SIDNEY. (hpd) Just in diesen Tagen wurde wieder sehr medienwirksam gegen die Katholische Kirche protestiert. Die Fehde
fand an einem Ort und in einer Zeit statt, wo sich die Kirche wieder einmal selbst feierte.
Der katholische „Weltjugendtag" in Sydney brachte auch die Gegner der katholischen Kirche in die Öffentlichkeit. Dies nahm die „heilige" Obrigkeit natürlich nicht hin und beschritt den Rechtsweg. Scheiterhaufen wären eine Möglichkeit, doch müsste man zu viele davon errichten. Außerdem predigt der Papst nun vom Umweltschutz, da kämen offene Feuer schlecht an.
Aber die Proteste gegen den Papstbesuch sind zulässig entschied ein Gericht in Australien. Eine weise Entscheidung und auch bei uns wird von den Gerichten oder Prüfstellen immer häufiger gegen die Klagen der Kirchen entschieden. Die Kirche hat es nicht leicht in Gesellschaften, die Recht über Dogmen stellen.
Solche Urteile waren früher undenkbar, denn anno dazumal galt die Kritik an der Kirche als so genannte Gotteslästerung und auch heutzutage werden sowohl religiöse Kreise wie auch der Staat nicht müde, gegen die Aufklärung mit Verbotsabsichten vorzugehen. Letzter Fall: „Das Ferkelbuch" wurde trotz umfangreicher Bemühungen nicht auf den Index gesetzt.
Das Problem der Kirche ist, dass sie sich kaum verändert, während sich die Welt um sie herum rapide wandelt. Jede Veränderung, die dem Klerus nicht dienlich ist, wird dann als direkter Angriff gewertet.
Die Fotomontage, die am Anfang des Beitrages zu sehen ist, mag auf manch Einen provozierend wirken. Genau das sollte damit erreicht werden. Sie ist bewusst überspitzt, um den Betrachter zum Hinschauen und darüber hinaus zum Nachdenken zu bewegen.
Vertreter der Römisch - Katholischen Kirche in dieser Art darzustellen, ist nicht der Normalfall, werden diese Leute in der breiten Öffentlichkeit auch heute noch als die „Männer Gottes" oder die „Guten Hirten" präsentiert. Viele, von Kindesbeinen an in die Kirche gleichgeschalteten Menschen, glauben an dieses Zerrbild, wie sie vieles glauben, was ihnen vorgesetzt wird.
Zugegeben, Fotomontagen als Stilmittel für die Aufklärung gibt es noch nicht lange. Doch die Aufklärung, die Kritik am Klerus, die Bloßstellung der Scheinheiligkeit oder die Verquickung von Staat und Kirche zum gegenseitigen Vorteil sind keine Erfindung der heutigen Zeit. Auch wenn uns das führende Kirchenvertreter immer wieder weismachen wollen und dies dann sofort mit dem so genannten „Werteverfall" verbinden.
Eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit sollte in aller Kürze die Sittenrichter, die da meinen, sie würden erst seit den letzten Jahrzehnten glossiert, veranlassen, ein bisschen Wind aus den Segeln zu nehmen. Das Thema ist so umfangreich, dass man ein Buch damit füllen könnte. Nur ein paar Beispiele aus der Geschichte verdeutlichen bereits, dass seit Jahrhunderten in verschiedenster Form Kritik an der Kirche geübt wird.
Kirchenkritik im Mittelalter
Im Mittelalter kam die Kirchenkritik weitgehend aus den Reihen „Andersdenkender Geistlichkeit", der Reformwilligen. Damals konnte nur der Eingeweihte Zusammenhänge erkennen, darüber nachdenken und letztendlich dagegen losgehen. Das Volk hatte nicht den Bildungsstand, um sich kritisch mit der Kirche auseinanderzusetzen, außerdem lebte es in ständiger Furcht vor Gott oder besser seinen irdischen Vasallen.
Die Kritik der „Insider" bezog sich hauptsächlich auf die Diskrepanz zwischen dem Wort der Bibel und dem Auftreten der Kirche. Auch das reichte oft schon aus, um wie Hus oder Eckhardt auf dem Scheiterhaufen zu enden oder abzuschwören. Jan Hus (etwa 1370 - 1415) war einer der frühen Kritiker des römischen Glaubenssystems. Er orientierte sich an den Ansichten von John Wyclif (1320-1384).
Die folgenden Zitate wird in ihrer Entstehungszeit kaum ein Mensch außer den Verfassern und ihrem engeren Kreis gekannt haben. Aber sie drücken aus, wie schon damals die Kirche gesehen wurde.
Ging ein Hund tausend Stund
zur Kirche, er wär doch ein Hund.
Bernhard Freidank (Vriedank) (1170 / 80 - 1230 / 33)
Gott aber, hat man ihn überhaupt, so hat man ihn allerorten; auf der Straße und unter den Leuten so gut wie in der Kirche oder in der Einöde oder in der Zelle...
Meister Eckhart (1260 - 1327)
Das gedruckte Wort
Mit der Erfindung des Buchdrucks begann eine neue Epoche. Das geschriebene Wort verbreitete sich rasch und verschaffte auch denen, die mit den Verhältnissen nicht konform gingen, ein neues Sprachrohr. Viele der Menschen, die sich mit dem System Kirche auseinandersetzten, sind bis heute nur einem kleinen Kreis Interessierter geläufig.
Auch wenig bekannt dürfte sein, dass sich einer der größten Dichter der deutschen Sprache, Johann Wolfgang von Goethe, häufig in Zitaten über Religion, Kirche und auch über die „Schafe" geäußert hat. Hier zwei seiner Aussprüche:
„Es ist gar viel Dummes in den Satzungen der Kirche. Aber sie will herrschen, und da muß sie eine bornierte Masse haben, die sich duckt und die geneigt ist, sich beherrschen zu lassen. Die hohe, reich dotierte Geistlichkeit fürchtet nichts mehr als die Aufklärung der unteren Massen."
„Er geht nicht in die Kirche, auch nicht zum Abendmahl, betet auch selten. Denn, sagt er, ich bin dazu nicht genug Lügner."
Klare Worte eines Dichters und Denkers, den man nicht mit ‚Spinner' oder ‚selbsternannter Aufklärer' abspeisen wird.
Der wohl größte „Versemacher" – der Volksmund – schuf eine Unzahl von Aphorismen, von denen viele überliefert wurden und an Aktualität nichts eingebüßt haben – ein untrügliches Zeichen dafür, dass sich die Kirche zwar hier und da im Erscheinungsbild aber nicht in ihrem Wesensgrundsatz geändert hat.
„Sprach der König zum Priester: Halt' du sie dumm, ich halte sie arm." (Unbekannt)
„Der Tod und die Kirche geben nichts zurück." (Deutsches Sprichwort)
"Was die Kirche übrig läßt, das nimmt die Staatskasse." (Spanisches Sprichwort)
Diverse Internetseiten mit Zitaten, Sprichwörtern und Aphorismen sind voller lesenswerter Fundstücke aus allen Zeiten, die uns zeigen, dass Religions- und Kirchenkritik keine Schöpfung des 20. Jahrhunderts ist. Unter den Stichwörtern „Religion", „Kirche" findet man solche Sprüche auch in einer umfangreichen Aphorismen Sammlung.
Neue Medien
Ende des 19. Jahrhunderts kamen viele neue Stilrichtungen dazu. Die Fotografie, die Karikatur, Plakate, Flugblätter waren die Medien der Aufklärer der neuen Zeit. Stellvertretend sei hier die 1896 gegründete Wochenzeitschrift „Simplicissimus" genannt.
Einen sehr guten Einblick, einen Querschnitt religionskritischer Arbeiten, gibt die Website von Alois Payer. Die unterschiedlichsten Stilrichtungen werden chronologisch dargestellt und laden zum genaueren Hinsehen ein.
Heute hat das Internet als Plattform für kirchen- und religionskritischer Arbeiten einen großen Stellenwert eingenommen. Damit verbunden entsteht natürlich auch ein Raum für Plattheiten, Beschimpfungen und Unfug. Der Nutzer muss selbst entscheiden, welches Niveau er möchte. Arbeiten wie die von Frank Scholz zeigen, was mit künstlerischen Mitteln zu erreichen ist.
Argumente, so alt, wie die Kirche selber
Die Aufklärung kommt auch bei der Kirche an und löst teilweise harsche Gegenkritik aus. Die Argumente sind oft genug so alt wie die Kirche selbst und wiederholen sich stetig. Diskussion findet selten statt. Kein Wunder - meint die Kirche doch das alleinige Recht - das Copyright - auf die Wahrheit zu haben! Das Fatale ist, der Islam hat genauso das Monopol für das „Alleswissen". Da die beiden Religionen nicht die Einzigen sind, die das für sich beanspruchen, sind Konflikte vorprogrammiert. Wie blutig diese enden können, zeigt sowohl die Geschichte der Menschheit und auch unsere oftmals so inhumane Gegenwart.
Also ist es völlig legitim, völlig gewaltfrei, mit Satire und Sarkasmus beizutragen, das Wesen und Handeln der Kirche aus dem Schein der Altarkerzen herauszuholen. Das musste auch für organisierte Aufmärsche wie die zum katholischen "Weltjugendtag" gelten. Deshalb ist es gut, dass auch die Befürworter freien Handelns in Sydney Flagge zeigen konnten.
Und erfunden hat`s die letztendlich die Kirche selbst. Wer so agiert, der muss mit Widerstreit rechnen.
Thomas Häntsch