Zeichnung: Janosch Wechsel des Bedrohungs-Szenarios
Der Hintergrund für die ganze Situation ist die „fiskalische Gefangenschaft“ der Kirchen in Deutschland. Die Frage der Religionszugehörigkeit ist in Deutschland ist stets eine besonders delikate Frage, da mit der Mitgliedschaft in einer Kirche, die den Statuts einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hat, auch die Kirchensteuerpflicht verbunden ist. Die deutsche Besonderheit ist der staatlichen Einzug dieser Kirchensteuer, was den beiden großen Amtskirchen im vergangenen Jahr rund 19 Milliarden Euro Einnahmen aus dieser Kirchensteuer gebracht hat. Es geht also um Geld, um viel Geld.
Wann und wie man Mitglied einer Religionsgemeinschaft wird, das ist eine Frage, die eine jeweilige Glaubensgemeinschaft selbst zu klären und zu entscheiden hat und damit hat der Staat eigentlich nichts zu tun. Es ist eine innerreligiöse Angelegenheit, die nach deutschen Verfassungsgrundsätzen eine innere Angelegenheit der Kirchen ist und damit unter ihr Selbstbestimmungsrecht fällt. Ob man aus einer Glaubensgemeinschaft austreten kann und welche Konsequenzen das hat, ist insofern für den Staat ohne Belang. Es sei denn, das damit eine staatliche Sphäre berührt wird, wie es mit dem staatlichen Einzug der Kirchensteuer der Fall ist.
Fiskalische Gefangenschaft
Nach den theologischen Bestimmungen der christlichen Kirchen wird man mit der Taufe Mitglied der Glaubensgemeinschaft. Diese Taufe gilt als ewiges „Prägemal“, das heißt, ob man will oder ist, einmal getauft ist man sein Leben lang Mitglied der Glaubensgemeinschaft, die man nicht verlassen kann. Nach den deutschen Kirchensteuergesetzen wird man mit der Taufe ebenfalls Mitglied in einem Steuerverband und unterliegt mit der Kirchensteuerpflicht auch dem staatlichen Kirchensteuereinzug. In dieser gemischten Situation muss es der glaubensneutrale Staat seinen Bürgern als Religionsfreiheit gestatten, aus dem staatlichen Anteil, der mit der Kirchensteuerpflicht verbunden ist, nach eigenem Gusto austreten zu können. Insofern ist der Begriff des „Kirchenaustritts“ und eine staatliche „Kirchenaustrittstelle“ schlicht falsch und grob irreführend. Das einzige, was der Staat bestätigen kann, ist die Beendigung der Mitgliedschaft in einer Steuergemeinschaft und damit die Beendigung des Abzugs der Kirchensteuer von der staatlichen Einkommenssteuer.
Insofern fällt es auf, dass die Kirchen sich bisher nicht an diesen falschen Begriffen gestört haben und den Widerspruch gelebt haben, dass man zwar einerseits nicht aus der Glaubensgemeinschaft austreten könne, aber andererseits im Falle des Austritts aus der Steuergemeinschaft mit der härtesten Kirchenstrafe, der Exkommunikation und dem Ausschluss von den Sakramenten, belegt wurde. Das ist für einen gläubigen Christen eine massive Bedrohung.
Die anstehende Frage ist, ob man mit dem Austritt aus dem staatlichen Kirchensteuereinzug, den man vor staatlichen Stellen bekundet, auch automatisch seine Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft beendet, was man eigentlich nur einem Priester gegenüber bekunden könnte.
Drohung des Wegfalls der Sakramente wäre nichtig
Der Kläger in Freiburg, Zapp, ist emeritierter Professor für katholisches Kirchenrecht. Er weiß also genau, worum es geht. Er hat in erster Instanz Recht bekommen, dass er seine Mitgliedschaft in dem Steuerverband beenden kann und dennoch weiterhin Mitglied der katholischen Kirche ist. Das ist die Auffassung, die auch der Papst als oberster Rechtssetzer der katholischen Kirche vertritt. Die Bischöfe in Deutschland haben sich aber bisher dieser Auffassung verweigert. Das mag ja für Länder, in denen es keinen staatlichen Kirchensteuereinzug gibt, egal sein, aber in Deutschland würde man „an der bewährten Praxis festhalten“. Mit anderen Worten, wer sich nicht dem staatlicher Einzugszwang unterwirft, der darf dann auch keine Sakramente mehr empfangen. „Ohne Moos nix los.“
Diese Entscheidung einer ersten Instanz hat offensichtlich große Unruhe unter katholischen Funktions- und Meinungsträgern ausgelöst. Die Reaktionen gingen soweit, dass vom einem „Ende der Kirchensteuer“ gesprochen wird. Mit anderen Worten, wenn die Leute keinen Ausschluss von den Sakramenten mehr befürchten müssen, treten sehr viele aus der Kirche aus. Der Zug durch die juristischen Instanzen hat erst begonnen, warum also diese Aufregung und die Droh-Szenarios? Es geht nicht ums „Seelenheil“, es geht ums Geld.
Carsten Frerk