Notizen zu Nordkorea (1)

BERLIN. (hpd) Mit dieser Artikelreihe wird eine monatliche Übersicht der aktuellen Ereignisse auf der koreanischen Halbinsel gegeben. Der Fokus liegt dabei auf der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea). Während in den deutschen Medien hauptsächlich über das Atomwaffenprogramm des Landes berichtet wird, werden wir die internationale Presse auswerten, um auch über Menschenrechtslage, Wirtschaft und Kultur berichten zu können.

Da es in Nordkorea keine freie Presse gibt, wäre es keinesfalls ausreichend, nur lokale Medien (wie z.B. die Nachrichten der Korean Central News Agency (KCNA) in die Beobachtung mit einzubeziehen. Zusätzlich zur internationalen Presse werden wir auch Bilder und Berichte von Menschenrechtsorganisationen und Korea-Reisenden präsentieren.

Die Notizen aus Korea werden jeweils zum 20. des Monats erscheinen, erstellt werden sie von Mitarbeitern des hpd und Liberty in North Korea (LiNK).

UN-Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtslage in Nordkorea beginnt ihre Arbeit

Anfang Juli hat die Arbeit einer UN-Untersuchungskommission begonnen, um die schweren und systematischen Menschenrechtverletzungen in Nordkorea zu untersuchen und Empfehlungen auszusprechen, wie die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können. Die Einrichtung dieser lange geforderten Kommission wurde im März dieses Jahres vom UN-Menschenrechtsrat einstimmig beschlossen. Innerhalb eines Jahres sollen unter anderem willkürliche Verhaftungen, Misshandlungen in Gefangenenlagern und Folter sowie die Verletzung des Rechts auf Nahrung untersucht werden. Der nordkoreanische UN-Botschafter in Genf schloss eine Kooperation mit der Kommission aus, weil er hinter ihrer Arbeit eine Einmischung "feindlicher Mächte" in Nordkoreas Angelegenheiten sehe, die nur zum Ziel habe, seine Nation zu diskreditieren und den Sozialismus zu stürzen.

Die Kommission bat dennoch um Zugang zu dem Land, weil sie sich in ihrer Arbeit nicht nur auf die Berichterstattung der internationalen Medien und andere externe Quellen verlassen möchte. Auch diese Anfrage wurde von der nordkoreanischen Regierung "höflich, aber negativ" beantwortet. Als Quelle für ihre Untersuchungen wird die Kommission nun auf Berichte von Exil-Nordkoreanern zurückgreifen und dafür im nächsten Monat Südkorea und Japan bereisen. Eine erneute Bitte um eine Besuchserlaubnis wurde an Nordkorea weitergeleitet, aber die Antwort steht noch aus. Erste Ergebnisse der Untersuchung werden im September erwartet.

Quellen:

www.hrw.org
www.boston.com
www.nknews.org
www.globalpost.com

Interview mit inhaftiertem US-Amerikaner veröffentlicht

Im November 2012 wurde der US-Amerikaner Kenneth Bae (koreanischer Name: Pae Jun Ho) in Nordkorea verhaftet, zunächst mit der Begründung, er habe staatsfeindliche Materialien ins Land gebracht. Im April 2013 wurde er dann zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt. KCNA veröffentlichte eine detaillierte Auflistung der Verbrechen, die Bae verübt haben soll, darunter feindliche Handlungen gegen Nordkorea, mit dem Ziel den Staat zu stürzen, und missionarische Aktivitäten.

Vor kurzem wurde ein Video veröffentlicht, das den inhaftierten Bae in einem Umerziehungslager zeigt. In einem Interview berichtet er von täglich acht Stunden landwirtschaftlicher Arbeit, die er zwangsweise verrichten muss, und von gesundheitlichen Problemen. Er bittet das nordkoreanische Regime um Vergebung und fleht die US-Regierung an, mehr für seine Freilassung zu unternehmen.

Trotz der offensichtlich schlechten Verfassung Baes vermittelt das Video einen insgesamt eher freundlichen Eindruck von nordkoreanischen Arbeitslagern mit erstaunlich moderaten Haftbedingungen. Der Tagesplan von Kenneth Bae zeigt mehrere Ruhepausen, sein Einzelzimmer ist modern eingerichtet und er hat Zugang zu sanitären Anlagen und medizinischer Versorgung. Man lehnt sich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man behauptet, dass es dem US-Amerikaner damit besser geht als einem durchschnittlichen Nordkoreaner, der nicht zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde.

Dass die Haftbedingungen auch nicht für alle Ausländer so verhältnismäßig komfortabel sind, weiß der Niederländer Wilem van der Bijl zu berichten. Der Briefmarkensammler wurde auf der vorerst letzten seiner zahlreichen Nordkorea-Reisen wegen angeblicher Spionage verhaftet. Seine drei mal drei Meter große Zelle war leer bis auf ein Bett, ein Stuhl und zwei Kameras, die auf ihn gerichtet waren. Auf dem Stuhl musste er 16 Stunden pro Tag sitzen, durfte dabei nicht lesen oder gelegentlich umherlaufen. Weder hatte er Kontakt zur Außenwelt noch wusste er, wann er wieder entlassen würde. Für van der Bijl nahm alles trotzdem ein glimpfliches Ende, denn nach einer "Gerichtsverhandlung", in der er seine "Verbrechen" gestand, durfte er nach zwei Wochen das Land verlassen.

Es wird vermutet, dass Kenneth Bae als Faustpfand dienen soll, um Zugeständnisse von den USA zu erpressen. Das wäre nicht der erste Fall dieser Art.

2009 flog beispielsweise Ex-Präsident Bill Clinton nach Nordkorea, um zwei gefangene US-Journalistinnen aus der Haft zu befreien. Nach einer Entschuldigung Clintons und einem Treffen mit Kim Jong Il durften die beiden das Land verlassen. Die jetzige Veröffentlichung des Videos mit der deutlichen Botschaft an die USA, ihren Staatsbürger nicht zu vergessen, könnte als Einladung verstanden werden, sich nochmals auf einen Deal dieser Art einzulassen. Eines der wichtigsten außenpolitischen Ziele Nordkoreas ist das Führen bilateraler Gespräche mit den USA auf Augenhöhe, ohne eine Beteiligung Südkoreas. Wenn die Nordkoreaner US-Gefangene benutzen, um dieses Ziel zu erreichen, sollten sich die USA nicht darauf einlassen, meint der Nordkorea-Experte Bradley K. Martin.

Qualitative Studie zur Behandlung von Frauen in nordkoreanischen Arbeitslagern veröffentlicht

Eine Interviewstudie mit weiblichen nordkoreanischen Flüchtlingen, die ihre Heimat zwischen 2011 und 2012 verlassen haben, legt nahe, dass die Frauen in nordkoreanischen Umerziehungslagern für chinesische Unternehmen Güter produzieren mussten. Ob diese "Joint Ventures" offizieller Natur sind oder durch Handlungen einzelner ermöglicht wurden, ist bisher unklar.

Viele der Frauen, die in ein Lager für politische Gefangene gebracht wurden, mussten ihre Strafe wegen eines Fluchtversuchs nach China absitzen. Die Berichte dieser Frauen sind in ihrer Grausamkeit kaum vorstellbar. Viele kommen schwanger nach Nordkorea zurück, weil sie in China Opfer von Menschenhändlern geworden sind. Sie werden zur Abtreibung gezwungen oder es werden ihnen, wenn es für Abtreibungen zu spät ist, Mittel injiziert, die zu vorzeitigen Wehen führen.

In derselben Studie wird das nordkoreanische Regime bezichtigt, in speziellen Einrichtungen, in denen Behinderte untergebracht sind, Menschenversuche mit biologischen und chemischen Waffen an Kindern durchzuführen. Die Studie wurde mit finanzieller Unterstützung der britischen Botschaft in Seoul durchgeführt und es kann nur gehofft werden, dass der Inhalt von den Diplomaten auch zur Kenntnis und zum Anlass genommen wird, die internationale Aufmerksamkeit auf die schweren Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea zu lenken.
Der vollständige Report kann hier heruntergeladen werden.

Ernährungslage und Sanktionen

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN berichtet in einem neuen Report, dass etwa 2.8 Millionen Nordkoreaner bis zur nächsten Ernte im Oktober auf internationale Nahrungsmittelhilfen angewiesen sind. Die strengen Sanktionen, die nach dem letzten Raketenstart und dem Atombombentest Anfang des Jahres gegen Nordkorea verhängt wurden, behindern inzwischen auch die Arbeit von Hilfsorganisationen im Land, denn Überweisungen nach Nordkorea werden von vielen westlichen Banken aufgrund der Finanzsanktionen nicht mehr durchgeführt. Die Problematik der Finanzsanktionen zeigt sich darin, dass sie primär die verwundbarsten Menschen treffen, also Schwangere, Ältere und Kinder, die von Hilfen aus dem Ausland abhängig sind.