Gott und der Tod

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Stephen Colbert besiegt den Tod - beim Schach (Comedy Central)

(hpd) Laut einer neuen Studie verstärkt das Nachdenken über den Tod die Religiosität von Gläubigen. Außerdem führt es bei Religiösen zu einer größeren Zustimmung für theokratische Ideen, wie eine Folgestudie gezeigt hat.

 

Wahrscheinlich trägt die Konfrontation mit dem Tod zu der Überzeugung bei, das eigene Leben nicht unter Kontrolle zu haben, was allgemein den Glauben an Gott und Regierung erhöht. Die Überzeugungen von Atheisten lassen sich mit der Todeskonfrontation überhaupt nicht beeinflussen.

 

 

Der Tod: Effektivstes Mittel gegen Glaubenskrisen

Wir sind das einzige Lebewesen, dem seine Sterblichkeit bewusst ist. Atheistische Philosophen argumentieren schon lange, dass die Furcht vor dem Tod religiöse Wunschvorstellungen von einem Nachleben erzeugt. Studien von Ara Norenzayan und Ian Hansen von der englischen University of British Columbia bestätigen nun diese Annahme.

Gott und der Tod (Norenzayan, 2006)In einer der Studien sollte die Hälfte der Versuchsgruppe einen Text darüber schreiben, was nach dem Tod geschieht, die andere schrieb über Nahrung. Die ganze Versuchsgruppe tat darauf einige Dinge ohne Zusammenhang mit dem Text, den sie geschrieben hatten und bekam nun einen Fragebogen, in dem einige Fragen über ihre Religiosität eingebaut waren. Die eine Hälfte, die den Text über das, was nach dem Tod kommt, geschrieben hatte, gab an, religiöser zu sein und stärker an Gott zu glauben als die andere.

In einer anderen Studie wurden Teilnehmern drei verschiedene Versionen einer Geschichte über ein Kind gezeigt, die so gestaltet waren, dass sie Gedanken über Religion, Tod, oder ein neutrales Szenario auslösen sollten. Danach wurden sie aufgefordert, einen Zeitungsbericht über eine wissenschaftliche Studie zu lesen, die angeblich die Wirksamkeit von Gebeten bestätigt habe (tatsächlich gibt es eine Reihe von Studien, die das Gegenteil bestätigen). Die Menschen, die man so manipulierte, dass sie über den Tod nachdachten, fanden die Studie über die Wirksamkeit von Gebeten glaubwürdiger.

Ähnliche Studien bestätigten die Ergebnisse bei Anhängern aller möglichen Religionen: Sie gaben stets an, religiöser zu sein und mehr an Gott zu glauben, wenn sie mit dem Tod konfrontiert wurden.

Nichtreligiöse und Atheisten zeigten sich derweil völlig unbeeindruckt von jeder Manipulation. Sie glaubten weiterhin nicht an ein Nachleben, oder an die Wirksamkeit von Gebeten.

Konfrontiert man Menschen allgemein mit dem Sterben (im Gegensatz zum Tod), sind sie tendenziell der Meinung, dass sie dieses lieber möglichst schnell hinter sich bringen möchten: 60% der Briten, darunter auch viele Christen, befürworten Sterbehilfe und 52% stehen hinter dem vermuteten Konsens zur Organspende (man müsste explizit angeben, wenn man kein Organspender sein möchte und es wird in der Regel angenommen, dass man kein Problem damit hat). Nur extreme Gläubige finden das Leid des Sterbevorgangs besonders erstrebenswert – etwa mit der Begründung, Sterbende würden das Leid Jesu Christi am Kreuz nachahmen müssen, um ihrem Erlöser näher zu kommen.

Der Gott des Chaos

Anspannung und der kontrollierende Gott (Kay, 2009)

Nicht nur das Todesbewusstsein, sondern allgemein der Eindruck, keine Kontrolle über das eigene Leben zu haben, verstärkt den Glauben an Gott. Dies zeigen Studien von amerikanischen Psychologen der University of Waterloo.

Menschen, die glauben, ihr Leben nicht unter Kontrolle zu haben und die sich in der Konsequenz angespannt fühlen, suchen nach externer Unterstützung, um ihre Anspannung zu verringern. Jeder Mensch hat einen bevorzugten Level an Kontrolle, den er zu erreichen sucht. Er kann sich nun entweder davon überzeugen, selbst den Ton anzugeben, oder er kann sich davon überzeugen, dass etwas anderes, etwa ein allguter Gott oder eine allgute Regierung, die Fäden in der Hand hält.

Menschen, die meinen, ihr Leben nicht bewältigen zu können, glauben eher an einen allguten Gott oder an eine allgute Regierung.

In einer Studie haben die Wissenschaftler gezeigt, dass Menschen mit viel höherer Wahrscheinlichkeit an Gott glauben, wenn man sie an eine Situation denken lässt, über die sie keine Kontrolle haben. Dies gilt allerdings nur für einen kontrollierenden Gott, also einen, der in die Welt eingreift und sie steuert. Die Versuchspersonen glaubten auch eher, dass das Universum nicht auf Zufall beruht, sondern einem höheren Plan folgt. Wenn Menschen glauben, sie hätten keine Kontrolle, dann verweigern sie sich auch häufiger Veränderungen.

Allerdings funktioniert das auch umgekehrt:
Wenn man den Glauben an die Regierung oder an Gott verringert, dann sind die Menschen viel eher davon überzeugt, ihr Leben selbst zu bestimmen.

Religions- und Regierungskritik erhöht also die Selbstbestimmung des Menschen.

Der Tod macht Gläubige totalitärer

 

Islamismus, Religiosität und der Tod (Norenzayan, 2009)

Einer weiteren neuen Studie zufolge finden Christen theokratische Ideen sympathisch, wenn man sie mit dem Tode konfrontiert. Das ist selbst dann der Fall, wenn die theokratischen Ideen einer anderen Religion entstammen.

Der Gedanke an den Tod macht gläubige Menschen noch religiöser, während er die Meinung von Atheisten über ein Nachleben nicht beeinflusst. Doch ist damit das schreckliche Potenzial des Todes noch nicht erschöpft: Konfrontiert man sie mit dem Tod, finden Christen die totalitären Ideen radikaler Islamisten sympathischer, während sich bei Atheisten der gegenteilige Effekt einstellt – sie lehnen Religion noch mehr ab, wenn sie einen islamistisch geprägten Text lasen und man sie kurz zuvor mit dem Tode konfrontiert hatte.

In der Studie wurden religiöse (überwiegend Christen) und nichtreligiöse Testsubjekte gebeten, einen radikal anti-westlichen Essay zu bewerten, angeblich von einem muslimischen Gaststudenten. Vorher bat man sie darum, entweder ans Sterben zu denken oder fernzusehen.

Wenn man die Subjekte nicht an den Tod denken ließ, gab es keinen Unterschied zwischen den Reaktionen von Religiösen und Nichtreligiösen auf den Essay.

Aber wenn man sie mit Todesgedanken konfrontierte, dann änderte sich die Reaktion beider Testgruppen: Die Nichtreligiösen standen dem islamistischen Essay noch feindlicher gegenüber.

Anders bei der religiösen Testgruppe. Ihre Haltung veränderte sich entweder nicht, oder sie empfanden sogar eine gewisse Sympathie für den Islamisten.

Laut den Studienleitern Prof. Norenzayan und Prof. Hansen stehen sich hier zwei Prozesse entgegen: Die Religiösen empfinden die selbe „Furcht vor Fremden” wie die Nichtreligiösen, aber sie stehen der religiösen Botschaft wohlwollend gegenüber. Mit anderen Worten macht die Furcht vor dem Tod Christen für die Idee empfänglich, einer Gesellschaft ihre religiösen Vorstellungen aufzwingen zu müssen.

Und hier der Islamisten-Text, der den Testsubjekten vorgelegt wurde, und dem die Christen so wohlwollend gegenüber standen:

„Das Problem mit der westlichen Welt ist der Mangel an Glauben. Genau aus diesem Grund wird der Westen niemals über die islamische Welt triumphieren. Eine Person mit einem Glauben ist laut Definition eine stärkere Person als eine, die auf nichts als sich selbst hinaufsehen kann. Der Westen hat ökonomisch viel zu bieten, um die Lücke in den Herzen der Menschen zu füllen, aber ultimativ wird er in einem wahren Kulturkrieg gegen eine Kultur verlieren, die Überzeugung bietet, die Hoffnung auf etwas Größeres als Geld und leere Freuden bietet. Religion offeriert im Westen keinen wahren Trost und keinen wahren Weg für ihre Gläubigen, wie es in den islamischen Ländern ist, und die wichtigen Werten werden im Westen abgelehnt und in der islamischen Welt betont.
Die Geschichte lehrt, dass Kulturen, die Vorzüge finanzieller Natur und solcher in der (materiellen) Lebensqualität auf Kosten des wahren spirituellen Weges bieten, letztlich der religiösen Leidenschaft unterliegen (z.B. Griechenland und Rom). Und wir wissen alle, dass sich die Geschichte wiederholt. Die Zeichen, dass sich das Rad zu drehen anfängt, sind bereits überall zu sehen.”

In den Herzen von selbstbestimmten Atheisten befindet sich keine Lücke, die man mit Aberglauben und totalitären Ideen füllen müsste. Religiöse Menschen haben sich in allen Studien als anfälliger dafür erwiesen. Aber vielleicht ist das ja nur ein weiterer Beleg dafür, dass Atheisten keine richtigen Menschen sind.

 

Index

Gott und der Tod

Religion: Die neuesten Erkenntnisse (1)

Religion: Die neuesten Erkenntnisse (2)

Religion: Die neuesten Erkenntnisse (3)

Religion: Die neuesten Erkenntnisse (4)

 

Andreas Müller