"Bis nichts mehr bleibt"?

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Screenshot / ARD / "Bis nichts mehr bleibt"

KÖLN. (hpd) Nach Angaben der ARD haben rund 8,7 Mio. Zuschauer den Mittwoch-Film „Bis nichts mehr bleibt“ über Scientology gesehen, ein Quotenerfolg. Der Film warf allerdings eine ganze Anzahl von Fragen auf, die er nicht beantwortete, und blieb schlicht in seiner eigenen Vordergründigkeit stecken.

Ein Kommentar von Bernd Vowinkel und Carsten Frerk

Der bereits im Vorfeld der Ausstrahlung medial breit angekündigte ARD-Spielfilm über Scientology in Deutschland hatte sich vorgenommen, am Beispiel eines jungen Paares die Methoden von Scientology in Deutschland aufzudecken. Und: ein Film über „das Böse“ in Deutschland. Erstmals wagte die ARD einen Film über die „mächtigen Scientologen“ zu produzieren und allerseits war von dem Mut der ARD und der Filmproduktion die Rede.

Was im Film gezeigt wird ist das Beziehungsdrama eines jungen Paares. Er, ein fröhlicher Architekturstudent, jobt als Taxifahrer, ist charmant, liebenswert, ein fürsorglicher Vater mit Lederjacke und aus einer eher unteren, nicht weiter benannten Gesellschaftsschicht. Sie ist die Tochter wohlhabender, eher reicher Eltern, die in einer Villa residieren und schon mal von dem Schwiegersohn in spe eine Verzichtserklärung in finanzieller Hinsicht erwarten. Die Geschichte spielt in Hamburg, Ende der 1980er Jahre. Der Anwalt der Familie der Frau bringt den jungen Vater in Kontakt mit Scientology und er lässt sich zu Kursen vereinnahmen, die sein Auftreten sehr viel selbstsicherer aussehen lassen. Auch seine Frau ist durch seine neue Entschlossenheit und eine niedermachende Kopulation, die sie allerdings begeistert, bald auch Kunde bei den Scientologen. Er versucht ein Spagat zwischen Gelderwerb, Tochter versorgen, Schuften für ein kleines Geld bei Scientology und scheitert daran. Sie investiert den ersten Teil ihres Erbes und macht, karrieregeil wie sie dargestellt wird, bei Scientology den Aufstieg. Der Bruch kommt schließlich, als er ‚aussteigt’, sie ihm das Kind entzieht und gegen ihn indoktriniert.

 

Soziale und gesellschaftliche Dimension

Was als Sozialdrama angelegt erscheint, bei dem die beiden Hauptakteure jeweils Scientology für ihre eigenen Erfolgszwecke nutzen, bleibt jedoch bei der ausführlichen Darstellung der Methoden von Scientology. Es ist keinerlei Ansatz zu erkennen, dass die Methoden von Scientology Ende der 1980er Jahre (inwieweit sie heute noch bestehen bleibt unklar) typisch sind für das Prinzip eines US-amerikanischen Strukturvertriebes der ausschließlich auf Umsatz fixiert und vorrangig dem Leistungsprinzip des „Mehr, Mehr, Mehr!“ verpflichtet ist.

Der Glaube, durch Drill, Unterordnung und Verinnerlichung blinden Kadavergehorsams könne man in einer Organisation Karriere machen und seine berufliche Position sichern, ist inzwischen mehr als brüchig und zeigt sich auch in den zurückgehenden Mitgliederzahlen der Scientology in den vergangenen Jahren.

Die exemplarische Darstellung von Scientology als einer Organisation, die mit ihrem Drill und Gehorsam eine überzogene Abbildung ähnlicher Erwartungen in Wirtschaftskonzernen, Versicherungen, evangelikalen Organisationen, Opus Dei und anderer ist, diesen Hinweis vermeidet der Film. Er verbleibt ausschließlich bei den ‚menschenverachtenden’ Scientologen.

Ein Grund dafür mag sein, dass Ursula Caberta das Drehbuch als „Fachberaterin“ begleitet hat. Caberta ist seit 1992, also seit 18 Jahren, Leiterin der Arbeitsgruppe Scientology der Hamburger Innenbehörde. Diese Arbeitsstelle ist mit mehreren Mitarbeitern besetzt und auch nach 18 Jahren Beobachtung und Recherche gegen die Scientologen nicht in der Lage, hinreichendes Beweismaterial bereit zu stellen, so dass die Anträge bei der Innenministerkonferenz, Scientology in Deutschland zu verbieten, bisher noch nicht einmal ernsthaft diskutiert wurde. Ihre abgrundtiefe Abneigung gegen die Organisation ist deutlich, die fehlenden Tatsachenbelege gegen Scientology offenbar. Ihre Vorliebe gilt den abstrusen und großmäuligen Cowboyzitaten des Scientology-Begründers.

Ihm Besuchereck der Büroetage ihrer Arbeitsstelle liegt derart viel Werbematerial von Scientology auf dem Tisch – Broschüren, Flyer, Videos -, dass man eher meint, bei Scientology zu sein. Auf die Frage des Interviewers, ob sie als Beleg für den Einfluss und die Macht von Scientology in der deutschen Wirtschaft wenigstens den Namen eines Vorstandsmitglieds in einem DAX-notierten Wirtschaftsunternehmen nennen könne, wurde sie sehr laut und schrie, ob man Geheimdienstinformationen von ihr abziehen wolle.

An der Seite Cabertas die evangelische Kirche, insbesondere der Sektenbeauftragte der Landeskirche Württemberg in Stuttgart, und so ist es natürlich ein reiner Zufall, dass der SWR diesen Film anregte und produzierte.

Stuttgart ist das Zentrum des pietistischen Zweigs der evangelischen Kirche, mit Bibelanstalten und der Verpflichtung eines bescheidenen Lebens „zum Lobe des Herrn“. Was für ein Gegensatz zu den US-amerikanischen Varianten der evangelischen Kirche, die sich eher an Calvin orientieren und für die Geld zu verdienen kein Widerspruch zum Evangelium darstellt, sondern eine Art Glaubensbeweis: Wen „der Herr“ liebt, den beschenkt er schon in diesem Leben. Und dann kommt auch noch dieser unsägliche Science-Fiction Autor L. Ron Hubbard, der ebenfalls verstanden hat, wie das Geldverdienen mit Imaginärem funktioniert, aber das Evangelium aus der Hand legt und zum Entsetzen seiner Glaubensbrüder seine eigene Religion formuliert. Das kann nur „der Teufel“ in Person sein.