Wer sind die säkularen Organisationen?

BERLIN (hpd) Die „Humanistische Akademie Berlin“ (HAB) schlägt vor, das vor zehn Jahren vergeblich gestartete „Handbuch“-Projekt erneut aufzulegen, diesmal unter dem Titel „Handbuch säkularer Organisationen“. Aktuelle Erfordernisse bedingen eine Dokumentation des Bestands an säkularen Verbänden in Deutschland mit ihren Adressen, Zielen und Personen. Eine objektive Bestandsaufnahme sollte allgemein zur Verfügung gestellt werden und inhaltlichen Analysen vorausgehen, die sicher zu unterschiedlichen Befunden kommen, je nach Verbandsherkunft, -mitgliedschaft und -perspektive.

 

Was ist „säkular“?

Seit Gründung des KORSO im letzten November, des „Koordinierungsrates säkularer Organisationen“, wird von Seiten der Medien, aber auch von Insidern der „Szene“, immer häufiger die Frage gestellt, wer die säkularen Organisationen eigentlich sind, was sie leitet und worin ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen. „Säkular“, so die häufigste Nachfrage, sind doch auch die Parteien und Gewerkschaften, selbst viele Vereine, die den Zielen des KORSO in wichtigen Punkten nahe stehen, wie die „Humanistische Union“ (HU), verstehen sich säkular, aber nicht im Sinne des KORSO.
„Säkular“ meint beim KORSO „weltlich“ in einem ganz speziellen Sinn, den die „Sichtungskommission“ (SK) – der 2001 bis 2008 dem KORSO vorausgegangene Zusammenschluss bundesweit agierender Verbände – 2004 als „Selbstdefinition“ wie folgt formulierte: Das sind Organisationen, „die sich dem säkularen Spektrum zuordnen und die Interessen konfessionsfreier Menschen artikulieren“. „Säkular“ wurde weitgehend identisch gesetzt mit „konfessionsfrei“.
Der Bezug auf die Konfessionsfreien (nicht die Konfessionslosen!) war ein Formelkompromiss, um Konsens mit denjenigen Verbänden zu erzielen, die sich säkular, aber frei-religiös definieren. Das meinte (so in einem Protokoll der SK, einen Vorschlag von Helmut Kramer aufnehmend): „Übereinstimmung zwischen den Verbänden besteht in der Ablehnung aller intoleranten Religionen und Ideologien, des Staatskirchentums und des Monopolanspruches der christlichen Kirchen in Religions- und Weltanschauungsangelegenheiten sowie in der Ablehnung über- und außerweltlicher Mächte zur Erklärung von Naturvorgängen, Moral und Recht.“
Diese Definition von „säkulare Organisationen“ anerkannte, dass sich freireligiöse, unitarische, pantheistische und ähnliche Weltanschauungen selbst als „säkular“ definierten. Sie sind über den „Dachverband freier Weltanschauungsgemeinschaften“, DFW, 2008 auch Mitglied des KORSO geworden. Wenn also – wie es im hpd in Kommentaren mitunter geschieht – pauschal Atheismus und Religionen entgegengesetzt werden, dann wird nicht nur definitorisch verkannt bzw. verbändepolitisch nicht beachtet,dass es auch atheistische Religionen gibt, und dass Mitglieder des KORSO sich säkular-religiös verstehen.

Was wollte das Projekt „Handbuch“

Der soeben beschriebene Konsens im Verständnis von „säkular“ hält strenger theoretischer Überprüfung nicht stand. Er war rein pragmatisch, organisationspolitisch und ein Produkt der gemeinsamen Diskussionen um das „Handbuch freigeistiger Organisationen und Personen in Deutschland“ von 1999 bis 2003, für das als Personen der Autor gemeinsam mit Renate Bauer, Manfred Isemeyer, Volker Mueller und andere mit ihren Namen und für ihre Verbände standen. Vorbild war das „Handbuch der freigeistigen Bewegung Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Jahrbuch des Weimarer Kartells 1914. Hg. i. A. des Weimarer Kartells v. Max Henning. M. e. Übersichtskarte. Frankfurt a. M. 1914“.
Erste Anschreiben „an alle atheistischen, freidenkerischen, freigeistigen, freireligiösen, humanistischen und verwandten Vereine und Verbände in Deutschland, Österreich, Luxemburg, Liechtenstein und der Schweiz“ gingen im März 2000 heraus und, wegen des geringen Echos, noch einmal im Dezember 2001, dann ein drittes Anschreiben 2002.
In humanismus aktuell Heft 6 (Frühjahr 2000) wurde das Projekt öffentlich gemacht (siehe pdf Projekt Handbuch 2000 im Anhang). Aus der Historie des gewagten Projektes wird ersichtlich, dass es wohl zu ambitioniert angelegt war. Das geht auch aus dem ursprünglichen Fragebogen hervor (siehe pdf Fragespiegel 2000 in der Anlage), dessen Ausfüllung einer Forschungsleistung gleich kam und viele Verbände überforderte.
Die meisten Antworten signalisierten Interesse über Verbandsgrenzen hinweg. Alle Einsendungen waren mit z.T. umfänglichen Materialanlagen versehen, teilweise auf Diskette, aber einige auch handschriftlich. Jedenfalls gingen einige Antworten ein: AG Jugendweihe Groß-Hamburg, Humanistische Aktion, IBKA, DFV Ostwürttemberg, HFB (Brandenburg), DU(R), DFV Rheinland-Pfalz/Saar, FreidenkerInnen Ulm, bfg München, bfg Kulmbach/Bayreuth, Freireligiöse Gemeinde Mainz, Freireligiöse Gemeinde Offenbach und Gesellschaft für freigeistige Kultur Hamburg.
Nur wenige Homepages standen damals zur Verfügung. Das Misstrauen unter den Verbänden war groß. Recherchen vor Ort waren zu kostspielig und Spenden gingen ebenfalls fast keine ein. Vielen war der Nutzen eines solchen Unternehmens nicht einsichtig, anderen das Feld zu bunt. Daraufhin stellte Anfang 2003 die „Humanistische Akademie Berlin“ nach Rücksprache mit den Autoren das Projekt ein.

Was will das neue Projekt „Handbuch“?

Vor acht bis zehn Jahren gab es noch keinen gesellschaftlichen Bedarf an mehr Wissen über „säkulare Organisationen“. Die Verbände haben bis heute unterschiedliche Vorstellungen, Interessen und Möglichkeiten der medialen Selbstdarstellung und Lobby-Arbeit. Nach Gründung des KORSO könnte sich dies ändern.
Auf diesen möglichen Bedarf vertrauend, könnte das Projekt erneut – deutlich abgespeckt – starten und eine Trägerschaft finden. Vielleicht kann diesmal offen bleiben, wie viele sich letztlich beteiligen und in welcher Form die Publikation Ende 2009 oder im Jahr 2010 erfolgt, ob gedruckt oder auf der künftigen Homepage des KORSO oder in einer anderen, möglicherweise kommerziellen Form. Eventuell kann eine für das Internet taugliche Version erarbeitet werden. Das wäre mit den Teilnehmenden abzusprechen. Die Akademie ist wie 1999/2000 bereit, als Anregerin oder, falls gewünscht, als vorläufige Sammelstelle zu dienen.
Es wird davon ausgegangen, dass die Verbände selbst ein Interesse daran haben, in eine solche Publikation einzugehen. Wer wirklich im säkularen Spektrum kommuniziert, wird dieses Projekt finden und sich bei Bedarf beteiligen. Die Realisierung wird allerdings Zeit, Arbeit und Geld kosten.

Das Projekt hat zwei Elemente:
 

  • Tabellen der Verbändelandschaft (siehe pdf Säkulare Organisationen heute in der Anlage), verbunden mit der Bitte, die dortigen Angaben zu überprüfen und ggf. Korrekturen vorzuschlagen.
  • Neuer Fragebogen mit folgenden Rubriken: Allgemeine Angaben (Name, Adressen, Logo usw.), Selbstdarstellung, weitere Daten (Status, Mitgliederzahl usw.), wichtige Personen der Organisation und Ansprechpersonen für Politik, Medien und besondere Tätigkeitsfelder, eigene Publikationen und Verbandszeitschriften, Kernbegriffe und (falls gewünscht) bestimmte Erklärungen. Der neue Fragespiegel Handbuch Organisationen 2009 kann von den unter 1. genannten Organisationen bei der „Humanistischen Akademie Berlin“ angefordert werden, siehe unten Kontakt.

 

Horst Groschopp

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