BERLIN (hpd) Bereits vor Jahren haben die Berliner Wasserbetriebe Anteile an private Investoren verkauft. Und da dabei Profit über Allgemeinwohl gestellt wurde, war die logische Konsequenz ein exorbitantes Ansteigen der Berliner Wasserpreise. Eine Initiative will erreichen, dass die Verträge offen gelegt werden.
Da Wasser ein Grundnahrungsmittel ist, ja das Grundnahrungsmittel überhaupt, führt die Privatisierung von Wasser dazu, dass Menschen im schlimmsten Falle aufgrund der hohen Kosten auf Lebensnotwendiges verzichten müssen. Selbst vor dem Hintergrund, dass die Stadt Berlin pleite ist, kann der Ausgleich des Berliner Haushalts nicht allein auf Kosten derer gehen, die von diesem Grundnahrungsmittel abhängig sind. Und das sind alle.
So sieht das auch der Berliner Wassertisch. Diese Bürgeriniative will erreichen, dass die Verträge zwischen den Investoren und dem Senat von Berlin offen gelegt werden. Mit dem Sprecher des Volksbegehrens „Unser Wasser“, Thomas Rudek, sprach Frank Navissi für den hpd.
hpd: Aus welchem Grund hat sich der "Berliner Wassertisch" zusammengefunden? Und wer gehört dazu?
Thomas Rudek: Der Berliner Wassertisch ist ein buntes Personenbündnis, in dem sich Mieter wie Eigentümer, parteipolitisch Interessierte wie Parteilose, Umweltaktivisten, attac-Mitglieder und viele andere zusammensetzen. Uns allen geht es um das Menschenrecht auf Wasser. Und ganz genau darum, der profitorientierten Kommerzialisierung der Wasserkonzerne Einhalt zu bieten.
hpd: Weshalb sind Sie dabei? Was verbindet Sie persönlich mit dem Protest gegen die Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe?
T.R.: (lacht) Zum einen komme ich von der Nordsee, ich liebe es zu schwimmen oder mir das Berliner Umland aus dem Kajak zu betrachten. Als Politikwissenschaftler habe ich mich bereits während meines Studiums in den 80er Jahren mit der damals einsetzenden neoliberalen Privatisierung kritisch beschäftigt. Da war es nahe liegend, dem Wassertisch einen Vorschlag zu unterbreiten, der geeignet ist, um mit der Teilprivatisierung Schluss zu machen.
hpd: Auf der Webseite des Wassertisches ist immer wieder die Rede davon, dass sowohl der Berliner Senat als auch die Berliner Wasserbetriebe (BWB) eine Verschleierungstaktik anwenden. Können Sie uns ein, zwei Beispiele nennen?
T.R.: Gerne. Der Senat will angeblich die Verträge neu verhandeln, offenbart aber nicht, wie er die Privaten dazu bringen will, dass diese auf die vertraglich zugesicherte Gewinngarantie verzichten. Zumal auch diese Verhandlungen hinter verschlossenen Türen abgehalten werden. Dann will Harald Wolf [Wirtschaftssenator von Berlin] das Bundeskartellamt einschalten. Zugleich legt er selbst per Rechtsverordnung die Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals selbst fest, und das, obwohl er selbst als Aufsichtsratsvorsitzender der Wasserbetriebe und Vertragspartner von RWE und Veolia eindeutig befangen ist.
Weitere Beispiele ließen sich anführen: Jetzt, ganz plötzlich, mitten in unserem Volksbegehren, will die SPD auf einmal rekommunalisieren. Allerdings wollen sie investorenfreundlich rekommunalisieren, soll heißen, sie schmeißen RWE und Veolia noch Geld in den Rachen. Eine teure Rekommunalisierung wollen wir nicht: Wir streben eine bürgernahe, kostengünstige Rekommunalisierungn an.
hpd: Leider sind die Erfahrungen in Berlin in Sachen Volksbegehren eher negativ. Als Beispiel mag da "Mediaspree" herhalten. Gehen Sie davon aus, dass dem Berliner Wassertisch mehr Erfolg beschieden sein wird?
T.R.: Das Entscheidende sind die Medien, allen voran die Abendschau des rbb. Wenn ich vergleiche, wie viel Sendezeit dem Volksbegehren zum Erhalt des Flughafens Tempelhof zugestanden wurde und mit welcher Genauigkeit darauf geachtet wird, uns nur eine Alibi-Berichterstattung von wenigen Sekunden zukommen zu lassen, dann beweist das, wie sehr der Berliner Filz auch die öffentliche Berichterstattung im Griff hat.
hpd: Bei Facebook war zu lesen, dass Sie eine erste Zwischenzählung der eingesammelten Stimmen vornehmen wollten. Gibt es schon ein Ergebnis? Kann man daraus ableiten, dass Sie die erforderlichen 173.000 Unterschriften zusammen bekommen werden. Zumal in Berlin noch Ferien sind und nach unserer Information nur Berliner Bürger unterschreiben dürfen.
T.R.: Wir haben in den ersten 6 Wochen 36.000 Unterschriften gesammelt - trotz Sommerferien. So viele Unterschriften hatten wir bei der ersten Stufe des Volksbegehrens, der Zugangsstufe, erst nach 6 Monaten zusammen. Und jeden Tag melden sich mehr, die mitmachen wollen und empört darüber sind, dass in den Medien so wenig über unser Volksbegehren berichtet wird. Wenn jede und jeder, seine sozialen Netzwerke aktiviert und Freunde, Nachbarn, Kollegen, Vereine informiert, dann kann es trotz der faktischen Zensur klappen. Wenn wir davon nicht überzeugt wären, hätten wir den Kampf um unsere Daseinsvorsorge nicht begonnen.
hpd: Das Informationsfreiheitsgesetz scheint ja nach Ihrer Auffassung eher dazu beizutragen, zu verschleiern denn zu wirklicher Offenlegung zu dienen. Können Sie das uns bitte erläutern?
T.R.: Im IFG steht drin, dass Bestimmungen eines Vertrages, die einer Veröffentlichung entgegenstehen, nicht veröffentlicht, sondern nachverhandelt werden sollen. Auch ist im IFG vorgesehen, dass vor einer Veröffentlichung ein Abwägungsprozess stattfindet: Was ist wichtiger: Das Geheimhaltungsinteresse der Privaten oder das öffentliche Informationsinteresse. Diese Frage entscheidet keine öffentliche Stelle, sondern die "aktenführende Stelle", also die Behörde, die den Vertrag beschlossen hat und erfahrungsgemäß kein Interesse haben wird, sich in die Karten schauen zu lassen. Weitere Schwachstellen des IFG haben wir im Internet publiziert, wobei wir vor allem unserer Juristin Sabine Finkenthei den Hinweis zu verdanken haben, dass Streitfragen vor den Gerichten ausgetragen werden und dass kann Jahre bzw. Jahrzehnte dauern.
hpd: Wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen Erfolg.
Hinweis
Am Freitag, dem 20. August um 19:00 Uhr gibt es in Berlin-Schöneberg (im Yorck52, Yorckstraße 52, 10965 Berlin-Schöneberg - direkt an der S/U Yorckstraße) eine Veranstaltung des Wassertisches. Dort wird der Dokumentarfilm “Wasser unter’m Hammer” von Leslie Franke (ca. 60 min) sowie nach einer Pause ein etwa 20-minütiger Film zur Situation der Berliner Wasserversorgung vorgestellt.