Amerikas Jahrhundert des Regimewechsels

(hpd) „Putsch! Zur Geschichte des amerikanischen Imperialismus" – bei einem Buch mit einem solchen Titel erwartet man ein antiamerikanisches

Pamphlet – traditionell von links-aussen, neuerdings von rechts-aussen. Autor ist allerdings einer der renommiertesten Journalisten der USA: der Pulitzer-Preisträger Stephen Kinzer, langjähriger Auslandskorrespondent für den „Boston Globe" und die „New York Times". Den Inhalt seines Werkes macht der Originaltitel weitaus besser deutlich: „Overthrow: America's Century of Regime Change from Hawai to Iraq" - „Umsturz: Amerikas Jahrhundert des Regimewechsels von Hawaii bis zum Irak". Für den Autor steht der Einfall in den Irak im Jahr 2003 in einer historischen Kontinuität: „In ihm gipfelte eine hundertzehn Jahre währende Zeitspanne, in der die Vereinigten Staaten aus unterschiedlichen ideologischen, politischen und ökonomischen Gründen vierzehn Regierungen gestürzt haben" (S. 9). Die Geschichte dieser „Regimewechsel-Operationen" bildet den Kern von Kinzers Buch.

 

Er unterscheidet darin drei Strategien, die gleichzeitig die drei Hauptteile bilden: „Den Anfang bildete die imperialistische Phase, in der die Vereinigten Staaten fremde Regime mehr oder minder offen beseitigten" (S. 15). Dafür steht gleich das erste Beispiel: der Umsturz der Hawaiianischen Monarchie im Jahre 1893. Dem folgten „Regimewechsel-Operationen" im „Hinterhof" der USA wie etwa in Honduras und Nicaragua. Die zweite Strategie entwickelte sich während des Kalten Krieges heraus, begannen die USA doch nun, „eine subtilere Technik zum Sturz fremder Regierungen auszubilden, nämlich den heimlichen Staatsstreich" (S. 15). Exemplarisch dafür stehen der Sturz von Mossadegh im Iran, Arbenz in Guatemala und Allende in Chile in den 1950er bis 1970er Jahren. Und nach dem Niedergang der Sowjetunion stand es den USA frei, „zu der gewohnten Methode zurückzukehren - der Entsendung von Landetruppen an fremden Küsten" (S. 16). Hierfür gelten als jüngste Beispiele der Afghanistan- und Irak-Krieg.

Kinzer geht in den einzelnen Kapiteln seines Buches auf 14 Fälle solcher erzwungener Regierungswechsel durch US-Intervention ausführlich ein: Die jeweiligen Darstellungen erfolgen aus journalistischer Sicht und haben mitunter reportageartige Züge. Gleichwohl stützt der Autor seine Informationen gut durch entsprechende Quellen. Somit liefert er kein verschwörungsideologisches Bild, sondern eine gut belegte Darstellung der einzelnen Vorgänge. Auch wenn sich das Buch schwerpunktmäßig darauf konzentriert, finden sich in ihm eine Reihe beachtenswerter Ausführungen zu Folgen und Motiven der angesprochenen Politik. Für den letztgenannten Gesichtspunkt benennt Kinzer einen Mix aus ökonomischen Interessen und politischem Sendungsbewusstsein: Zum einen ging man davon aus, dass die USA von Gott oder dem Schicksal dazu beauftragt waren, ihre Regierungsform in weit entfernte Länder auszubreiten. Zum anderen seien die Amerikaner davon überzeugt, „dass sie Anspruch auf den Zugang zu Märkten und Rohstoffen in anderen Länden haben" (S. 475).

Gerade für die Einschätzung der gegenwärtigen Irak-Politik besonders interessant sind aber die Ausführungen zu den Folgen der beschriebenen Vorgehensweise: „Den Großteil der ‚Regimewechsel'-Ära hindurch haben die Vereinigten Staaten wenig oder nichts getan, um in den Ländern, deren Regierungen sie absetzten, die Demokratie zu befördern" (S. 475). Und weiter heißt es: „Die meisten von den Vereinigten Staaten betriebenen „Regimewechsel-Operationen' haben die Sicherheit Amerikas am Ende eher vermindert als gestärkt. Generationen von Widerstandskämpfern, erfüllt von einem tiefen und manchmal gewalttätigen Antiamerikanismus, sind aus ihnen hervorgegangen" (S. 477). Kinzer macht hier deutlich, wie viel man für die Konzeption gegenwärtiger Politik aus der Geschichte lernen kann. Wenn auch nur sehr allgemein bietet er eine alternative Konzeption an, zeige die historische Rückschau doch, dass bedrohlichen Regimen „mit einer Mischung aus Anreizen, Drohungen, Bestrafungen und Belohnungen" (S. 481) erfolgreicher begegnet werden könne.

Gerade derartige Reflexionen machen den intellektuellen Reiz des überwiegend historisch beschreibend gehaltenen Werkes aus. Zu solch lehrreichen Erörterungen gehört auch der kurze Vergleich von McKinleys Besetzung der Philippinen mit Bushs Okkupation des Irak. Von solchen Analysen hätte man sich insgesamt mehr gewünscht, können doch die historischen Darstellungen ohne Informationsverlust stark gekürzt werden. Auch wäre eine stärkere Unterscheidung der mit US-Hilfe gestürzten Regime in Demokratien und Diktaturen wünschenswert gewesen. Während man im letztgenannten Fall noch Verständnis aufbringen kann, empört gerade die Doppelmoral bei dem Sturz von demokratisch gewählten Politikern wie Allende, Arbenz und Mossadegh. Ihnen folgten Regime mit einer brutalen Repressionspolitik. Aber auch die Interventionen gegen Diktaturen verbesserten nicht immer die Lebenssituation der Menschen, sondern führten häufig zu Bürgerkriegen und Chaos. Man kann somit aus dieser historischen Betrachtung viel für die Gegenwart lernen.

Armin Pfahl-Traughber

 

Stephen Kinzer, Putsch! Zur Geschichte des amerikanischen Imperialismus. Aus dem Amerikanischen von Ulrich Enderwitz, Frankfurt/M. 2007 (Eichborn-Verlag), 563 S., 32 €