Kommentar

Kriegsgedenken in Zeiten des Krieges

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Der 8. und der 9. Mai erinnern an das Ende des Zweiten Weltkriegs. Als "Tag der Befreiung" beziehungsweise "Tag des Sieges". Letzterer wird vor allem in Russland groß mit Militärparaden gefeiert. Vor dem Hintergrund des Angriffskrieges auf die Ukraine erhalten diese Tage eine neue Bedeutung.

Gestern wurde in vielen europäischen Ländern des Endes des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung vom Nationalsozialismus vor 77 Jahren gedacht. Zu einer Zeit, in der wir wieder Krieg in Europa haben. Seit gut zehn Wochen hält Wladimir Putin die Welt in Atem, die auf einmal wieder über den real möglichen Einsatz von Atomwaffen und die Verhinderung eines Dritten Weltkriegs diskutiert.

Seit Ende Februar erleben wir, wie innerhalb Europas ein Land ein anderes zu erobern versucht, dessen Souveränität es nicht anerkennt, das Grenzen verschieben will und das das Völkerrecht mit Füßen tritt. All das glaubte man zumindest in der westlichen Welt hinter sich gelassen zu haben. An diesen Beginn eines ­– im Großen und Ganzen – friedlichen Zeitalters erinnert der 8. Mai. Vorbei schienen imperialistische Großmachtsfantasien einzelner Staaten, die ihre Nachbarn überfielen, mit unvorstellbarer Grausamkeit überzogen und das Ganze als Verteidigung ausgaben.

Solcher Strategien bedient sich nun wieder der russische Präsident, der mittlerweile immer häufiger als Diktator betitelt wird. Heute gedenkt Russland des Sieges über Nazideutschland und versucht diesen Tag für seinen aktuellen Krieg zu instrumentalisieren, in dem vorgeblich erneut gegen Nazis gekämpft wird. Diese Eigendefinition Russlands hat nicht mehr viel mit der ursprünglichen Bedeutung dessen zu tun, was einen Nationalsozialisten ausmacht.

Ein vorläufiger Höhenpunkt dieser eigenwilligen Begriffsvereinnahmung waren die geschichtsvergessenen Aussagen des russischen Außenministers Sergej Lawrow, der behauptete, auch Hitler habe "jüdisches Blut" gehabt und dass es "überhaupt nichts" heiße, wenn der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Jude sei. Nach einem internationalen Aufschrei legte er sogar noch einmal nach und unterstellte ausgerechnet Israel, "das Neonazi-Regime in Kiew" zu unterstützen.

Es wirkt surreal und ins Gegenteil verkehrt, wenn Russland heute den Sieg über den Nationalsozialismus feiert, während sich sein Anführer selbst faschistisch verhält und ein Land heimsucht, das schon unter den echten Nazis schwer gelitten hatte.

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