Die Weimarer Verfassung hat in Artikel 138 die Ablösung dieser Staatsleistungen durch die Landesgesetzgebung nach Vorschriften des Reiches verfügt. Obwohl dieser Verfassungsauftrag über Artikel 140 GG in das Bonner Grundgesetz übernommen wurde, ist er bis heute nicht eingelöst. Für eine Normenkontrollklage zu dessen Durchsetzung bestand nie eine parlamentarische Mehrheit. Obendrein ist nach wie vor das mit Hitler vereinbarte Reichskonkordat von 1933 in Kraft, welches für diese Einlösung ein „freundschaftliches Einvernehmen“ vorschreibt. Das Empörende an der Beibehaltung des Reichskonkordates ist dessen Zustandekommen nach dem Ermächtigungsgesetz, welches Hitler endgültig zum Diktator machte. In diesem Vertrag ist auch der Status des katholischen Religionsunterrichtes als ordentliches Lehrfach geregelt. Zu dessen Abschaffung wären aber nicht nur die Kündigung des Konkordates, sondern auch die schwierigere Änderung des Grundgesetzes (Art.7 Abs.3) notwendig.
Die auf das 19. Jahrhundert zurückgehenden Ansprüche sind aber nur ein kleiner Teil der direkten staatlichen Zuwendungen von insgesamt 9 Milliarden Euro. Die größten Posten sind hier die staatliche Finanzierung kirchlicher Kindergärten (2,5 Milliarden), Zuschüsse für konfessionelle Schulen (1,94 Mrd.) und Kosten des Religionsunterrichts (1,37 Mrd.). Da die hier tätigen Berufsgruppen dem kirchlichen Dienstrecht unterworfen sind oder die kirchliche „Vocatio“ benötigen (Religionslehrer), sind die Betroffenen oft zur Zwangsmitgliedschaft in den Kirchen gehalten, weil ein Kirchenaustritt den Stellenverlust bedeutet. Auch Verstöße gegen die katholische Moral (Wiederverheiratung Geschiedener) sind ein Arbeitsplatzrisiko. Wenn Religionslehrer oder Theologieprofessoren ihre Lehrbefugnis verlieren, hat der Staat das Nachsehen. Er muss jetzt sowohl den unkündbaren Lehrer als auch dessen Ersatz besolden.
Zu diesen Leistungen kommen noch indirekte Zuwendungen und Begünstigungen der Kirchen, die mit einem Einnahmenverzicht des Staates einhergehen und vom Referenten auf 7,5 Milliarden Euro beziffert werden. Hierzu gehören knapp 3,5 Milliarden Euro durch die Absetzbarkeit der Kirchensteuer als Sonderausgabe, 2,69 Milliarden „Steuerbefreiungen für die verfasste Kirche“ sowie 664 Millionen für den Aufwand zur Erhebung der Kirchensteuer.
Zu diesen Zuflüssen von insgesamt 16,5 Milliarden kommen noch die Kirchensteuern (10 Milliarden) und Vermögenserträge (5 Milliarden) hinzu. Die Rechtsgrundlage für die Erhebung der Kirchensteuer ist ebenfalls das durch Art.140 GG gültige Segment der Weimarer Verfassung. Auch hier sorgte die katholische Kirche ebenfalls für zusätzliche Absicherung im Konkordat. Das Reichskonkordat wurde übrigens von dem päpstlichen Nuntius Pacelli, dem späteren Papst Pius XII., ausgehandelt. Er hatte auch durch entsprechenden Zuspruch an die katholische Zentrumspartei die notwendige Zweidrittelmehrheit für das Zustandekommen des Ermächtigungsgesetzes mit- bewirkt. Die staatliche Finanzierung der Caritas und Diakonie sind in all diesen Zahlen noch nicht enthalten, dazu hat Dr. Frerk, wie bereits erwähnt, ein eigenes Buch verfasst („Caritas und Diakonie in Deutschland“, Alibri Verlag, 2005).
In der abschließenden Diskussion mit dem zahlreich erschienenen Publikum gab der Referent der Zuversicht Ausdruck, dass die deutsche Rückständigkeit hinsichtlich der nicht vollzogenen Trennung von Kirche und Staat in Zukunft mehr Aufmerksamkeit erhalten wird. Hierbei sei natürlich mit bitterem Widerstand der Kirchen zu rechnen, denn letzten Endes gehe es hier um Finanzen und Überlebensstrategien.
Die Säkularen Humanisten Rhein-Main treffen sich wieder in Frankfurt am Main, am 21.05.2009 um 19:00 Uhr, im 2. Stock des Club Voltaire, in der Kleinen Hochstraße Nr. 5. Der nächste Termin der Vortragsreihe ist am 07.05.2010 um 19:30 Uhr, siehe hierzu auf www.saekulare-humanisten.de.