Demokraten müssen schweigen

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Foto: hofburg.com

WIEN. (hpd) 65 Jahre nach Auschwitz. Am Jahrestag der Befreiung untersagt die Wiener Polizei eine Gegendemonstration gegen den Ball des Wiener Korporationsrings in der Hofburg. Begründung: Eine angebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.

Die Polizei schützt Rechtsradikale. Demokraten müssen schweigen. Das am 65. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Nicht einmal die Sensibilität, sich einen anderen Tag auszusuchen, hatte die Wiener Polizei. Die Begründung lässt tief blicken: Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, wie der Linksblog schreibt.

Wenn Menschen mit demokratischer Gesinnung friedlich dagegen aufbegehren, dass Ewiggestrige in der Hofburg ihre rechtsradikalen Zwangsvorstellungen feiern dürfen, ist nach Meinung der Polizei die öffentliche Sicherheit gefährdet. Punktum. Man nehme das zur Kenntnis. Einzig eine weitere Interpretation bleibt: Die Wiener Polizei sieht sich außerstande, bei einer Demonstration die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Eine Bankrotterklärung der Exekutive. Über Haus- und Wohnungseinbrüche sollen die Beamten nicht mehr groß sudern, wenn sie nicht einmal imstande sind, diese Aufgabe zu bewältigen.

Entweder ist die Polizei inkompetent oder sie betrachtet Demokratie als Sicherheitsrisiko. Die latente Gefahr der Wiederbetätigung, die bei Burschenschafter-Veranstaltungen immer wieder von Einzelnen ausgeht, ist offenbar kein Sicherheitsrisiko. Aus juristischen Gründen und nur aus diesen füge ich hinzu: Ich behaupte nicht, dass die Organisationen Aktivitäten nach dem Verbotsgesetz unterstützen. Nur, dass sie immer wieder Nazis in ihren Reihen haben. Und, dass bei den Aktivitäten mancher Burschenschaften die Grenze zwischen gerade noch und gerade nicht mehr Legalem verschwimmt. Der Polizei ist das egal. Es ist ihr auch egal, dass die Rechtsradikalen schwer bewaffnet an ihrer Veranstaltung teilnehmen. Sie tragen Schläger, wie die Fecht- und Verstümmelungsinstrumente in rechten Kreisen heißen. Ohne diese Waffe fühlen sie sich nicht männlich. Die dürfen diese zweifelhaften Gestalten offen tragen. Demokraten dürfen nicht einmal ein Flugblatt in die Hand nehmen. So weit haben wir's gebracht.

Das Recht auf Ballvergnügen gibt es nicht

Das Demonstrationsrecht ist ein demokratisches Grundrecht. Es ist in der Bundesverfassung mehrfach verankert. Das zählt für die Polizei weniger als das verfassungsmäßig nicht verankerte Recht, sich auf Bällen zu vergnügen. Rechtsradikale bekommen Polizeischutz, Demokraten dürfen nicht einmal in der Kälte demonstrieren. 65 Jahre nach Auschwitz. Gelernt hat man offenbar wenig.

Bleibt zu hoffen, dass die Verwaltungsbeschwerde rechtzeitig Erfolg hat. Und wenn nicht, dass sich die leider immer weniger werdenden Demokraten in diesem Land nicht einschüchtern lassen und am Freitag trotzdem auf die Straße gehen. Es wird an den Organisatoren des Widerstands liegen. Deren erste Stellungnahmen lassen hoffen, dass sie nicht klein bei geben werden.

Den Opfern der Shoa gewidmet

Abseits dieser bedenklichen aktuellen Entwicklung fühle ich mich verpflichted am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz-Birkenau verpflichtet, der Opfer der Shoa zu gedenken und an den Terror eines verbrecherischen Regimes zu erinnern, für den keine Sprache dieser Welt einen Ausdruck besitzt, der auch nur annähernd wiedergeben könnte, was Abermillionen angetan wurde.

Den Opfern und den Überlebenden sei dieses Lied gewidmet, vor allem den oft vergessenen jüdischen Partisaninnen und Partisanen Osteuropas, die unvergleichlichen Mut im Kampf um Leben und Freiheit bewiesen haben. Geschrieben wurde das "Partizaner Lid" von dem Dichter und Widerstandskämpfer Hirsch Gli(c)k, der im Alter von 22 Jahren vermutlich im August 1944 bei Vilnius erschossen wurde, nachdem er aus dem Konzentrationslager geflohen war.

Das "Partizaner Lid" (You Tube)

Ich würde an dieser Stelle gerne schreiben, wir können garantieren, dass es niemals wieder passiert. Leider hat Bert Brecht Recht behalten, als er schrieb: Der Schoss ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.

Christoph Baumgarten