Protest gegen die Todesstrafe

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Protest / Fotografien © Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) Am Brandenburger Tor war ein symbolischer Galgen aufgerichtet worden. Stellvertretend hingen vier lebensgroße Puppen an dem Querbalken. Ein Protest gegen die Hinrichtungen in Iran. Was man bisher nur aus Bildern kannten, eine Hinrichtungsszene, war plötzlich symbolisch sehr gegenwärtig und erschreckend. Mina Ahadi appellierte engagiert gegen die Todesstrafe.

Mittwoch ist stets der schwarze Tag. Am Mittwoch werden gewöhnlich die Todesurteile im Iran vollstreckt.

 

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Mina Ahadi und Sharam Roghani 
Sharam Roghani (B90/Die Grünen) hatte zur Demonstration am Mittwoch, dem 13. Januar 2010 aufgerufen: Gegen Hinrichtungen und politische Verfolgung in der Islamischen Republik Iran. Treffpunkt war am Nachmittag der Pariser Platz am Brandenburger Tor in Berlin.

Mina Ahadi, Vorsitzende und Sprecherin des Internationalen Komitees gegen Todesstrafe zieht die Schultern etwas ein und reibt sich im kalten Wind, der in den breiten Straßenachsen von Berlin-Mitte seine kalte Bahnen findet, wärmend die Hände. Seit zwanzig Jahren ist jeder Mittwoch für sie ein möglicher schwarzer Tag, an dem sie schaut, ob wieder Hinrichtungen in Iran stattfinden.

In Berlin waren nur überschaubar Wenige zum Protest gekommen. Sie lächelt, als bestätige sich ihr Eindruck, dass sich nur wenige in widrige Umstände begeben, um für das Leben von Todesurteilen bedrohter Menschen zu demonstrieren. Ein hoch über dem Platz kreisender Hubschrauber ließ eine größere Anzahl erwarten.

Sie zeigt zum Reichstag hinüber, in das Regierungsviertel, ihr vereinbarter Termin war wieder verschoben worden. Es berührt sie nicht mehr allzu sehr. Die deutschen Politiker? Sie zuckt mit den Schultern. Sie will die einfachen Menschen erreichen, die sich ansprechen und berühren lassen, die nicht in Terminkalendern, Wirtschaftsinteressen und globalen Verflechtungen denken und abwägen.

Seit dreißig Jahren ist die Todesstrafe per Gesetz im Iran zu Hause. „Todesstrafe ist ein staatlicher Mord an Menschen! Und das islamische Regime versucht seine Macht mit Hinrichtungen, mit Mord zu festigen.“ Aus der Sicht von Mina Ahadi findet seit Monaten eine Revolution im Iran statt, „eine Revolution gegen das islamische Regime, eine Revolution gegen islamische Gesetze und gegen die Todesstrafe, gegen Geschlechterapartheid und gegen Steinigungen. Millionen Menschen sind auf die Straßen gegangen, sie haben es satt, dieses islamische Regime, diese Hinrichtungen.“ Alle Gruppen, egal welcher politischer Richtung seien aufgerufen, gegen die Hinrichtungen zu protestieren.

„Ich bin schon mehrmals in Berlin gewesen. Ich habe mit vielen Politikern gesprochen, Mitgliedern des Menschenrechtsausschusses, mit dem Außenministerium und vielen anderen, mit CDU, mit SPD, mit Liberalen, mit den Grünen und mit der Linkspartei. Ich habe es satt, mit diesen Politikern zu reden, ich habe es satt, mit der Europäischen Regierung in Brüssel zu reden. Was ich immer wieder gesehen habe? Harte Augen, Gleichgültigkeit, alles egal. Sie machen Geschäfte, machen ihre eigene Politik, und immer wieder höre ich, wir haben leider gar keine Zeit.“

Aber Mina Ahadi hat mit ihren Mistreitern nicht den Mut verloren. „Ja, wir versuchen, unsere Kinder zu retten, ja, wir versuchen, weltweite Proteste zu organisieren. Mehrere sitzen jetzt in den Todeszellen. Mein Appell ist, versuchen auch Sie, mit den Politkern zu reden, versuchen auch Sie, Druck zu erzeugen.“

Mina Ahadi wird sehr persönlich, schildert die Anrufe von Familienmitgliedern von Inhaftierten, die sie mit ‚Tante Mina’ ansprechen, voller Zuversicht. „Mein Herz ist voll von diesen Erinnerungen, voll von diesen Stimmen, mit ihrer Hoffnung, dass wir alles tun, um ihnen zu helfen!“

Es ist für sie bitter, den Menschen im Iran sagen zu müssen, dass sie nicht auf die Hilfe der europäischen Regierungen bauen können. Aber, so fragt sie, „Was ist denn wichtiger, als Menschenleben zu retten?“ Sie ist sehr entschieden: „Die Todesstrafe ist die höchste Menschenrechtsverletzung! Was will man denn dem Menschen noch mehr nehmen, wenn man ihm das Leben nimmt? Todesstrafe ist keine Strafe, denn derjenige ist dann nicht mehr da. Er kann nichts mehr lernen. Todesstrafe ist staatlicher Mord.“

Sie ist sehr zuversichtlich. „In Iran gibt es eine Renaissance gegen die Todesstrafe. Wir sind alle betroffen. Wir haben alle Verwandte und Freunde verloren. Es gibt jetzt eine kritische Rede gegen die Todesstrafe im Iran, und das ist sehr wichtig. Das ist eine Chance für uns für die Zukunft.“

Mina Ahadi lächelt. „Wir sind stolz. Wir haben einige Menschen gerettet und wir haben mit anderen eine Kultur im Iran geschaffen, die die Todesstrafe verachtet, und das ist sehr wichtig in einem Land wie Iran.“

C.F.

 

Hinweis: Frank und Susan Navissi haben ein Interview mit Mina Ahadi (Auf deutsch und farsi) aufgezeichnet.