Donald Trump setzt bekanntlich in vielerlei Hinsicht neue Maßstäbe und schafft alternative Fakten, aber auch in religiösen Dingen ist er für so manche Überraschung gut. Im Herbst 2020 distanzierte er sich von der Presbyterianischen Kirche und erklärte, er sei fortan ein "nicht-konfessioneller" Christ. In Deutschland blieb dieser Konfessionswechsel weitgehend unbeachtet, aber letztlich war das ein Baustein für Trumps Wahlerfolg.
Sich als "nondenominational Christian" zu bezeichnen, ist ein geschickter politischer Schachzug von Donald Trump, um es religiösen Wählern aller Konfessionen leichter zu machen, sich mit ihm zu identifizieren. Gleichzeitig wirft das Statement die Frage auf, was eigentlich ein "nicht-konfessioneller Christ" ist. Es ist eine Bezeichnung, die so vieldeutig ist wie ein Rorschach-Test – auf alle Fälle irgendetwas mit Gott.
Politisierung des Glaubens: Ein historischer Vergleich
Ganz neu ist dieser überkonfessionelle Move in der politischen Welt übrigens nicht. Schon die Nationalsozialisten führten 1936 auf den Melde- und Personalbögen der Einwohnermeldeämter sowie auf Personalpapieren den Begriff "gottgläubig" ein. "Gottgläubig" war eine Bezeichnung für diejenigen, die sich von den bestehenden Konfessionen abgewandt hatten, jedoch nicht glaubenslos waren. Die Begriffe "gottgläubig" wie auch "nicht-konfessionell" dienen in diesem Kontext vor allem dazu, den Glauben zu politisieren. Es ist der Versuch, eine religiöse Identifikationsformel jenseits der Kirchen und sonstigen Glaubensgemeinschaften zu schaffen.
Trump hat sich mit seinem Statement von den Fesseln der Konfession befreit. Vielleicht, weil er erkannt hatte, dass die strikten Regeln und Rituale der etablierten Kirchen seinem improvisatorischen Stil im Weg stehen. Die katholische Kirche mit ihrem Pomp und ihrer Hierarchie wäre zu steif für jemanden, der es gewohnt ist, im Alleingang zu agieren. Und die protestantische Kirche mit ihrer Betonung auf persönliche Glaubenserfahrung? Nun, das klingt schon eher nach Trump – solange er die Regeln selbst bestimmen kann.
In gewisser Weise ist Trumps Entscheidung, sich von seiner früheren Konfession zu distanzieren, auch Teil einer größeren kulturellen Bewegung. Ein Wechsel der religiösen Identifikation ist in den Vereinigten Staaten längst nichts Ungewöhnliches. Sozialwissenschaftler nennen dies "switching". Es gibt Konversionen beispielsweise aufgrund einer Wiedergeburtserfahrung, aber auch subtilere Veränderungen, so wenn jemand in eine andere Stadt zieht und beschließt, fortan die örtliche Baptistenkirche anstelle seiner früheren Methodistengemeinde zu besuchen, weil sie leichter mit dem Auto zu erreichen ist. Vizepräsident JD Vance hat ebenfalls einen radikalen Wandel vollzogen: In seiner Jugend angeblich noch Atheist, wurde er durch das Studium der Bekenntnisse von Augustinus zum überzeugten Katholiken.
Die Abnahme der konfessionellen Bindung lässt sich für die USA auch statistisch belegen: Im Jahr 1975 identifizierte sich fast ein Drittel der Amerikaner mit einer der großen Religionen. Heute ist dieser Anteil auf etwas mehr als 10 Prozent gesunken.
Trumps religiöse Ansichten sind schwer zu fassen. Obwohl sein eigener Lebenswandel wenig christlich ist, hält er gerne eine Bibel in die Kamera. Auf die Frage nach seiner Lieblingsstelle aus der Bibel antwortete er: "Es gibt viele Bibelstellen, aber Auge um Auge ist meine liebste Bibelstelle." Und so regiert er auch. Seinen Amtseid hat Trump mit der Formel "So help me god" geleistet, dabei aber vergessen, die linke Hand auf die Bibel zu legen – ein Novum in der amerikanischen Geschichte.
Religiöser Pluralismus und die Kommerzialisierung des Glaubens
Nur wenige Monate vor seinem Konfessionswechsel hat Trump eine eigene "God Bless the USA"-Bibel für 59,99 Dollar im Großdruck verkauft- für 99,99 Dollar gibt es sogar eine Platinum Edition. Die Großdruck-Bibeln enthalten neben dem Neuen Testament auch den Refrain von "God Bless The USA", die amerikanische Verfassung, die Bill of Rights, die Unabhängigkeitserklärung und den Treueeid. Donald Trump sieht sich an vorderster Front eines christlichen Nationalismus, weswegen er auch fest überzeugt ist, dass er beim Attentatsversuch von Gott höchstpersönlich gerettet wurde. Seine Präsidentschaftskampagne 2024 bezeichnete er als einen "gerechten Kreuzzug" gegen "Atheisten, Globalisten und Marxisten". Kaum saß der blonde Religionskrieger wieder im Oval Office, verkündete er eine Executive Order zur "Ausmerzung antichristlicher Vorurteile".
Trumps religiöse Neuausrichtung zeigt, wie flexibel und strategisch Glaubensfragen in der modernen Politik eingesetzt werden können. Sie spiegelt die zunehmende Individualisierung und Personalisierung von Religion und Spiritualität wider, wie sie seit Jahrzehnten in der westlichen Welt zu beobachten ist. Viele Menschen sehen sich als Teil der Gemeinschaft der Christen, ohne sich an eine bestimmte Konfession gebunden zu fühlen, wobei oft auch christliche Glaubensgrundsätze und esoterische Strömungen miteinander verschmolzen werden. Menschen definieren sich als überkonfessionell und stellen ihren persönlichen Glauben wie in einem Baukastensystem zusammen, dabei kann es dann schon mal vorkommen, dass die Jungfrauengeburt durch die Wiedergeburt ersetzt wird. Marienverehrung, Erbsünde, Trinität? – geschenkt. Schließlich ist es einfacher, sich seine eigene Religion zu basteln, als sich den komplexen Strukturen und Dogmen der katholischen oder protestantischen Kirche zu unterwerfen. Der religiöse Pluralismus bestimmt den spirituellen Markt, den unbequemen Rest lässt man einfach beiseite. Dieses Patchwork-Verfahren ist für katholische Traditionalisten natürlich ein Graus, aber die Kurie akzeptiert es notgedrungen, da die Kirche sonst noch mehr Mitglieder verlieren würde.
Doch die Frage bleibt: Ist Trumps religiöse Inszenierung mehr als ein politisches Kalkül? Oder ist sie ein weiteres Beispiel dafür, wie tief die Kommerzialisierung und Politisierung des Glaubens in unserer Gesellschaft fortgeschritten sind? Der Glaube wird als Bühne für persönliche und politische Interessen genutzt, als ein Werkzeug, um Wählerstimmen zu gewinnen und gesellschaftliche Spaltungen zu vertiefen. Als "nicht-konfessioneller Christ" steht Trump für den Verlust authentischer religiöser Werte, die zunehmend durch oberflächliche und opportunistische Inszenierungen ersetzt werden, getragen von dem Ziel, all jene woken, diversen und liberalen Strömungen auszugrenzen, die nicht in dieses Glaubensschema passen.

1 Kommentar
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Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Die nebulöse Politik von Tramp macht alles möglich und kann für alles benutzt werden,
dies erinnert mich an die Quadratur des Kreises, niemand versteht sie aber jeder denkt,
das sie möglich ist.