„NEIN zu Gewalt an Frauen“

Gewalt gegen Frauen weltweit

Schätzungen zu Folge werden ein Drittel aller Frauen weltweit mindestens einmal in ihrem Leben geschlagen, zum Sex gezwungen oder anders misshandelt. Allein durch Abtreibung weiblicher Föten und Vernachlässigung weiblicher Kinder fehlen der Welt ca. 50 bis 100 Millionen Frauen. Die Vernachlässigung der Mädchen bzw. die Präferenz der Söhne umfasst nicht selten auch die Menge an Nahrungsmitteln, die ein Kind erhält. Während der Kindheit laufen Mädchen dreimal häufiger Gefahr als Jungs sexuell misshandelt zu werden. In Afrika und Asien kann die Vergewaltigung von Mädchen mit dem Mythos verknüpft sein, dass Sex mit einer Jungfrau HIV kuriere. Von den fast zwei Millionen Kindern, die weltweit in der Prostitution und Pornographie ausgebeutet werden, sind in den meisten Ländern 80 bis 90% Mädchen. Im weltweit wachsenden Menschenhandel sind 80% der Opfer weiblichen Geschlechts. Geschätzte 100 bis 140 Millionen der heute lebenden Mädchen fielen der weiblichen Genitalverstümmelung zum Opfer. Von „Hexenjagd“ sind in manchen Teilen der Welt Frauen immer noch bedroht. Weltweit sind 12 Millionen Menschen zur Zwangsarbeit aller Art gezwungen. 98% derer, die in die Sexarbeit gezwungen werden, sind weiblichen Geschlechts. In der übrigen Zwangsarbeit sind es 56%. In einem UN-Report aus dem Jahr 2000 wird davon ausgegangen, dass durchschnittlich fünf indische Frauen am Tag an „Unfällen“ in der Küche durch ihre Ehemänner oder angeheiratete Verwandte sterben, weil der Brautpreis zu gering ausfiel. In anderen Teilen der Welt werden jährlich Tausende von Frauen in „Verbrechen im Namen der Ehre“ ermordet und die Täter erhalten wenig oder keine Bestrafung. In Kriegszeiten sind Frauen zunehmend die Zielscheiben von Vergewaltigung und anderen Angriffen von extremer Brutalität. Nur ein geringer Teil der Täter wird dafür vor Gericht gestellt. Simbabwe ist nur ein Beispiel unter vielen.

Ungefähr 82 Millionen Mädchen weltweit, die zurzeit zwischen zehn und 17 Jahre alt sind, werden vor ihrem 18. Geburtstag heiraten. Der Leiter des United States Public Health Service erklärte, dass die Gewalt, die amerikanischen Frauen von ihren Intimpartnern zugefügt wird, die größte und einzige Bedrohung für alle amerikanischen Frauen darstellt. Ähnlich ist die Lage in Europa und Australien. Gemäß einem World Development Report von 1993 ist Gewalt für Frauen im reproduktiven Alter eine häufigere Todes- und Arbeitsunfähigkeitsursache als Krebs und eine häufigere Krankheitsursache als Krebs und Malaria zusammen. Im Vereinten Königreich ist Ermordung meist durch den Intimpartner die häufigste Todesursache von Frauen im Alter von 15 bis 18. In Kanada erfahren 54% der Frauen und Mädchen im Alter zwischen 15 und 19 bei Verabredungen sexuelle Nötigung von Nicht-Partnern. Gemäß dem UN-Sonderberichterstatter für Gewalt gegen Frauen wechseln Frauen wegen sexueller Belästigung neunmal häufiger den Arbeitsplatz als Männer. Daraus ergeben sich Konsequenzen für die ökonomische Situation eines Landes und auch für diese Frauen. In manchen Industrieländern betragen die jährlichen Kosten der Behandlung von partnerschaftlicher Gewalt gegen Frauen Milliarden von Dollars. Die konkreten und nicht greifbaren Kosten einer Vergewaltigung betragen in den USA 100.000 Dollars. Die meisten Betroffenen von Gewalt gegen Frauen kennen die Täter – es sind Freunde, Ehemänner und andere Familienmitglieder, Menschen aus ihrer Gemeinschaft und im Falle von älteren Personen sind es Pfleger. Die Täter sind überwiegend Männer und nur selten andere Frauen.

Erklären lassen sich diese häufigen Verbrechen durch die kulturell bedingte hohe Akzeptanz, die der Gewalt gegen Frauen weltweit zuteil wird. Auf die Frage: „ Ist es in Ordnung für einen Mann seine Frau zu schlagen, wenn sie das Essen anbrennen lässt, mit ihm streitet, ohne ihm Bescheid zu sagen das Haus verlässt, die Kinder vernachlässigt oder den Sex ablehnt?“ antworten mit „ja“ allein unter den Frauen (!) in Ägypten 94%, Sambia 91%, Indien 70%, Äthiopien 68%, Haiti 48%, Kambodscha 46% und Nikaragua 34%.

In der „In-depth study on all forms of violence against women”, die vom Generealsekretär der Vereinten Nationen vorgelegt wurde, werden die Kontrolle der weiblichen Sexualität sowie die systematischen Angriffe gegen Frauen als Mittel der „ethnischen Säuberung“ identifiziert. So dienten z.B. 1999 Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt im Kosovo der „ethnischen Säuberung“ und wurden vor den Ausschreitungen von staatlicher Seite aus propagiert, indem der Stereotyp der promisken Albanerin heraufbeschworen wurde, was die Ängste der serbischen Seite vor dem Wachstum der albanischen Bevölkerung verstärkte. In Zusammenhang mit ethnischen Konflikten und Diskriminierungen kommt es zu Zwangssterilisationen, z.B. an Roma-Frauen in Europa oder indigenen Frauen in Kanada und den USA. Betont werden muss, dass vor allem auch lesbische Frauen wegen ihrer sexuellen Orientierung geschlechtsrollenbedingter Gewalt bzw. Gewalt gegen Frauen zum Opfer fallen. Sie werden vergewaltigt, gegen ihren Willen geschwängert, verheiratet und ermordet. Andererseits und zugleich sterben weltweit Tausende von Frauen an illegalen und meist nicht sachgerecht durchgeführten Abtreibungen. Informationen dazu sind hier zu finden. Gleichgeschlechtliche Paare besitzen in den westlichen Ländern meist kein Adoptionsrecht. Verstärkt sind auch behinderte Frauen Opfer von Gewalt gegen Frauen. Vollkommen ungetarnt wird Gewalt gegen Frauen von Männern in Mexiko und Sri Lanka eingesetzt, um sie durch Einschüchterung und offene Drohungen an politischer Betätigung sowie der Arbeit in anderen Bereichen zu hindern. Wachsenden Einfluss auf das Ausmaß von Gewalt gegen Frauen haben außerdem transnationale Gruppen wie Konzerne, politische Gruppen und kriminelle Netzwerke. Staaten müssen diese Einflüsse daher genau untersuchen und entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Weitere Informationen zu diesem Abschnitt sind hier und hier zu finden.

Gewalt gegen Frauen in Europa

Gemäß der Studie „Combating Violence against Women“, die vom Europarat in Auftrag gegeben wurde, haben auf dem Gebiet der EU 1/5 bis ¼ aller Frauen mindestens einmal im Laufe ihres Lebens Gewalt erfahren. Ein Zehntel der Frauen wurde im Laufe ihres Lebens Opfer sexueller Gewalt. Von allen Gewalterfahrungen inklusive Stalking sind 45% der Frauen betroffen. Die Täter sind in der überwiegenden Mehrzahl Männer. 12-16% aller Frauen in der EU haben in Beziehungen mit häuslicher Gewalt gelebt, wobei Gewalt oft bei der Trennung auftrat. Die Kosten, die sich aus der Behandlung von Gewaltopfern, aber auch der strafrechtlichen Verfolgung von Tätern ergeben, sind für die gesamte EU bisher nicht hochgerechnet worden. Die Frage nach den Kosten soll die politische oder individuelle Dimension nicht ergänzen, sondern ist als Versuch der Veranschaulichung gedacht. Gewalt bleibt das Argument gegen Gewalt. Für Die Schweiz wurde berechnet, dass häusliche Gewalt (bei sofortiger Inanspruchnahme und nur der medizinischen Dienste) jährlich Kosten von 35 € pro Kopf verursacht. In Spanien belaufen sich die Kosten nur für die unmittelbare Inanspruchnahme von Versorgung bei häuslicher Gewalt jährlich auf 60€ pro Person.
Generell haben osteuropäische Länder keine spezifischen Gesetze gegen Gewalt gegen Frauen, während es sie in Westeuropa und vor allem in den deutschsprachigen Ländern gibt. Im Mittelmeerraum fehlen Erhebungen zu Gewalt gegen Frauen fast vollständig, sodass die Regierungen die Notwendigkeit entsprechender Maßnahmen leugnen können. Entsprechend haben die meisten Staaten Südeuropas keine Gesetze gegen Gewalt gegen Frauen, die in erhöhtem Maße als Privatangelegenheit betrachtet wird. Wenn die jeweiligen Frauenbewegungen diese Umstände anprangern, vereinnahmt die Politik die Belange von Frauen für sich. Weitere Informationen sind hier zu finden.

In Nord- und in Westeuropa werden Frauenhäuser staatlich finanziert, während sie in Osteuropa meist von internationalen Gebern gestiftet werden. Ein weiteres Problem besteht darin, dass es für Männer, die in Partnerschaften gewalttätig werden, im Gegensatz zu anderen Verbrechern auch in der EU noch kaum Täterprogramme gibt. Die meisten ExpertInnen sind sich darüber einig, dass bei Männern, die gegen Nahestehende (auch Kinder) gewalttätig werden, kein Schuldbewusstsein besteht und daher auch keine Einsicht in die Notwendigkeit einer Veränderung. An Anti-Gewalt-Programmen nehmen sie meist auf Druck von Opfern, Jugendamt und der Arbeitgeber teil. Aber auch wenn Männer gerichtlich zur Teilnahme an solchen Programmen gezwungen werden, entwickeln viele von ihnen im Verlauf dieser Maßnahmen die Motivation, möglichst viel zu lernen. Dass Gewalt gegen die Mutter die Kinder sehr belastet ist eine noch junge Erkenntnis. Die Hilfsprogramme für die Kinder sind dementsprechend rar. Ein Widerspruch besteht in den meisten EU-Staaten zwischen dem Recht des Kindes auf Gewaltfreiheit und seinem Recht auf den Kontakt zu beiden Elternteilen. Letztgenanntes Recht wird in der Praxis zumeist als das Recht der Eltern bzw. des Vaters auf sein Kind interpretiert, wobei die Interessen des Kindes völlig übergangen werden. Frauen, die sich aufgrund von Gewalt von ihrem Partner trennten, müssen mit diesem Treffen zur Übergabe des Kindes vereinbaren und einhalten. Dies ist z.B. in Deutschland auch gegen den Willen des Kindes der Fall. Einer schwedischen Studie zufolge wird dem Vater bei Gewalt in der Familie das Erziehungsrecht sogar häufiger zugesprochen als ohne Gewalt.
Positiv ist der Trend zu bewerten, dass häusliche Gewalt strenger bestraft wird als noch vor Jahrzehnten. Manche Staaten wie Polen und Zypern bestrafen Gewalt gegen Angehörige sogar strenger als Gewalt gegen Fremde. Ob das wiederum als positiv gewertet werden kann, wage ich zu bezweifeln. Eine weitere positive Entwicklung ist in der verschärften Sanktionierung von Vergewaltigung zu sehen, wobei endlich auch Männer und Prostituierte als Opfer anerkennt werden. Die Vergewaltigung in der Ehe gilt jedoch nur in 12 Mitgliedsstaaten als ein Verbrechen, in Deutschland erst seit 1997. Dies hängt mit der traditionellen Auffassung zusammen, dass die sexuelle „Nutzung“ einer Frau das Vorrecht des Ehemannes darstelle. In der Gesamt-EU wird Gewalt gegen Frauen meist nicht angezeigt und es kommt dementsprechend nur zu wenigen Verurteilungen. In Hinblick auf häusliche Gewalt gilt es in vielen Staaten zu bemängeln, dass zugewanderte Ehepartner zwei Jahre lang mit ihrem Partner (der die Staatsbürgerschaft hat) verheiratet bleiben müssen, bis sie selbst die Staatsbürgerschaft erhalten, was sie in unzumutbare Abhängigkeit versetzt und sich für Frauen fatal auswirken kann.