ahadi war in New York, in Brüssel und Straßburg, hat mit Politikern gesprochen - sie ignorieren oder akzeptieren die Menschenrechtsverletzungen in den islamischen Ländern, da die politischen und wirtschaftlichen Interessen mehr Gewicht hätten als „ein paar Hinrichtungen“: Kulturrelativismus pur.

„Menschenrechte“, sagt Ahadi provokant, „sind relativ. Sie sind abhängig davon, wo jemand geboren ist, von der Haarfarbe, von der Hautfarbe.“

Außerdem verzeichne die iranische Regierung keine wirtschaftlichen Erfolge und das Land kenne eine hohe Arbeitslosigkeit. Somit sei es kein Wunder, wenn Millionen Menschen gegen das islamische Regime auf die Straße gingen. Für die Exil-Iranerin ist in der Tat eine revolutionäre Bewegung gegen die islamische, religionsgeprägte Regierung im Gange, nicht nur Proteste gegen die mutmaßlich gefälschte Wahl von Mahmud Ahmadinedschad.

Man könne dem Land nicht ein Etikett geben: „Islamisches Land“. Es gebe kein islamisches Land, es gebe nur islamische Regierungen. Und der Islamismus sei auch nicht reformierbar. Angebliche Reformer wie Chatami haben trotzdem gesteinigt – nur nicht mehr auf der Straße, sondern im Gefängnis. Eine wirkliche Reform bedeutet: Steinigung muss abgeschafft werden, die Todesstrafe muss abgeschafft werden.

Viele Frauen tragen die anti-islamische Revolution im Iran

Sind die Tage der frauenfeindlichen islamistischen Theokratie in Iran gezählt? Neda, eine Studentin, wurde während einer Demonstration erschossen und danach zu einer Leitfigur des Widerstands. Nedas Verlobter gibt jetzt im Ausland Interviews und sagt, Neda sei gegen das islamische Regime gewesen. Viele Frauen tragen die Revolution im Iran. „Die Frauenbewegung ist sehr groß“, meint Ahadi.

Die Bevölkerung hat viel Kontakt ins Ausland, Menschen machen Fotos und Filme mit ihren Handys und stellen diese ins Internet, um Öffentlichkeit herzustellen. Und viele Demonstranten vertreten das Menschenrechtsprinzip, dass Religion vom Staat getrennt sein müsse. Sie verbrennen und zertreten Fahnen der Hisbollah oder Fotografien religiöser Führer des Landes. Ahadi berichtet, iranische Jugendliche würden sagen: „Wenn Gott so ist wie Ahmadinedschad, dann will ich diesen Gott nicht.“ Die Revolution sei eine säkulare, meint Ahadi: „Die Menschen möchten eine säkulare Regierung.“

Wie können wir hier in Europa einen echten Demokratisierungsprozess in Iran unterstützen? Mina Ahadi ist davon überzeugt, dass die Menschen im Iran selbst Menschenrechte gewinnen und die islamische Regierung abschaffen können. Sie ist strikt gegen militärische Eingriffe aus dem Ausland. Stattdessen setzt sie darauf, dass die Menschen in Europa Druck auf ihre Regierungen aufbauen, dass sie demonstrieren, Briefe schreiben und fordern, dass ihre Regierungen eindeutig Stellung gegen die Menschenrechtsverletzungen beziehen und ihre Botschaften im Iran schließen.

Die iranische Regierung abzulösen, sie durch eine säkulare Regierung zu ersetzen, die Menschenrechte garantiert und Voraussetzungen für eine funktionsfähige Infrastruktur und Wirtschaft schafft – das könnte, so Ahadi, ein „sehr großer Schritt in Nahost sein, der auch Auswirkungen auf den israelisch-arabischen Konflikt zeigen würde.“ Die neue säkulare Regierung könne von einem charismatischen Leader geführt werden, und Mina Ahadi schließt: „Warum nicht auch von einer Frau?“

Fiona Lorenz