„NEIN zu Gewalt an Frauen“

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Grafik: J.Howard Miller, 1940.

INTERNATIONAL. (hpd) Heute, am 25. November 2009, wird der elfte internationale Gedenktag „NEIN zu Gewalt an Frauen“ begangen. Aus gegebenem Anlass informiert der hpd über die Verhältnisse, die diesem internationalen Gedenk- und Aktionstag zugrunde liegen, sowie seine Einführung.

Eingegangen wird dabei auf die Frage: Was ist Gewalt gegen Frauen und welche Phänomene sind darunter zu fassen? Auch werden die Gewalt selbst, ihr Ausmaß und die ihr zugrunde liegenden gesellschaftlichen Verhältnisse beleuchtet.

Der 25. November

Der internationale Gedenktag „NEIN zu Gewalt an Frauen“ geht auf die Ermordung der drei Schwestern Mirabal zurück. Bis zu ihrer Verhaftung arbeiteten sie in der Dominikanischen Republik im Untergrund gegen den Diktator Trujillo. Nach monatelanger Folter wurden sie schließlich am 25. November 1960 vom militärischen Geheimdienst ermordet. Auf einem Treffen lateinamerikanischer und karibischer Feministinnen in Bogotá in Kolumbien würdigten die Teilnehmerinnen die Mirabal-Schwestern und riefen ihr Todesdatum zum Gedenktag für die Opfer von Gewalt an Frauen und Mädchen aus. 1981 wurde der 25. November zu einem internationalen Gedenktag. Seit 1999 ist der 25. November auch von den Vereinten Nationen offiziell als internationaler Gedenktag anerkannt. Inzwischen sind die Mirabal-Schwestern zu einem weltweiten Vorbild des Kampfes von Frauen gegen jegliches Unrecht geworden. Das amerikanische Centre for Women’s Global Leadership veranstaltet seit 1991 jährlich die Kampagne „16 Days of activism against Gender Violence“. Damit sollen zwischen dem 25. November und dem Tag der Menschenrechte am 10. Dezember Themen behandelt werden, die die beiden Gedenktage miteinander verbinden, wobei Vernetzung vorangetrieben werden soll. Mittlerweile liegt die internationale Beteiligung bei über 800 Organisationen und rund 90 Ländern.

Was ist Gewalt gegen Frauen?

In der „Erklärung der UNO-Generalversammlung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen vom 20.12.1993“ wird Gewalt gegen Frauen definiert als „jede gegen Frauen auf Grund ihrer Geschlechtszugehörigkeit gerichtete Gewalthandlung, durch die Frauen körperlicher, sexueller oder psychologischer Schaden oder Leid zugefügt wird oder zugefügt werden kann, einschließlich der Androhung derartiger Handlungen, der Nötigung und der willkürlichen Freiheitsberaubung, gleichviel ob im öffentlichen oder im privaten Bereich“.

Zu unterscheiden ist Gewalt gegen Frauen begrifflich von der geschlechtsrollenbedingten Gewalt, von der auch „feminine“ Männer und/oder nicht-heterosexuelle Männer betroffen sind. Gewalt gegen Frauen ist der auf Frauen zielende Teilbereich der geschlechtsrollenbedingten Gewalt. Entsprechend betonen FrauenrechtsaktivistInnen, dass Gewalt gegen Frauen ein Ausdruck der untergeordneten Stellung der Frauen darstelle, zumal sie mit der Diskriminierung von Frauen zusammenhänge. Gender ist daher der signifikanteste Faktor bei der Gewalt gegen Frauen. Relevant sind außerdem class, race, poverty, ethnicity und Alter. In den meisten Fällen kommen zur Geschlechtszugehörigkeit andere Faktoren hinzu, sodass Frauen oft eine doppelte oder dreifache Marginalisierung erfahren.

Um Gewalt gegen Frauen besser verstehen zu können, muss sie in den Kontext der weltweiten Geschlechterungleichheit gestellt werden. So sind weltweit Frauen mit 70% die Mehrheit der Armen. Frauen besitzen nur 1% der Oberfläche der Erde. Außerdem sind Frauen weltweit zu zwei Dritteln unter den AnalphabetInnen vertreten. Auf politischer Ebene sind Frauen weltweit mit nur 15,6% der Parlamentssitze unterrepräsentiert. Zudem besitzen Frauen in einigen Staaten nicht einmal die gleichen Rechte wie Männer. In manchen Gebieten haben sie kein Recht Unterkünfte zu besitzen oder zu vererben. Daher sind Frauen die Mehrheit der weltweit einer Milliarde Menschen ohne ausreichende Unterkunft. In einigen Ländern werden Frauen in der Ehegesetzgebung in Bezug auf das legale Heiratsalter oder das Recht zur Scheidung benachteiligt. In einer Studie aus dem Jahr 2005 kam das Weltwirtschaftforum zu folgender Schlussfolgerung: „Kein Land der Welt, egal wie fortgeschritten, hat bisher wahre Geschlechtergerechtigkeit erreicht gemessen an der gesetzlichen Beschlussfassung, dem gleichen Zugang zu Bildung und Aufstieg, der gleichen Partizipation und dem gleichen Status in allen Bereichen der menschlichen Betätigung.“ [Übersetzung durch Verfasserin] Angesichts dieser Benachteiligungen ist es nicht verwunderlich, dass Gewalt gegen Frauen oft straffrei bleibt.

Die Straflosigkeit hat Tradition, denn die geschlechterrollenbedingte Gewalt wurde und wird in männlich dominierten Gesellschaften entweder explizit befürwortet („sie hat es verdient“) oder stillschweigend geduldet („Familienangelegenheit“). Solche Mentalitäten sind ein Grund dafür, dass Gewalt gegen Frauen meist im privaten Bereich auftritt und als „Privatsache“ gar nicht erst vor ein Gericht kommt. Durch die fälschliche Deklarierung der Gewalt gegen Frauen zur Privatangelegenheit erhalten sich wiederum die patriarchalen Strukturen einer Gesellschaft. Laut WHO ermutigt Gleichgültigkeit die Gewalt gegen Frauen zusätzlich und stellt ein großes Hindernis bei ihrer Beseitigung dar. Als Methode der Kontrolle über eine Frau ist die Gewalt gegen sie im Interesse vieler Männer. Dadurch, dass es nicht zu Verurteilungen kommt und Frauen aus Furcht vor den Tätern den Rechtsweg nicht einschlagen, wird die Gewalt gegen Frauen zusätzlich verstärkt. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Staat zu, der durch die faktische Straffreiheit bei Gewalt gegen Frauen diese sowie in der Konsequenz die Unterordnung der Frauen de facto perpetuiert. FrauenrechtlerInnen arbeiten darauf hin, diesen Zirkel von Gewalt gegen Frauen aufzubrechen. Sie stellen heraus, dass Gewalt gegen Frauen eine fundamentale Menschenrechtsverletzung sei, die die Frauen daran hindere, ihre Menschenrechte vollständig zu genießen.

Zu Gewalt gegen Frauen gehören: häusliche Gewalt, Vergewaltigung, Menschenhandel mit Frauen und Mädchen, Zwangsprostitution, Gewalt im Rahmen bewaffneter Konflikte (Mord, systematische Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, erzwungene Schwangerschaft) Verbrechen im Namen der „Ehre“, Gewalt im Zusammenhang mit der Mitgift, weiblicher Infantizid, Genitalverstümmelung, und andere schädliche Praktiken und Traditionen. Erfolge der FrauenrechtlerInnen sind im wachsenden öffentlichen Bewusstsein, gesetzlichen Änderungen, Programmen für Täter und in der Schaffung von Anlaufstellen für Betroffene zu sehen.
Die Durchsetzung der Menschenrechte im Allgemeinen und ihrer Geltung für alle Frauen (und sexuelle Minderheiten im Besonderen) stößt vielerorts allerdings auf aggressiven Widerstand, der mit dem Beharren auf Tradition und der Abwehr „fremder Werte“ begründet wird. Menschenrechte beziehen sich jedoch per definitionem auf alle Menschen – es sind keine Rechte der indigenen EuropäerInnen, AustralierInnen und NordamerikanerInnen. Zudem erweisen sich nicht alle traditionellen Praktiken als frauenfeindlich. Ohnehin dürfte die Unterscheidung „eigener“ und „fremder“ Ideen schwierig werden. Die Differenzen sind, wie Lisa Ernst (Hg.) in „Broken bodies, broken dreams“ ausführt, eigentlich die zwischen Standpunkten, die Diskriminierungen rechtfertigen, und solchen, die die fundamentale Gleichheit aller Menschen und die Menschenrechte hochhalten und deswegen geschlechterrollenbedingte Gewalt gegen alle Frauen und nicht-heterosexuelle Männer beseitigen wollen.

Aber nicht nur der politische und der philosophische Impuls sind bei der Dringlichkeit der Beseitigung der Gewalt gegen Frauen relevant, sondern auch das jeweilige persönliche Leid Betroffener wie auch die gesundheitlichen Folgen für die Überlebenden von Gewalt gegen Frauen. Dazu gehören: psychosomatische Probleme, chronische Schmerzen, Essstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Phobien, Panikstörungen, Depressionen und Ängstlichkeit. Betroffene Frauen sind daher für Alkohol- und Medikamentmissbrauch besonders anfällig. Gewaltopfer beanspruchen überdurchschnittlich häufig psychische Therapien und versuchen fünfmal häufiger sich das Leben zu nehmen. Von Gewalt betroffene Frauen haben ein erhöhtes Risiko einer ungewollten Schwangerschaft, Verletzungen des Fötus, Komplikationen während der Schwangerschaft sowie Fehlgeburten. Zudem haben Kinder, die Gewalt miterleben oder von Gewalt betroffen sind, ebenfalls ein erhöhtes Risiko psychischer Erkrankungen und Verhaltensstörungen. Des Weiteren neigen Männer, die Gewalt gegen ihre Mutter erlebt haben, ebenfalls zu Gewalt gegen ihre Partnerinnen. Frauen, die Gewalt gegen ihre Mütter erlebt haben, tendieren häufiger dazu, selbst Opfer von Gewalt zu werden. Diese Tendenzen sind aber nicht für alle und auch nicht für die Mehrheit der Kinder von Gewaltopfern belegt, sondern für einen überproportional großen Teil von ihnen.