Der rätselhafte Tod des René Descartes

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Buchtitel: Alibri

(hpd) Ja, und? dachte ich, als ich das Buch erstmals in den Händen hielt, was soll ich mit Descartes? Und schob die Lektüre vor mir her. Irgendwann jedoch schlug ich es auf und es schlug mich direkt in den Bann: Wie ein Krimi liest sich Theodor Eberts Untersuchung des 360 Jahre zurückliegenden Mordes am berühmten Philosophen.

Wie, warum und von wem wurde Descartes getötet? Ebert geht akribisch vor, er untersucht sämtliche verfügbaren Schriften in diversen Sprachen, geht auf die Texte anderer Autoren ein, die sich bereits mit der Frage befasst haben und kommt zu neuen Ergebnissen. Zunächst erklärt der Autor die geschichtlichen Hintergründe der 1650er: Schwedens Königin Christina war zu dieser Zeit noch Protestantin, konvertierte jedoch einige Jahre später zum Katholizismus. Der Dreißigjährige Krieg, in dem es um Hegemonialmacht und katholische versus protestantische Religion ging, war zwei Jahre zuvor zu Ende gegangen. Es bestanden Pakte zwischen den Ländern und Religionen, die auch den schwedischen Hof betrafen.

Descartes befand sich 1650 in Stockholm im Hause eines befreundeten Botschafters, Chanut, nachdem er sich zweimal mit Schwedens Königin Christina getroffen hatte. Dort starb er am 11. Februar 1650 nach einer zehntägigen Erkrankung, angeblich einer Lungenentzündung. Anhand von Briefen und fehlenden (!) Aussagen vor allem in Briefen des Botschafters Chanut, des Assistenten von Descartes, Heinrich Schlüter, der Königin Christina, des königlichen Leibarztes van Wullen und des katholischen Priesters Viogués sowie deren Aktionen in den auf den Tod Descartes’ folgenden Jahren zieht Ebert einleuchtende, nachvollziehbare Schlüsse. Er weist außerdem nach, dass bereits kurz nach dem Ableben des Philosophen die wahre Todesursache durch die – aus unseren Augen verschleierte – Form der Berichte und Aufarbeitung für damalige Zeitgenossen recht eindeutig gewesen sein muss.

Wie wurde Descartes getötet? Bereits zu Beginn seiner Ausführungen erläutert Ebert, dass eine Vergiftung mit Arsen das Mittel der Wahl gewesen sein dürfte: Zum einen war es leicht verabreichbar, hochgiftig und seinerzeit weit verbreitet, um unliebsame Zeitgenossen aus dem Weg zu räumen. Am päpstlichen Hof der Borgia waren Giftmorde ein offenes Geheimnis. Zum anderen schilderten die Zeugen, die den Philosophen in seinen letzten Tagen begleiteten, Symptome wie auch versuchte Gegenmaßnahmen, welche ebenfalls augenfällig in diese Richtung weisen.

Doch wem war Descartes im Weg und warum? Hm, für die Demaskierung des konkreten Täters mag man das Buch lesen. Der Grund, aus dem er wohl ermordet wurde, war die potenzielle Konversion zum Katholizismus von Schwedens Königin Christina, der Descartes als Katholik, der naturwissenschaftliche Philosophien verbreitete und der nicht an die Transsubstantiation glaubte, durch eine vergleichsweise (für uns heute lachhafte) kritische Haltung im Wege hätte stehen können. Die strikte Trennung von Vernunft und Glauben, für die Descartes eintrat, war nicht mit der kirchlichen Lehre vereinbar. Darüber hinaus wurden seine Werke 13 Jahre nach seinem Tod, 1663, auf den Index librorum prohibitorum gesetzt. Descartes stand nach katholischer Kirchenlehre dem Protestantismus, gar dem Atheismus sehr nah. Grund genug, ihn zu ermorden.

In der genauen, nüchternen und sachlichen Vorgehensweise, in der Ebert seine Mordthese untersucht, geht unter, wie sehr Descartes in seinen letzten Tagen gelitten haben muss: Er hat nicht mehr essen können, sein Blut wurde gelb, er erbrach sich, bekam Schüttelfrost und litt unter Atemnot sowie unter starken Schmerzen vor allem im Brustraum. Sein Mörder besuchte ihn in dieser Zeit mindestens einmal und legte scheinbar noch eine Dosis nach. Das Sterben des René Descartes muss entsetzlich gewesen sein.

Der rätselhafte Tod des René Descartes ist nicht nur wissenschaftlich interessant: Ebert gelingt es, 360 Jahre nach einem Mord diesen plausibel nachzuweisen, indem er sämtliches Material, das zur Verfügung steht, quasi von allen Seiten inspiziert - das ist faszinierend und streckenweise hoch spannend. Eine lohnende Lektüre.
 

Fiona Lorenz
 

Theodor Ebert: Der rätselhafte Tod des René Descartes. Alibri, 2009, 236 Seiten, Abbildungen, kartoniert, € 16.-

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