Nomen est Omen?

WIESBADEN. (gfds / hpd) Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat wieder – wie regelmäßig seit 1977 – die im Vorjahr in Deutschland

am häufigsten vergebenen Vornamen ermittelt. Die Auswahl stützt sich auf die Auswertungen einer bundesweiten und repräsentativen Anzahl von 175 Standesämtern, wobei alle Regionen und alle Landeshauptstädte, die meisten Großstädte sowie viele kleinere Städte und Ortschaften zwischen Flensburg und Konstanz, Aachen und Görlitz berücksichtigt werden konnten.

 

„Nomen est Omen" (der Name ist die Voraussage / hat eine Bedeutung) lautet eine 'Weisheit', die allerdings bei manchen Vornamen fraglich erscheint. Die Nachnamen (Familiennamen) sind festgelegt und so kann sich der Wille der Eltern - was sie ihrem Kind mittels einem Namen „auf den Weg mitgeben" (Omen) - nur im Vornamen äußern.

Die jeweils häufigsten zehn Namen für Mädchen und Jungen 2007 (in Klammern die Positionen des Jahres 2006):

Mädchennamen

1. Marie (1) / 2. Sophie/Sofie (2) / 3. Maria (3) / 4. Anna, Anne (4) / 5. Leonie (5) / 6. Lena (8) / 7. Johanna (8) / 8. Charlotte (12) / 9. Hannah/Hanna (18) / 10. Sophia/Sofia (17)

Auf den ersten fünf Plätzen gibt es keine Veränderung gegenüber dem Vorjahr. Allerdings sind seit 2005 drei Vornamen (Lea, Laura und Emily) nicht mehr in den Top Ten.

Jungennamen

1. Leon (1) / 2. Maximilian (2) / 3. Alexander (3) / 4. Paul (5) / 5. Luca (6) / 6. Lukas/Lucas (4) / 7. Felix (8 / 8. Elias (10) / 9. David (9) / 10. Jonas (11)

Drei Vornamen sind die beständig ersten in der Beliebtheit. Alle anderen Plätze bleiben in unterschiedlicher Position unter den Top Ten und seit 2005 ist erst ein Vorname (Tim) aus dieser Spitzengruppe herausgegangen.

Bei den Mädchennamen herrscht im Hinblick auf die ersten sechs Plätze Kontinuität, was schon in den Vorjahren zu beobachten war. Marie ist der seit 1999 von den Eltern am stärksten bevorzugte Mädchenname. Auch Sophie, Maria, Anna, Leonie und Lena haben ihre vorderen Plätze halten können. Marie und Sophie stehen mit weitem Abstand an der Spitze und wurden in manchen Städten doppelt so oft wie die nachfolgenden Mädchennamen vergeben; die Abstände zwischen den Plätzen fünf bis zehn sind relativ gering. Marie und Sophie sind allerdings vor allem als Zweit- und Drittname sehr beliebt, so dass ihr Spitzenplatz nicht auf den Rufnamen schließen lässt.

Es zeigt sich auch diesmal, dass sich die – angeblich rege – Vornamenmode nur langsam wandelt; von Jahr zu Jahr gibt es lediglich geringe Verschiebungen.

Vornamen, die immer häufiger vergeben werden, ohne dass sie schon die Spitzengruppe erreichen konnten, sind Amelie, Emma, Luise/Louise und Mia sowie Ben, Jakob, Luis/Louis und Noah.

Ein kurzer historischer Rückblick

Nach einem Vornamenbuch trugen im heutigen deutschen Sprach­raum bis ins 12. Jahrhundert hinein über 90 % aller Menschen Namen altdeutscher Herkunft. Mit der Ausbreitung und Normsetzung durch die Kirche verändert sich diese Namensgebung diametral: Die neuen Namen, deren Einfluss von Generation zu Generation wächst, stammen aus dem hebräischen, dem griechischen und dem lateinischen Sprachraum. Im 16. Jahrhundert dann stellte die Kirche Heiligenkalender auf, die bindend waren bei der Namenswahl. Ergebnis: 90 % aller Namen sind nunmehr die von Heiligen und damit meist fremden Ursprungs, da sich nur wenige Germanen in der Kirche als ‘Heilige' verdient gemacht hatten und ent­sprechend befördert worden waren.

Mit der lutherischen Reformation, die im Prinzip keine Heiligen mehr anerkannte, griffen die Lutheraner verstärkt auf Namen der Evangelien zurück, während im Gegensatz dazu die Calvinisten eher das Alte Testament als Namensquelle bevorzugten.

Danach habe die Kirche ihren dominierenden Einfluss auf diesem Ge­biet verloren, da es zu einer Auflösung solcher Verbindlichkeiten kam und es den Eltern weitestgehend frei gestellt ist, welchen Vornamen sie ihrem Kind geben. Allerdings, da wir uns in Deutschland befinden, muss erst erwähnt werden, welche Vornamen hierzulande verboten sind: Es sind Namen, die dem Ansehen des Kindes schaden könnten. Dazu gehören Kain, Judas, Barabbas. Auch Jesus und Christus sind in Deutschland nicht zugelassen.

Während Anfang des Jahrhunderts die kaiserlichen Karls, Friedrichs, Wilhelms, Ottos (alles deutsche Kaiser) und später nationalsozialistische Adolfs (Hitler) und Horsts (Wessel) sowie Karins (Göring) die Namensgebung dominierten, waren diese Namen im Zuge der „Vergangenheitsbewältigung" der 1950er Jahre verschwunden, also ging man weit zurück in den klassischen und den biblisch (-hebräischen) Kulturkreis.

Seit den 1950er Jahren

Mädchennamen: Barbara (Heilige) / Gabriele (w. zu Erzengel Gabriel) / Susanne (Fromme) / Sabine (Heilige / Märtyrerin) / Petra (w. zu Petrus).

Jungennamen: Michael (Erzengel) / Peter (Apostel Petrus) / Thomas (Apostel / Heiliger) / Stefan (Heiliger) / Andreas (Apostel / Märtyrer).

Inzwischen sind wir allerdings kulturell erfolgreich umerzogen wor­den, völlig ‘amerikanisiert' - im Kino und Fernsehen zu 90 % amerikani­sche Filme, im Hit-Radio zu 90 % englischsprachige Musik, an jeder Ecke ein Fast-Food-Laden -, und da werden dann wohl auch John (Präsident Kennedy) und Judith als Judy oder Jodie (Schauspielerinnen Garland und Foster) in die Stammbücher geschrieben? Mitnichten: Das christliche Abendland verteidigt das ‘Heilige Römi­sche Reich' weiterhin namhaft wacker:

1986

Mädchennamen: Katharina (die Reine) / Christina/-e (w zu Christian) / Jennifer (Königin) / Sarah (Heilige) / Julia (Märtyrerin).

Jungennamen: Christian (der Christ) / Daniel (Prophet) / Sebastian (Märtyrer) / Michael (Erzengel) / Alexander (König, Päpste)

Zur Erläuterung sei noch angefügt, dass die wörtlichen Bedeutungen der Namen wie folgt lauten:
Christian = (lat.) „der Christ" (besonders verbreitet nach der Refor­mation im Norden, auch in der friesischen Form: Carsten); Daniel = „Gott ist mein Richter" (seit der Reforma­tion verbreitet); Sebastian = „der Erhabene" (ist auch Patron der Schüt­zen); Michael = „Wer ist wie Gott?" (Patron der christlichen Heere und deutscher Nationalschutzpatron); Alexander = „der Schützer" (Alexander der Große und beliebter Papstname).

Katharina = (griech.) „die Reine" (Katharina die Große und Katharina von Bora, Luthers Ehefrau); Jennifer = (kelt.) „die weiße Woge" (Ehefrau von König Artus); Sarah = „Fürstin" (häufig in der Bibel); Julia, eigent­lich weiblicher römischer Sippenname, populär durch zwei Märtyrerinnen (22.5. und 21.8.) und natürlich durch Shakespeares Romeo und Julia.

Auffallend ist dabei, dass die Knaben überwiegend nach Aposteln und Propheten benannt werden, die Mädchen nach heiligen frommen Frauen und Märtyrerinnen.

"Nomen est Omen" ?

Allerdings kann dagegen eingewendet werden, dass auch und gerade die "Neuen Atheisten" beinahe durchweg christlich-biblische Vornamen haben: Christopher, Sam(uel), Daniel, Dan(iel), Michael, Adam, Johann. In diesem Zusammenhang ließe sich dann nur feststellen, dass ein christlicher Vorname inhaltlich keinerlei Bedeutung mehr hat. Andererseits könnte man, wen man daran glaubt, annehmen, dass der althochdeutsche Name Richard ("der mächtig Starke") seine Bedeutung erfüllt.

C.F.