"Antifaschismus" und "Faschismus" können als Konzepte den politischen Rechtsruck schwerlich erfassen, sind sie doch mit diffusen Inhalten und problematischen Kontexten verbunden. "Autoritarismus" und "Extremismus" erfassen als Kategorien besser, was die gegenwärtige Bedrohung der Demokratie zu einer neuen Herausforderung macht. Ein Kommentar von Armin Pfahl-Traughber.
"Alerta, alerta, antifascista" oder "Alle. Gemeinsam. Gegen den Faschismus": Nicht nur bei Demonstrationen hört man häufig diese Parolen, die meist gegen die AfD als rechtsextremistische Partei gerichtet sind. Angesichts deren Auffassungen und Erfolge sind aus demokratietheoretischen Gründen solche Proteste mehr als nur nötig. Doch passen die kursierenden Bezeichnungen mit Faschismusbezug auch zu dem Gemeinten? Oder geht es um ein politisches Schlagwort mit unreflektierten Zuordnungen? Leider kann eher die letztgenannte Frage bejaht werden, was auch mit kursierenden schiefen Deutungen zusammenhängt. Eine kritische Betrachtung dazu steht nicht für eine akademische Frage im schlechten Sinne des Wortes. Denn derartige Bekundungen beinhalten nicht nur eine oberflächliche Einordnung, sie zeichnen auch ein grobes Bild mit schiefen Konturen. Dadurch wird eine aktuelle Entwicklung im Lichte historischer Vorstellungen gesehen, womit aber die neue Dimension einer alten Gefahr nicht stärker wahrgenommen wird.
Die Begründung für diese Deutung setzt beim Faschismusbegriff ein: Die einschlägige Forschung hat über die Jahrzehnte hinweg nicht zu einem Konsens gefunden, kursieren doch die unterschiedlichsten Auffassungen zu den Erscheinungsformen des Faschismus. Man differenziert mal eine Bewegungs- und mal eine Systemphase, man blickt mal nur auf die Ideologie und mal ebenso auf die Praxis, man rechnet mal zum Faschismus den Nationalsozialismus dazu und man lehnt dies angesichts der Shoah mal ab. Keiner der bisherigen Deutungsansätze konnte wirklich überzeugen, allenfalls lässt sich von einem eher allgemeinen Konsens sprechen. Dabei geht es um die Ausrichtung an einem von Erlösungsdenken geprägten Nationalismus, der auf die Etablierung eines "totalen Staates" abzielt, wobei dafür die Existenz gewaltorientierter paramilitärischer Gruppen relevant ist. Einige dieser Eigenschaften treffen auch auf aktuelle Phänomene zu, gleichwohl lässt sich für das Gemeinte kaum eine Gleichsetzung begründen.
Auch "Antifaschismus" ist kein unproblematischer Begriff, blickt man auf die Geschichte seiner politischen Verwendung. Zunächst bedienten sich die demokratischen Gegner des Mussolini-Regimes dieses Terminus. Danach gab es aber eine Begriffsaneignung von der anderen antidemokratischen Seite: Die stalinistische KPD der Weimarer Republik steht für diesen Zusammenhang, beschwor sie doch eine Diktatur von links und sprach vom "Sozialfaschismus" der SPD. Bekanntlich gehörte der "Antifaschismus" auch für die DDR-Diktatur zur Herrschaftslegitimation, was nicht nur die Bezeichnung der Mauer als "antifaschistischen Schutzwall" bezeugt. Heutige Antifa-Gruppen fallen mitunter durch brutale Gewaltakte gegen angebliche oder tatsächliche Rechtsextremisten auf. All das hat "Antifaschismus" als Bezeichnung demokratietheoretisch wie moralisch diskreditiert. Grundsätzlich sei auch betont: Nicht "Antifaschismus" gilt als Gegensatz zum Faschismus, sondern Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit miteinander kombiniert.
Es gibt viele engagierte und kenntnisreiche "Antifaschisten", die sich aber nur selten mit der bedenklichen Dimension ihres politischen Selbstverständnisses beschäftigen. Kritische Anmerkungen dazu werden häufig als Einwände gegen einschlägiges Engagement fehlgedeutet. Darum geht es den vorliegenden Ausführungen aber gar nicht, wollen sie doch zunächst die begrifflichen Selbstverständlichkeiten hinterfragen. Ein weiterer Aspekt bezieht sich dann auf die Frage, welche analytischen Qualitäten den Termini eigen sind. Denn die aktuell relevanten Gefahren gehen nicht von offen antidemokratischen Kräften mit paramilitärischen Schlägertrupps aus. Die Gemeinten geben sich formal gemäßigt und pflegen ein bürgerliches Image, während sie demokratische Institutionen von innen heraus nach Wahlerfolgen demontieren wollen. Die analytische Erfassung dieses Gefahrenpotentials erfolgt nicht, wenn man bei "Faschismus" als politischem Schlagwort stehen bleibt.
Als Alternativen bieten sich "Autoritarismus" und "Extremismus" als Kategorien an. Der erstgenannte Begriff stellt darauf ab, dass eine pluralistische Demokratie ersetzt werden soll. Es geht dabei um eine identitäre Auffassung als jeweiliges Gegenmodell, das politische Homogenität zur konstitutiven Maxime erklärt. Zwar würden Akteure eines neuen Autoritarismus auf eine formale Legitimation durch Wahlen verweisen. Gleichzeitig wäre deren Durchführung mit diversen Einschränkungen verbunden, etwa bezogen auf die Eigenständigkeit der Justiz, aber auch die Freiheit der Medien oder die Rechte oppositioneller Strömungen. Autoritarismus wäre für einschlägige Entwicklungen das jeweilige Ergebnis. Da hierbei die Basiswerte moderner Demokratie negiert werden, lassen sich derartige Entwicklungen mit einem neuen Extremismusverständnis gut erfassen. Dem ist eine demokratietheoretische Basis eigen, die eine antidemokratische Instrumentalisierung ausschließt. Der gegenwärtige Demokratieschutz hätte dadurch eine klare Grundlage.
Der Autor hat in den letzten Jahren zahlreiche Publikationen zum Thema vorgelegt. Als Bücher seien genannt:
- "Rechtsextremismus in Deutschland. Eine kritische Bestandsaufnahme", Wiesbaden 2019
- "Die AfD und der Rechtsextremismus. Eine Analyse aus politikwissenschaftlicher Sicht", Wiesbaden 2019
- "Intellektuelle Rechtsextremisten. Das Gefahrenpotential der Neuen Rechten", Bonn 2022
- "Politische 'Klassiker' der Neuen Rechten. Antidemokratische Denker in der Weimarer Republik", Bonn 2025

10 Kommentare
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Kommentare
A.S. am Permanenter Link
Herr Prof. Pfahl-Traughber hat völlig recht: Die Gefahr für die Demokratie kommt von Innen, durch Aushöhlung und Unterwanderung der Demokratischen Institutionen.
Für mich ist der Gegensatz: Autoritär versus demokratisch-liberal.
Zur autoritären Seite gehören mMn rechts-Autoritäre, links-Autoritäre, Umwelt-Autoritäre und religiöse-Autoritäre gleichermaßen.
Paul Schmidt am Permanenter Link
Als regelmässiger Leser des hpd kenne ich Ihre hunderte (oder tausende?) Kommentare und kann über Sie nur eins sagen: Sie sind ein Rechter.
Bedauerlich, dass ein Rechter zu einem Autoren des hpd sagen kann, Zitat A.S.: "Herr Prof. Pfahl-Traughber hat völlig recht" - was ist da los?
Sascha Larch am Permanenter Link
Man kann über die Kommentare des A.S. sicher geteilter Meinung sein, aber wie bitte kommen Sie auf die Idee er (oder sie?) sei ein "Rechter"...?
Emil Escher am Permanenter Link
"Linksgrüne" schreibt A.S. in seinem Verteidigungskommentar, unten: wie finden Sie dieses Wort? Ich kenne es als Kampfbegriff, im Sprachgebrauch von Rechten. A.S.
"Man kann über die Kommentare des A.S. sicher geteilter Meinung sein": Welcher Meinung sind Sie denn über die Kommentare von A.S.?
A.S. am Permanenter Link
Ich sehe mich als Freidenker. Das heißt, ich versuche mir meine eigenen Gedanken zu machen. Dabei strebe ich nicht nach einem geschlossenen Weltbild, sondern nach Realitätsnähe.
Ich sehe, dass diverse Sektenführer ebenfalls nach Macht und Geld in dieser Welt streben.
Ich sehe, wie religiöse Führer ihre Gläubigen ausbeuten.
Ich sehe, wie die Religionen die Unterdrückung von Frauen legitimieren.
Ich sehe, wie religiöse Führer zu Kriegen aufgerufen haben und heute noch aufrufen.
Ich sehe, wie der Wiederauferstehungsglaube militärisch genutzt wird, um Kriegern die Todesangst zu nehmen.
Ich sehe, aus welchen Zeiten die Religionen stammen.
Religion dient einzig und allein der Macht der Priester/Prediger/Götterverkünder.
"Gottes-Staat" bedeutet in der Praxis immer "Priester-Diktatur".
Wie bescheuert muss man sein, um als "Linke" den Islam zu verteidigen?
A.S. am Permanenter Link
Lieber Herr Schmidt,
In meinen Augen ist der Islam genauso abscheulich wie das Christentum und das Judentum. Religion ist autoritäre Schei.. , die uns von Kindesbeinen an indoktriniert wird.
Ich spreche aber keinem Christen, Juden oder Moslem sein Recht auf Leben ab. Ich lasse leben, will aber auch selber angstfrei leben können.
Mir scheint, Ihnen bei ist alles "rechts", was nicht Ihrer Meinung ist.
Viele Linksgrüne sind leider der demagogisch genial gemachten Vokabel vom "antimuslimischen Rassismus" auf den Leim gegangen.
Religion hat nichts mit Rasse zu tun, sondern viel mit Psychologie und Indoktrination. Höhere Wesen sind da nicht im Spiel, nur Spiegelbilder unserer eigenen Psyche.
Detlef Kleine am Permanenter Link
Beide Worte - Autoritarismus und Extremismus - halte ich in Fachdiskussionen für aussagekräftig, allerdings in öffentlichen Diskursen für schwierig.
Arnulf Hopf am Permanenter Link
Ich stimme dir zu, dass auch Begrifflichkeiten in den politischen Diskussionen aussagekräftig und sogar phonetisch gut zu gebrauchen sein müssen.
Das gelingt dem Vorschlag von Pfahl-Traughber sehr viel sicherer.
Anke Heitland am Permanenter Link
Endlich. Auch wenn ich inhaltlich den Thesen, Kritiken, etc.
Christian Meißner am Permanenter Link
Der Begriff "Faschismus", der sich ja ursprünglich lediglich auf eine undemokratische Regierungsform im Italien des 20.
Kaum jemand nennt sich heutzutage noch selbst so. Wo auch immer im politischen Spektrum die "Faschisten" verortet werden: Der Begriff markiert in erster Linie den jeweiligen politisch-ideologischen Gegner und dient damit dem Framing der eigenen politischen Agenda sowie folglich der massenpsychologischen Mobilisierung der eigenen Klientel.
Im Sprachgebrauch der ehemaligen DDR galt bis in die 70er-Jahre hinein noch jeder Westdeutsche - unabhängig ob CDU-, FDP- oder SPD-Anhänger - als "Faschist", weil als ein Repräsentant des "feindlichen" Systems. Erst im Zuge der ost-westdeutschen Annäherung änderte sich das. Man darf vermuten, dass die Weglassung des Begriffs damals zum Abbau von Feindbildern bei der nächsten Generation von Ostdeutschen beitrug und somit ein Wegbereiter für die Deutsche Einheit war.