Der 8. Mai 1945 gilt als Tag der Beendigung des Krieges in Europa und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. In Brandenburg und in Schleswig-Holstein ist der 8. Mai inzwischen offizieller Gedenktag. Er sollte ein Feiertag für jeden antifaschistischen und friedliebenden Menschen sein. Ein Statement von Erwin Kress, dem Vorstandssprecher des HVD Bundesverbandes.
In diesem Jahr steht der 8. Mai als wichtiger Gedenktag im Schatten der russischen Aggression in der Ukraine. Die Medien spekulieren seit Tagen, was Putin am 9. Mai, dem Tag, an dem Russland den Sieg über den deutschen Faschismus feiert, seinem Volk als aktuelle Siegestrophäe vorweisen wird. Den im Februar begonnenen Krieg gegen die Ukraine begründet Putin als "Spezialoperation" zur Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine: Die Ukraine würde von einem faschistischen Terrorregime geführt, das auch einen Völkermord gegen die russische Bevölkerung verübe.
Dieses Framing ist skurril, unhaltbar – und angesichts der wirklichen Opfer des Faschismus beschämend. Nein, der kriegerische Akt Russlands lässt sich nicht mit ein paar Nazis in der Ukraine oder mit einer eventuellen NATO-Osterweiterung legitimieren. Die Aggression und die Opfer, die sie fordert, darf mit diesem mehr als fragwürdigen Narrativ nicht relativiert werden. Tatsächlich verhält sich die russische Führung inzwischen selbst diktatorisch und faschistische Berater denken mit. Dürfte es sonst in Russland verboten sein, von "Krieg" zu sprechen? Würde sonst der letzte Rest von Pressefreiheit, Demonstrationsfreiheit und freier Meinungsäußerung verboten werden? Kann man innere und äußere Verhältnisse in einem System einfach voneinander trennen? Sicher nicht!
Von außen gesehen können wir uns nur wünschen, dass der Krieg schnellstmöglich beendet wird, Russland seine Truppen zurückzieht und seiner Verantwortung für die Kriegsfolgen gerecht wird. Leider ist hier jedoch kein "Tag der Befreiung" in Sicht. Manche befürchten die Ausweitung zu einem Weltkrieg oder gar Atomkrieg, sehen die Apokalypse vor sich. Sie wünschen sich, dass die Ukraine den Krieg beendet, kapituliert. Wir können aber nicht für die Menschen in der Ukraine sprechen. Wir sollen, so die Forderung derer, die einen weiteren Weltkrieg fürchten, zumindest keine Waffen liefern, um Russland nicht zu reizen. Dieses Argument halte ich für falsch. Wir dürfen nicht unsere Werte verleugnen, weil wir uns vor Putins Reaktion fürchten. Und eines ist klar: Appeasement-Politik hat die Pläne eines Großdeutschen Reiches im letzten Jahrhundert nicht behindert.
Wir werden heftig streiten und ausarbeiten müssen, wie die Friedens- und Sicherheitspolitik für unser Land und die Welt künftig aussehen kann und soll. Doch aktuell, da die Opfer des Aggressionskrieges sich verteidigen und verständlicherweise um unsere Hilfe bitten, dürfen wir nicht die Hände in den Schoß legen. Dazu muss man nicht einmal der Auffassung sein, dass Putin hier einen Krieg gegen unser freiheitliches System führt. Was jetzt zählt, ist Solidarität und Barmherzigkeit.
Erstveröffentlichung auf der Website des Humanistischen Verbands Deutschland.