Integration durch Ghettoisierung?

Merkez Moschee

Ortswechsel nach Kreuzberg. Auffallend an der Straßenkreuzung und am U-Bahnhof Görlitzer Bahnhof steht der Neubau einer Moschee, an der wir jedoch zuerst vorbei müssen. Das Ziel ist die Merkez Moschee bei der Zentrale der DITIP in Berlin, Wiener Straße 12.

Wie schon öfter in Berlin und andernorts gesehen, ist über einer Hofdurchfahrt an der Hauswand ein breites Schild befestigt auf dem etwas in Türkisch steht, das mit „Camii“ (Moschee) endet. So ist es auch hier. Hinter dem Tor der langgezogene Schlauch eines engen Hinterhofs, auf dessen linker Seite sich die Büros der DITIP befinden. (DITIB vertritt den türkischen ‚Staatsislam’, seine Imame sind Beamte der Türkei und werden von dort bezahlt.) Alles ist sauber. Der zweite Hof ist im vorderen Teil mit Plexiglaselementen überdacht, der hintere Teil ist zu einem Gebetsraum ausgebaut. Wie wir später erfahren ist das gesamte Areal die Moschee, da sich im Quergebäude im ersten Stock u. a. der Frisörladen befindet und im zweiten Stock der Gebetsraum der Frauen.

Wir werden eingeladen den Männern zu folgen, die den ebenerdigen Gebetsraum betreten, gehen am Lebensmittelgeschäft vorbei und setzen uns zu zwei weiteren offensichtlich deutschen Frauen ohne Kopftuch an den Rand des Raumes. Niemand stört sich daran. Es ist ein winkeliger, unübersichtlicher Raum mit Querwänden und einer flachen holzverkleideten Decke mit mehreren viereckigen Oberlichtern.

 

Die ‚Anbetung’ hat bereits begonnen, der Imam sitzt mit einer goldbestickten Weste hinter seinem Pult und spricht langsam Mikrofonverstärkt einen Text aus dem vor ihm auf einem Lesepult liegenden Koran.

Dann beginnt ein lang gezogener arabischer ‚Singsang’, die Rezitation als Beginn eines insgesamt zehnminütigen Gebets. Es klingt wie „Orient pur“. Danach: Aufstehen. Alle im Raum verstreut sitzenden Männer kommen eilig dicht zusammen und jeder stellt sich in etwa auf eines der im Teppich eingewebten Felder. Ein stilles Ritual des Stehens, Verbeugens, zweimaligen Niederwerfens. Jeder für sich allein, im eigenen Zeittakt. Manche Wiederholen die Abfolge zweimal, wenige dreimal. Alle setzen sich wieder. Modern gekleidete jüngere Männer, die jetzt erst dazu kommen, ziehen ein zusammengefaltetes rundes ‚Käppi’ aus der seitlichen Jackentasche und setzen es sich auf den Kopf. Eine kurze Anweisung, alle stehen wieder auf. Kurze Ansprache. Alle Beten, stehen in enger Reihe und dennoch jeder konzentriert für sich. Dann wieder die melodische Rezitation und eine dreimalige Abfolge des gemeinsamen Rituals des ‚Niederwerfens’ und des stillen Gebets.

 

Es sind nur Männer. Die Stimmen einzelner Frauen und das Rufen lärmend spielender Kinder schallen bisweilen vom Hof herein, kann aber die Konzentration der melodischen Rezitation und das vielstimmige Murmeln der Männer nicht überdecken. Das leise Klickern der Perlen der Gebetsketten, die viele der Männer zwischen Daumen und Zeigefinger ‚hindurch gleiten lassen’, bestimmt den Innenklang. Anschließend noch ein gemeinsames Gebet, in dem die Männer dem Imam mehrmals mit einem „Amin“ antworten. Dann ist Schluss. Die Männer schauen jetzt einander an, begrüßen sich, reden miteinander, nehmen ihre Schuhe aus dem Schuhregal und verlassen den Raum.

Auf dem Hof freundliche Einladungen zum Essen und Trinken, Falafel sind stapelweise vorbereitet, Samoware und große Teekannen stehen bereit. Es ist alles erheblich einfacher, in der Alltäglichkeit erscheint es auch glaubwürdiger, als in der Sehitlik Moschee. Auf die Frage, warum sie nicht auch in der neuen großen Moschee an der Ecke seien, ein Achsenzuckeln und ein noch unerklärliches seitliches Kopfrucken: „Bei den Arabern?“ Wir gehen wenige hundert Meter weiter.