Der Mit-Herausgeber des Merkur, Wolfgang Bergsdorf, sagte 2008 in einem Interview: „Das Blatt [...] ist die einzige Wochenzeitung in Deutschland, die als säkulares Medium den Kirchen zugewandt ist. Die katholische Kirche, die das Blatt im Wesentlichen subventioniert, und die evangelische Kirche kommen darin mit ihren Anliegen, mit ihren Informationen in gleicher Weise zu Wort. Das ist etwas, das man in keinem anderen Medium in Deutschland findet. Deswegen ist nach meiner Einschätzung, nach meinem Urteil der “Rheinische Merkur” ziemlich einmalig und auch unverzichtbar.“
Damit wird man künftig legitim argumentieren dürfen, dass von den Kircheneinnahmen nur etwa 5 Prozent direkt für soziale Zwecke ausgegeben werden. Der Anteil an den Kirchensteuern, die ja nur einen Teil der Kircheinnahmen dürfte noch entsprechend geringer sein.
Kirchenaustritte entlasten die Allgemeinheit
Bereits mit der bisherigen Angabe von 10 Prozent ergab sich der Effekt, dass die Allgemeinheit finanziell von Kirchenaustritten profitiert: Denn während von der gezahlten Kirchensteuer nur 10 Prozent der Allgemeinheit zugute kommen, fließen von der eingesparten Kirchensteuer im Schnitt etwa 33 Prozent an den Staat – weil die gesparte Kirchensteuer ja besteuert wird.
Mit der neuen Angabe von 5 Prozent führt das dazu, dass von einem Euro gezahlter Kirchensteuer rechnerisch etwa 5 Cent direkt für soziale Zwecke ausgegeben werden, während von einem „gesparten“ Kirchensteuer-Euro etwa 33 Cent der Allgemeinheit zugute kommen.
Einem Beispiel der EKD zufolge könnte der Bundesfinanzminister (wenigstens bei Gutverdienern) – ähnlich wie der Rheinische Merkur für den Abschluss eines Abonnements – ein Netbook als Prämie für den Kirchenaustritt ausloben und immer noch von den Kirchenaustritten profitieren.
Thielmanns „Faustformel“
Thielmann erwähnt aber auch eine „Faustformel“, derzufolge sich jeder Kirchensteuer-Euro „verdreifachen“ soll. Selbst, wenn das so wäre, würde die Allgemeinheit immer noch von Kirchenaustritten profitieren, denn in dem obigen Beispiel würden dann wertmäßig 15 Cent aus der Kirchensteuer sozialen Zwecken zugute kommen, während dem nach wie vor die 33 Cent gegenüber stehen, die der Staat von der gesparten Kirchensteuer profitiert – und die er zur Kompensation der kirchlichen Zahlungen einsetzen könnte, ja müsste.
Wenn jetzt eingewendet wird, dass der Staat die „kirchenaustrittbedingten“ Steuern aber nicht – oder jedenfalls nicht komplett – für soziale Zwecke einsetzt (hier im engeren Sinne gemeint, denn grundsätzlich entlastet ja jeder vom Staat zusätzlich eingenommene Euro die Allgemeinheit), so trifft dieser Einwand die falschen: Die Politik muss nämlich diesen Umstand endlich zur Kenntnis nehmen und entsprechend handeln. Es ist nicht die Schuld der Konfessionsfreien, wenn die Mehreinnahmen des Staates aufgrund von Kirchenaustritten nicht zum Ausgleich für abnehmendes Engagement der Kirchen bei sozialen Dienstleistungen eingesetzt werden.
Diese Kritik also bitte nicht an mich, sondern an unsere Volksvertreter.