BERLIN. Gegen den fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf zur gesetzlichen Verankerung
der Patientenverfügung im Deutschen Bundestag durch den Antrag der Abgeordneten Joachim Stünker (SPD), Michael Kauch (FDP), Dr. Luc Jochimsen (Die Linke) und Jerzy Montag (Bündnis 90 / Die Grünen) haben die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche Deutschlands in einem Schreiben an die Fraktionen protestiert.
Dagegen haben nun in einer Erklärung am 27. Mai 2008 die Einreicher Stellung bezogen und schreiben in einer gemeinsamen Presseerklärung:
„Aus dem verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrecht des Menschen folgt jedoch, dass weder Krankheit noch der ärztliche Heilauftrag ein eigenständiges Behandlungsrecht des Arztes begründen. Für die Rechtmäßigkeit eines ärztlichen Eingriffs ist vielmehr die Einwilligung des Patienten erforderlich. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie des Bundesverfassungsgerichts, dass die Wahrung der persönlichen Entscheidungsfreiheit des Patienten nicht durch das begrenzt werden darf, was aus ärztlicher Sicht unter Umständen erforderlich oder sinnvoll wäre. Dieses Selbstbestimmungsrecht würde entwertet, wenn Festlegungen für zukünftige Konfliktlagen nicht oder weniger verbindlich behandelt würden. Unser Gesetzentwurf differenziert daher aus guten Gründen nicht nach Art und Stadium der Erkrankung. Wir wollen dem Patienten für jede Krankheitsphase die Entscheidung über Einleitung und Abbruch medizinischer Maßnahmen überlassen.
Es gibt Überlegungen, die Nichtaufnahme bzw. den Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme immer von der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts abhängig zu machen, also auch dann, wenn Betreuer und Arzt darin übereinstimmen, was dem Willen des Patienten entspricht. Die Vormundschaftsgerichte würden durch eine solche Regelung mit zig-tausenden Verfahren zusätzlich belastet – und dies völlig unnötig. Eine solche Regelung würde außerdem hinter geltendes Recht zurückfallen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist das Vormundschaftsgericht nur im Konfliktfall einzuschalten. Für den Patienten würde dies bedeuten: Die Umsetzung seines Willens wird erheblich verzögert. In Ruhe sterben zu können, bedürfte einer zuvor erteilten „staatlichen Genehmigung“.
Die Kirchen fordern die Stärkung des Vorsorgebevollmächtigten. Was damit gemeint ist, bleibt diffus. Durch die Genehmigungspflicht des Vormundschaftsgerichts wird die heutige Stellung des Bevollmächtigten im Gegenteil geschwächt.
Die Kirchen machen in ihrem Schreiben geltend, Ausdruck recht verstandener Selbstbestimmung und gebotener Fürsorge sei, Wünsche und Entscheidungen einer Patientenverfügung nicht einfach als das letzte Wort eines Patienten zu nehmen. Möglicherweise sei die Festlegung in Unkenntnis der Möglichkeiten medizinischer Behandlung oder einer späteren medizinischen Entwicklung abgegeben worden. Nach unserem Entwurf hat der Betreuer daher zu prüfen, ob die in der Patientenverfügung getroffenen Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation des nicht mehr entscheidungsfähigen Patienten zutreffen. Das schließt auch die Prüfung ein, ob sein aktuelles Verhalten Anhaltspunkte dafür bietet, dass er den schriftlich geäußerten Willen nicht mehr gelten lassen will. Damit wird der Patient davor geschützt, an eine Patientenverfügung gebunden zu sein, die er so nicht mehr gelten lassen will; denn nach unserem Gesetzentwurf kann jede Patientenverfügung jederzeit und formfrei widerrufen werden.“
Die Einreicher teilen in ihrer Erklärung mit, dass sie ihren Gesetzentwurf daher unverändert in die erste Lesung am 19. Juni 2008 in den Deutschen Bundestag einbringen werden.
GG