"Mehr Menschen müssen erkennen, was auf dem Spiel steht"

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Interviewerin Katrin Wiesemann (l.) mit Hendrik Cremer (r.)
Interviewerin Katrin Wiesemann (l.) mit Hendrik Cremer (r.)

Der promovierte Jurist und Autor Hendrik Cremer warnt eindringlich vor den von der AfD ausgehenden Gefahren. In Düsseldorf spricht er über Ziele und Strategien der sich immer weiter radikalisierenden Partei.

Sein Buch hat einen sperrigen Titel. Einen Titel jedoch, der klar macht, was der Autor meint: "Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen – Wie gefährlich die AfD wirklich ist."

Autor Hendrik Cremer, ein promovierter Jurist, der beim Deutschen Institut für Menschenrechte arbeitet, warnt: "Die Gefahr, die von der AfD ausgeht, wird im öffentlichen Diskurs nicht abgebildet. Die Partei wird verharmlost, indem sie etwa als 'rechtspopulistisch' bezeichnet wird. Dabei hat sie sich längst zu einer rechtsextremen Partei entwickelt. Ihre Ziele werden unzureichend thematisiert, ihre Gewaltbereitschaft wird regelmäßig ausgespart."

Die Ziele der AfD

Welches die Ziele sind und wie sie sie verfolgt, das machte Cremer jetzt bei einem Gespräch in der vollbesetzten Jazzschmiede in Düsseldorf deutlich. Auf Einladung des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes (DA!) und dem Co-Veranstalter "Respekt und Mut" ließ Cremer keinen Zweifel an den wahren Absichten der AfD. Wie andere rechtsextreme Parteien begründe auch die AfD ihre rassistischen Positionen nicht mehr biologistisch, sondern ersetze den Begriff Rasse durch den Begriff Kultur. "Die Kultur wird zu einem unveränderlichem Wesensmerkmal von Menschen. Und Menschen, die der so definierten einheimischen Kultur nicht angehören, sind nach diesem Konzept auszuschließen von der angestrebten homogenen Volksgemeinschaft."

Der im Grundgesetz verwendete Begriff des Volkes werde von der AfD umgedeutet, sagt Cremer. "Und die Menschen, die aus Sicht der AfD nicht dazugehören, werden vom Sozialstaatsprinzip und der Solidarität ausgeschlossen." Solidarität und Sozialleistungen würden nach den Zielen der AfD nur auf die aus ihrer Sicht "Angehörigen unseres Volkes" begrenzt. Eben deshalb sprächen Funktionäre und Mandatsträger der AfD denn auch von "Passdeutschen". Und machten damit deutlich, dass sie eben nicht alle deutschen Staatsangehörigen als Deutsche anerkennen.

Die Radikalisierung der AfD sei "sehr sehr schnell" vor sich gegangen seit ihrer Gründung im Jahr 2013 durch Bernd Lucke. Cremer zitiert Hans-Olaf Henkel, den früheren Vize-Vorsitzenden der AfD, der vorher Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) gewesen war. Dieser hatte schon 2015 gesagt: "Es macht mir Kummer, dass ich mitgeholfen habe, ein richtiges Monster zu erschaffen."

Interviewerin Katrin Wiesemann (l) mit Hendrik Cremer (r.), Foto: © Eva Creuz
Interviewerin Katrin Wiesemann (l.) mit Hendrik Cremer (r.), Foto: © Eva Creutz

Mittlerweile gebe es auf Ebene des Bundesvorstands der AfD keinen Widerstand mehr gegen die Postionen von Björn Höcke. Cremer zitiert den starken Mann der AfD und dessen Idee eines groß angelegten Remigrationsprojekts im Interesse der autochtonen (ursprünglichen) Bevölkerung. Damit werde deutlich, dass Höcke "Zwangsmaßnahmen und Deportationen anstrebt, die Millionen von Menschen treffen würden. Maßnahmen der Deportation, die nicht differenzieren nach der Staatsangehörigkeit, sondern in konsequenter Durchsetzung national-völkischer Vorstellungen geschehen sollten." Die Radikalisierung innerhalb der Partei sei so weit fortgeschritten, dass sie eine Gewaltherrschaft anstrebe, die sich in Zielen und Methoden am Nationalsozialismus orientiere, warnt Cremer.

Die Strategie der AfD

Dabei würden diese Ziele mit einer breit angelegten Strategie verfolgt: Mit gezielten Tabubrüchen setze man auf einen Gewöhnungseffekt. Der Autor erinnert etwa an die Aussage des früheren AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland, der gesagt hatte: "Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte." Und der damit die Menschheitsverbrechen bagatellisierte, ordnet Cremer ein. Auch verharmlosten sich Vertreter der AfD immer wieder selbst in Talkshows oder Interviews als einzige noch vorhandene Opposition. Wenn sie dann noch darauf hinweise, sie bewege sich auf dem Boden des Grundgesetzes, müsse man wissen, so Cremer: "Es gibt eine enorme Diskrepanz von Auftritten von AfD-Vertretern in der Öffentlichkeit gegenüber denen vor der eigenen Anhängerschaft – mit rassistischer, antisemitischer Hetze bis hin zu Aufrufen zu Gewalt". Auch wenn der Kern der AfD die Menschenverachtung sei, gebe sie sich gerade auf lokaler Ebne oft freundlich und zugewandt – als Kümmerer. Cremer: "Die AfD kann nicht nur Hass und Hetze, sie täuscht die Öffentlichkeit mit vielen unterschiedlichen Gesichtern." Und sie punkte vor allem auch durch ihre großen Aktivitäten in Sozialen Medien.

Die Mitverantwortung von Medien und Politik

Aber haben denn nicht auch Politik, Gesellschaft und Medien einen Anteil am Erfolg der AfD?, will Interviewerin Katrin Wiesemann vom Veranstalter DA! wissen.

Cremer sieht die Medien in der Pflicht. Oft sei dort nur von einer "rechtspopulistischen" oder nur "in Teilen rechtsextremen Partei" die Rede. "Dabei ist sie in Gänze rechtsextrem", sagt Cremer, "sie will die Abschaffung von Menschenrechten und von Demokratie." Auch ihre Gewaltbereitschaft werde nicht genügend von den Medien herausgearbeitet. Es sei grundfalsch, AfD-Funktionäre in Talkshows einzuladen. Die AfD spiele den dort gebotenen demokratischen Diskurs mit, habe es tatsächlich aber auf die Abschaffung der freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie abgesehen. "Diese Bühne darf man ihr nicht geben."

Die demokratischen Parteien müssten sich deutlicher abgrenzen von der AfD, fordert Cremer. Wenn sie sich aber, wie oft zu beobachten, gegenseitig abwerteten, so sei dies ganz im Sinne der AfD. Cremer spricht sich für ein Verbotsverfahren gegen die AfD aus. Doch ob es dazu kommt, ist umstritten. Darüber hinaus sei die gesamte Zivilgesellschaft gefragt – angesichts der Gefahr für die Demokratie, "deren Beseitigung am Ende jede und jeden treffen kann. Alle Demokraten sind gefragt, Institutionen wie Kirchen, Gewerkschaften und andere Verbände, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens." Es brauche mehr Aufklärungsarbeit in Schulen und insbesondere auch auf kommunaler Ebene. Dort müssten sich Bündnisse bilden, Signale in den öffentlichen Raum senden, durch Demonstrationen, durch Aufklärungsarbeit. Mit dem Ziel: "Mehr Menschen müssen erkennen, was auf dem Spiel steht".

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