Eine Stimme für die „Unmündigen“

Eine verantwortungsvolle Umsetzung kann nicht garantiert werden

Wie bei allen anderen Regelungen im Staat kann Missbrauch nicht ausgeschlossen werden. Es gibt keine Garantie dafür, dass der Stellvertreter die Stimme tatsächlich im Interesse des Betroffenen vergeben wird. Ein Stellvertreterwahlrecht würde z. B. natürlicherweise den Eltern das Stimmrecht für ihre Kinder gewähren. Auch unter Eltern gibt es solche, die die Belange ihrer Kinder überhaupt nicht interessieren, und die sie daher auch nicht zur Grundlage ihrer Wahl machen werden. (Dieses Argument wird immer wieder vorgebracht.)

Solche Eltern sind zum Glück aber in der Minderheit. Generell liegt niemandem in unserer Gesellschaft das Wohl der Kinder mehr am Herzen als den Eltern.

Auch im Falle anderer zentraler Interessen der Kinder, wie Bildungswege, notwendige Operationen, finanzielle Belange und vieles mehr, wird den Eltern selbstverständlich stellvertretende Entscheidungskompetenz zuerkannt. Niemand wird auf den Gedanken kommen, dies deswegen infrage zu stellen, weil es auch hier schwarze Schafe gibt. Warum sollte man gerade im Falle einer Stellvertretung der Kinder durch ihre Eltern bei der Wahl andere Maßstäbe ansetzen?

Aufs große Ganze betrachtet wäre das Stellvertreterwahlrecht für Kinder und Jugendliche gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung gesellschaftspolitisch ein großer Gewinn.

Auch ein wie auch immer bestimmter Stellvertreter für einen Demenzkranken kann nicht wirklich dahin gehend überprüft werden, ob er dieser Aufgabe auch verantwortungsvoll und tatsächlich im Interesse des Kranken nachkommt. Entscheidend ist, dass man in der Regel von einem verantwortungsvollen Handeln ausgehen kann, wenn ein Vertrauens- oder sogar Liebesverhältnis zwischen den betroffenen Menschen besteht.

Soziale Einheit beinhaltet gemeinsame Interessen

Bei der Wahl einer Partei geht es im Wesentlichen um Grundinteressen, wie Finanzen, Lebensräume und Möglichkeiten der Lebensgestaltung, um Zukunftssicherung und Ähnliches mehr. Zumindest im Fall der Kinder, sind deren Interessen eine sehr lange Zeit nicht wirklich von denen ihrer Eltern zu trennen. Eine Familie bildet eine soziale Einheit, in der die Interessen eines jeden Mitgliedes zusammenhängen und miteinander verknüpft sind. Kindergeld, Elternteilzeit, flexible Arbeitszeiten usw. sind Beispiele hierfür.

Jedes Mitglied dieser Familie hat im Rahmen der Grundrechte einen eigenen Rechtsanspruch darauf, dass diese sich aufgrund der gemeinsamen sozialen Situation ergebenden Interessen je für sich berücksichtigt werden. Dies gilt für das Baby, das Schulkind, den Jugendlichen bis zu dem den Lebensunterhalt verdienenden Elternteil und die möglicherweise demenzkranke Großmutter.

Deshalb, so der Grundgedanke hier, sollte auch jedes einzelne Mitglied – sei es höchstpersönlich oder über einen Stellvertreter - bei einer Wahl eine eigene Stimme zu vergeben haben.