Eine Aufforderung zur kritischen Selbstreflektion

"Antifaschismus" und "Faschismus" sind unbrauchbare Konzepte gegen den politischen Rechtsruck

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Antifablock auf einer Demonstration in Berlin
Antifablock auf einer Demonstration in Berlin

"Antifaschismus" und "Faschismus" können als Konzepte den politischen Rechtsruck schwerlich erfassen, sind sie doch mit diffusen Inhalten und problematischen Kontexten verbunden. "Autoritarismus" und "Extremismus" erfassen als Kategorien besser, was die gegenwärtige Bedrohung der Demokratie zu einer neuen Herausforderung macht. Ein Kommentar von Armin Pfahl-Traughber.

"Alerta, alerta, antifascista" oder "Alle. Gemeinsam. Gegen den Faschismus": Nicht nur bei Demonstrationen hört man häufig diese Parolen, die meist gegen die AfD als rechtsextremistische Partei gerichtet sind. Angesichts deren Auffassungen und Erfolge sind aus demokratietheoretischen Gründen solche Proteste mehr als nur nötig. Doch passen die kursierenden Bezeichnungen mit Faschismusbezug auch zu dem Gemeinten? Oder geht es um ein politisches Schlagwort mit unreflektierten Zuordnungen? Leider kann eher die letztgenannte Frage bejaht werden, was auch mit kursierenden schiefen Deutungen zusammenhängt. Eine kritische Betrachtung dazu steht nicht für eine akademische Frage im schlechten Sinne des Wortes. Denn derartige Bekundungen beinhalten nicht nur eine oberflächliche Einordnung, sie zeichnen auch ein grobes Bild mit schiefen Konturen. Dadurch wird eine aktuelle Entwicklung im Lichte historischer Vorstellungen gesehen, womit aber die neue Dimension einer alten Gefahr nicht stärker wahrgenommen wird.

Die Begründung für diese Deutung setzt beim Faschismusbegriff ein: Die einschlägige Forschung hat über die Jahrzehnte hinweg nicht zu einem Konsens gefunden, kursieren doch die unterschiedlichsten Auffassungen zu den Erscheinungsformen des Faschismus. Man differenziert mal eine Bewegungs- und mal eine Systemphase, man blickt mal nur auf die Ideologie und mal ebenso auf die Praxis, man rechnet mal zum Faschismus den Nationalsozialismus dazu und man lehnt dies angesichts der Shoah mal ab. Keiner der bisherigen Deutungsansätze konnte wirklich überzeugen, allenfalls lässt sich von einem eher allgemeinen Konsens sprechen. Dabei geht es um die Ausrichtung an einem von Erlösungsdenken geprägten Nationalismus, der auf die Etablierung eines "totalen Staates" abzielt, wobei dafür die Existenz gewaltorientierter paramilitärischer Gruppen relevant ist. Einige dieser Eigenschaften treffen auch auf aktuelle Phänomene zu, gleichwohl lässt sich für das Gemeinte kaum eine Gleichsetzung begründen.

Auch "Antifaschismus" ist kein unproblematischer Begriff, blickt man auf die Geschichte seiner politischen Verwendung. Zunächst bedienten sich die demokratischen Gegner des Mussolini-Regimes dieses Terminus. Danach gab es aber eine Begriffsaneignung von der anderen antidemokratischen Seite: Die stalinistische KPD der Weimarer Republik steht für diesen Zusammenhang, beschwor sie doch eine Diktatur von links und sprach vom "Sozialfaschismus" der SPD. Bekanntlich gehörte der "Antifaschismus" auch für die DDR-Diktatur zur Herrschaftslegitimation, was nicht nur die Bezeichnung der Mauer als "antifaschistischen Schutzwall" bezeugt. Heutige Antifa-Gruppen fallen mitunter durch brutale Gewaltakte gegen angebliche oder tatsächliche Rechtsextremisten auf. All das hat "Antifaschismus" als Bezeichnung demokratietheoretisch wie moralisch diskreditiert. Grundsätzlich sei auch betont: Nicht "Antifaschismus" gilt als Gegensatz zum Faschismus, sondern Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit miteinander kombiniert.

Es gibt viele engagierte und kenntnisreiche "Antifaschisten", die sich aber nur selten mit der bedenklichen Dimension ihres politischen Selbstverständnisses beschäftigen. Kritische Anmerkungen dazu werden häufig als Einwände gegen einschlägiges Engagement fehlgedeutet. Darum geht es den vorliegenden Ausführungen aber gar nicht, wollen sie doch zunächst die begrifflichen Selbstverständlichkeiten hinterfragen. Ein weiterer Aspekt bezieht sich dann auf die Frage, welche analytischen Qualitäten den Termini eigen sind. Denn die aktuell relevanten Gefahren gehen nicht von offen antidemokratischen Kräften mit paramilitärischen Schlägertrupps aus. Die Gemeinten geben sich formal gemäßigt und pflegen ein bürgerliches Image, während sie demokratische Institutionen von innen heraus nach Wahlerfolgen demontieren wollen. Die analytische Erfassung dieses Gefahrenpotentials erfolgt nicht, wenn man bei "Faschismus" als politischem Schlagwort stehen bleibt.

Als Alternativen bieten sich "Autoritarismus" und "Extremismus" als Kategorien an. Der erstgenannte Begriff stellt darauf ab, dass eine pluralistische Demokratie ersetzt werden soll. Es geht dabei um eine identitäre Auffassung als jeweiliges Gegenmodell, das politische Homogenität zur konstitutiven Maxime erklärt. Zwar würden Akteure eines neuen Autoritarismus auf eine formale Legitimation durch Wahlen verweisen. Gleichzeitig wäre deren Durchführung mit diversen Einschränkungen verbunden, etwa bezogen auf die Eigenständigkeit der Justiz, aber auch die Freiheit der Medien oder die Rechte oppositioneller Strömungen. Autoritarismus wäre für einschlägige Entwicklungen das jeweilige Ergebnis. Da hierbei die Basiswerte moderner Demokratie negiert werden, lassen sich derartige Entwicklungen mit einem neuen Extremismusverständnis gut erfassen. Dem ist eine demokratietheoretische Basis eigen, die eine antidemokratische Instrumentalisierung ausschließt. Der gegenwärtige Demokratieschutz hätte dadurch eine klare Grundlage.

Der Autor hat in den letzten Jahren zahlreiche Publikationen zum Thema vorgelegt. Als Bücher seien genannt:

  • "Rechtsextremismus in Deutschland. Eine kritische Bestandsaufnahme", Wiesbaden 2019
  • "Die AfD und der Rechtsextremismus. Eine Analyse aus politikwissenschaftlicher Sicht", Wiesbaden 2019
  • "Intellektuelle Rechtsextremisten. Das Gefahrenpotential der Neuen Rechten", Bonn 2022
  • "Politische 'Klassiker' der Neuen Rechten. Antidemokratische Denker in der Weimarer Republik", Bonn 2025

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