Konservative Muslime, die eine Einstufung der Muslimbruderschaft als Terrororganisation befürworten: ein Widerspruch? Keineswegs. Ein saudischer Journalist erklärt, warum ausgerechnet religiöse Konservative die politische Instrumentalisierung des Islam kritisieren und weshalb ihre Position überraschend eng mit humanistischen und sicherheitspolitischen Überlegungen im Westen zusammenfällt. Ein Kommentar.
Der Text eines saudischen Journalisten mag manche überraschen. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet konservative Muslime die Entscheidung der Trump-Administration begrüßen, bestimmte Strukturen der Muslimbruderschaft als mögliche Terrororganisation zu prüfen? Doch ein Blick auf die Argumentation macht deutlich, wo es zu Übereinstimmungen zwischen säkular-humanistischen und konservativ-islamischen Kreisen kommen kann.
Der Journalist betont, dass die Muslimbruderschaft seit Jahrzehnten eine politische Ideologie vertrete, die religiöse Begriffe instrumentalisiert und deren Strukturen in mehreren Ländern ein Einfallstor für Radikalisierung und Gewalt gebildet hätten. Wer an einem ernsthaft gelebten, spirituellen Islam interessiert sei, könne kein Interesse daran haben, dass eine Organisation, die den Glauben politisiert und für machtstrategische Zwecke benutzt, als legitim gilt. Dass manche konservative Muslime sich daher für eine Einstufung als Terrororganisation aussprechen, mag im westlichen Diskurs irritieren, ergibt aus ihrer Perspektive jedoch Sinn: Die Trennung zwischen Religion und politischem Extremismus wird als Schutz des Islams verstanden, nicht als Angriff auf ihn.
Zugleich zeigt diese Position, dass der islamische Konservatismus nicht automatisch mit dem Politischen Islam gleichzusetzen ist. Im Gegenteil: erst die klare Distanzierung von Bewegungen wie der Muslimbruderschaft ermöglicht die Glaubwürdigkeit, einen friedlichen, rechtsstaatlich eingebetteten Islam auch in seinen konservativen Formen zu vertreten, ohne in Konflikt mit pluralistischen Werteordnungen zu kommen. Die USA unter Trump könnten damit eine internationale Signalwirkung erzeugen, die in der muslimischen Welt längst Realität ist: In mehreren Ländern wird die Muslimbruderschaft bereits als Terrororganisation geführt, nicht aus antireligiösen, sondern aus sicherheitspolitischen und gesellschaftlichen Gründen.
Gerade deshalb sollten auch Trump-Gegner die inhaltliche Ebene dieser Entscheidung nicht vorschnell verwerfen. Es wäre ein Fehler, jede politische Maßnahme allein anhand der Sympathie zur handelnden Person zu beurteilen. Der Diskurs um Politischen Islam, Extremismus und die Frage, wo religiöse Praxis endet und wo ideologische Mobilisierung beginnt, ist zu bedeutsam, um aus Prinzip abgelehnt zu werden. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Argumenten ist notwendig. Nicht, um Trump politisch zu entlasten, sondern um einen komplexen sicherheits- und religionspolitischen Sachverhalt angemessen zu diskutieren.
Ein humanistisches Verständnis von gesellschaftlichem Zusammenleben verlangt, religiös begründete Machtansprüche kritisch zu prüfen, unabhängig davon, wer diese Prüfung anstößt. Wenn konservative Muslime selbst betonen, dass die Muslimbruderschaft eine Gefahr für pluralistische, demokratische Gesellschaften wie auch für den innerislamischen Frieden darstellt, dann sollte dieser Hinweis nicht reflexhaft als politisches Manöver abgetan werden. Vielmehr lohnt es sich, in dieser seltenen Schnittmenge zwischen westlicher Sicherheitspolitik und innerislamischer Kritik einen möglichen Fortschritt zu erkennen: die Chance, Extremismus klar zu benennen, ohne den Islam selbst unter Generalverdacht zu stellen.
Wer diese Debatte scheut, überlässt das Feld jenen, die Religion politisch missbrauchen oder jenen, die sie pauschal diffamieren. Weder das eine noch das andere hilft weiter. Eine offene, differenzierte Auseinandersetzung hingegen schon. Wie wichtig diese auch nach dem von Trump angedachten Verbot ist, zeigt sich daran, dass die Muslimbruderschaft bereits über Ausweichmanöver in Form der Neugründung von Organisationen nachdenkt. Ihr Plan sei es, an einer "Umstrukturierung ihrer Organisation zu arbeiten und alternative Einrichtungen zu schaffen, die nach außen hin nicht mit der Gruppe in Verbindung stehen." Laut Berichten hätte die Muslimbruderschaft das US-Vorgehen erwartet und vorbeugende Maßnahmen ergriffen. Eine Zusammenarbeit auch mit konservativen Muslimen ist also zu begrüßen, vorausgesetzt, dass diese den Islamismus ebenfalls ausdrücklich ablehnen.







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