Wie Scientology auf Datingplattformen neue Anhänger ködert

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Das internationale Hauptquartier der Scientology-Kirche in Los Angeles
Das internationale Hauptquartier der Scientology-Kirche in Los Angeles

Die Pseudokirche Scientology nutzt das Internet als günstiges Instrument für ihre fragwürdigen Zwecke. Hugo Stamm hat sich einmal umgeschaut, wo und wie die Sekte neue Anhänger zu ködern versucht.

"Was ist eigentlich mit Scientology los, gibt es die Sekte überhaupt noch?" Solche und ähnliche Fragen höre ich immer wieder. Sie machen klar, dass die Pseudokirche weitgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden ist.

Diesen Umstand kann Scientology als Erfolg verbuchen. War die Sekte früher Dauerthema in den Medien, sorgt sie seit ein paar Jahren nur noch selten für Schlagzeilen. Deshalb kann sie ungestört auf Seelenfang gehen, was ihr natürlich behagt.

Die früheren kritischen Berichte haben Scientology geschadet. Seither versucht sie alles, die Angriffsfläche zu verkleinern. Statt tollpatschig und auffällig zu agieren, gibt sie sich nach außen lammfromm und schleicht auf Samtpfoten umher. Was sie nicht ungefährlicher macht. Im Gegenteil. Die missionierenden Mitglieder stülpen sich quasi Tarnkappen über und geben die Gutmenschen.

Die einfachste, billigste und wirkungsvollste Möglichkeit, potentielle Opfer zu umgarnen, bietet das Internet. Die jüngste Aktion von Scientologen findet sich unter der Zungenbrecher-URL deine-lebensveraenderungs-loesung.ch. Beworben wird der Scientology-Persönlichkeitstest "Oxford Capacity Analysis", der satte 200 Fragen enthält.

"Blättern Sie zum Vergnügen in Telefonbüchern"

Was hochtrabend daherkommt und wissenschaftliche Analysen verspricht, ist letztlich ein billiger und stümperhafter Schlangenfänger. Da finden sich Fragen wie "Blättern Sie einfach zum Vergnügen in Eisenbahnfahrplänen, Telefonbüchern oder Wörterbüchern?" Erstens ist die Frage sinnlos und zweitens im Internet-Zeitalter kurios. Oder: "Bekommen Sie manchmal ein Zucken in Ihren Muskeln, auch wenn es keinen ersichtlichen Grund dafür gibt?"

Einen Hinweis auf Scientology sucht man auf der Plattform vergeblich. Erwähnt wird einzig "Dianetik", eine krude Lehre und "Therapie", die auf den Scientology-Gründer Ron Hubbard zurückgeht.

Beworben wird die Plattform auch auf Facebook. Solche Tests sind ein effizienter Köder, gerade weil sie bei jungen Leuten beliebt sind, die sich auf der Identitätssuche befinden. Wer den Test ausfüllt, muss Name, Alter, E-Mail-Adresse und Telefonnummer angeben, landet in der Kartei der Sekte und wird sie nie mehr los.

Die Testteilnehmer erhalten folgende Antwort: "Wir werden das Resultat auswerten und uns anschließend mit Ihnen in Verbindung setzen. In einem persönlichen Gespräch wird Ihnen eine Testspezialistin oder ein Testspezialist das Testresultat genau erklären." Auch hier kein Wort von Scientology.

Was dann passiert, weiß ich von unzähligen Personen, die den Test gemacht haben. Sie werden zu einem Beratungsgespräch in ein Scientology-Zentrum eingeladen, wo ihnen oft die Hölle heiß gemacht wird. Denn die Auswertungen fördern praktisch ausnahmslos massive Defizite zutage. Diese müssten dringend aufgearbeitet werden, raten die Scientologen mit Nachdruck, sonst drohe eine Persönlichkeitsblockade mit fatalen Folgen. Angst erzeugt bekanntlich Druck.

Die Scientologen servieren den erschrockenen Personen sofort eine angeblich maßgeschneiderte Lösung: den Kommunikationskurs. Dieser ist die Einstiegsdroge für den scientologischen Kosmos, denn eine Scientology-Karriere ist gepflastert mit unzähligen Kursen, die Unsterblichkeit und Genialität versprechen.

Was die Geköderten nicht wissen: Um "clear", also gereinigt zu werden, müssen ganze Kaskaden von teils absurden Kursen durchlaufen werden. Ein Prozess, der Jahre dauert. Und je höher man steigt, umso teurer werden die Module. So fallen gern 100.000 und mehr Franken an.

Warum lassen Scientologen diese nutzlose Ausbeutung zu? Weil die Kurse der Indoktrination dienen, die Abhängigkeit fördern und die Teilnehmer sich immer tiefer in den Fängen der Sekte verstricken.

Ködern auf Tinder

Ein weiteres Missionsfeld der Scientologen sind Datingplattformen wie Parship oder Tinder. Schon manches Date endete bei einem Persönlichkeitstest in einem Scientology-Zentrum, wie Betroffene berichten.

Scientologen setzen bei ihren Missionsbestrebungen auch auf die eigene Datingplattform Freespiritsingles.com. Auf ihrer Homepage bewerben sie die Scientology-Broschüre "Der Weg zum Glücklichsein". Ein Scientology-Sprecher behauptet zwar, seine Organisation habe nichts mit der Plattform zu tun, vermutlich habe ein Single-Scientologe diese aufgeschaltet.

So viel Ahnungslosigkeit macht stutzig, denn kein Scientologe wagt es, ohne Einwilligung der Sektenbosse eine Aktion zu starten, bei der eine Scientology-Schrift verwendet wird. Es lohnt sich vor allem für die jüngeren Generationen, auf der Hut zu sein, denn die Aufklärung über Scientology ist bei vielen jungen Leuten noch nicht angekommen.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.

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