Offener Brief an Bischof Huber

BERLIN. Die Initiative „Pro Ethik“ hat von Pfarrer Martin Lotz seinen Offenen Brief an Bischof Huber erhalten, in dem dieser zu „vernünftiger und christlicher Politik“ aufgefordert wird. In seinem Brief erinnert Martin Lotz daran, dass sich der Berliner Bischof Otto Dibelius in der Nachkriegszeit erfolgreich für einen nichtstaatlichen Religionsunterricht in Verantwortung der Kirchen eingesetzt hatte.

Martin Lotz war von 1977 bis 1997 Pfarrer einer Berliner Gemeinde und vorher u.a. letzter persönlicher Referent des Bundespräsidenten Gustav Heinemann, welcher sich in der Zeit des Nationalsozialismus in der Bekennenden Kirche engagierte und 1948 zum Präsidenten der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) gewählt worden war.

Im Folgenden dokumentieren wir den Brief von Martin Lotz:

Sehr geehrter Herr Bischof Huber!

Traurig bin ich über die Aktion „Pro Reli“. Sollte sie Erfolg haben, würde der Integration verschiedener Herkünfte und religiöser Zugehörigkeit ein Bärendienst erwiesen. Das neue Schulfach Ethik will, dass alle Schülerinnen und Schüler einer Jahrgangsklasse z u s a m m e n  bleiben, wenn über die Religionen und ethische Grundhaltungen informiert und diskutiert wird. Weltanschaulich neutral soll der Unterricht stattfinden, auch für Religionslose. Separater Religionsunterricht würde diese umfassende Aufgabe nicht lösen, sondern verfehlen.

Als letzter Persönlicher Referent des Bundespräsidenten Gustav Heinemann habe ich die nach dem zweiten Weltkrieg zunächst vorherrschende Politik einer strengen Trennung von Staat und Kirche konkret kennengelernt. Dazu gehörte auch die Ablehnung der Einziehung von Kirchensteuern über die staatlichen Finanzämter. Die religiöse Unterweisung der Schülerinnen und Schüler sollte Angelegenheit der Kirchen und anderen Religionen sein und nicht in der Obhut des Staates stattfinden.

Das war auch die Position des damaligen Bischof Dibelius. Bis vor wenigen Jahren gab es darüber in Berlin keinen Streit. Religion wurde als freiwilliges Fach angeboten. Dankenswerter Weise stellte der Westberliner Staat dafür die Bezahlung der Räume und Religionslehrerinnen und -lehrer zur Verfügung. Dabei bleibt auch der jetzige Senat von Berlin, wenngleich nur um 90 Prozent der anfallenden Gelder.

Eine gegen die Kirche gerichtete Schulpolitik ist demnach nicht erkennbar.

Wenn nun im Zusammenhang mit der Einführung des integrationspolitisch nicht nur sinnvollen sondern geradezu hochnötigen Faches Ethik als verbindlich und nicht abwählbar für die Schülerinnen und Schüler ab Klasse sieben sich unsere protestantische Kirche für eine Abwahl dieses Faches zugunsten bekenntnisorientierten Religionsunterrichts einsetzt fehlt mir dafür jegliches Verständnis.

Bitte kehren Sie, sehr geehrter Herr Bischof Huber zu einer vernünftigen und christlichen Politik in Sachen Schule und Religion zurück. Anerkennen Sie das Ethikfach als verbindlich für alle und trennen Sie die jungen Menschen nicht nach ihrer religiösen Herkunft. Wie anders soll denn sonst Verständnis, Achtung, Toleranz und gegenseitige Anerkennung eingeübt werden.

Schalten Sie einfach um von „Pro Reli“ auf „Pro Ethik“! Viele evangelische Mitchristen würden es Ihnen danken und auf einen möglichen Kirchenaustritt verzichten.

Mit allen guten Wünschen zum Ende Ihrer erfolgreichen Amtszeit grüsse ich Sie!

Martin Lotz, Pfarrer in Ruhe.

P.S.: wegen der Wichtigkeit der angesprochenen Fragen erlaube ich mir, diesen Brief der Öffentlichkeit zu übergeben.

Für Rückfragen: Dr. Gerhard Weil, Tel. 030 – 745 29 22
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Schirmherr: Walter Momper MdA
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Sprecher: Dr. Gerhard Weil, Tel.: 030 / 745 29 22,  E-Mail    
Koordinator und Ansprechpartner: Gerd Eggers, Tel.: 030 / 381 06 904, E-Mail
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