Niederlande. (hpd) Peter Nissen, Professor für Kulturgeschichte der Religiosität an der Fakultät für Religionswissenschaft der Radboud University Nijmegen, hat dem Papst in einem Brief einen Ratschlag übermittelt.
Heiliger Vater,
Sie sehen, ich weiß noch, wie es sich gehört. "Heiliger Vater", so werden Sie in Ihrer Kirche angesprochen, die lange auch meine war. Letzteres interessiert Sie: Ich spreche in der Vergangenheit. Mit dieser Institution, die Sie leiten, hatte ich schon ganz viel zu schaffen. Ich zitiere gern den ehemaligen Staatssekretär Frans Timmermans, der vor anderthalb Monaten, in der Fernsehsendung „Buitenhof“ über den Katholizismus sagte: "Er ist mein Glauben, nur selten meine Kirche."
"Heiliger Vater", ist einer der vielen Titel, die Ihre Vorgänger im Laufe der Jahrhunderte gesammelt haben. Es war anfänglich die Anrede für jeden Bischof, aber allmählich eignete sich der Bischof von Rom das Monopol auf diesen Titel an. Er führte noch andere Titel für sich ein. "Stellvertreter Christi" ist so einer, „Vicarius Christi" in Latein. Ganz schön: Es war ein römisches Kirchentreffen, das kurz vor dem Jahr 500 zum ersten Mal diesen Titel für Ihren Vorgänger Gelasius I. verwendete. Und der Bischof von Rom ließ sich das gerne gefallen. Man muss es nur wagen, sich selbst als Stellvertreter Jesu Christi zu benennen. Bescheidenheit ziert den Menschen.
Im Jahr 1870 ließ Ihr Vorgänger Pius IX., der am längsten amtierende Papst in der Kirchengeschichte, sich während des Ersten Vatikanischen Konzils für unfehlbar erklären. Dies billigte eine große Stimmenmehrheit. Die Bischöfe, die dagegen waren, hatten aber schon vorher den subtilen Rat bekommen, das Konzil zu verlassen. Als am 18. Juli 1870 das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit angenommen wurde, brach über Rom ein Sturm los. "Der Himmel weint", sagte der deutsche Historiker Ignaz von Döllinger.
Der Himmel weinte wieder am Ostermorgen in diesem Jahr, als Sie bei der Feier auf dem Sankt Petersplatz und während der Rede für den Segen Urbi et Orbi – für die Stadt und die Welt – nichts über den Schmerz der Opfer sexueller Missbrauchs in der Kirche sagten. Dem Präsidenten des Kollegiums der Kardinäle, Angelo Sodano, erschien es jedoch notwendig, unter einem Regenschirm heraus, die Berichte über den Missbrauch als "Geschwätz" zu bezeichnen. Er drückte seine volle Unterstützung für Sie aus und tat das, sagte er, "Im Namen der ganzen Kirche." Aber doch nicht in meinem Namen, dachte ich damals. Mich hat man nicht gefragt.
Glauben Sie nicht, Heiliger Vater, dass es ein bisschen aus dem Ruder gelaufen ist? Nicht mit dem sexuellen Missbrauch, meine ich. Das ist nicht nur etwas, was die Kirche betrifft. Es kommt leider an vielen Orten vor, überall dort, wo Menschen ihre Macht über andere Menschen missbrauchen. Ich meine das mit dem "Heiligen Vater Getue". Ich meine, diese Personenverherrlichung und das mit der heiligen, unantastbaren und unfehlbaren Führung Ihrer Institution. Bei all der Aufregung über Missstände in der Kirche müssten Sie aus dem Wind oder aus der Schusslinie gehalten werden. Jeder kann Fehler machen, außer der Papst. Der amerikanische Historiker Garry Wills schrieb vor etwa zehn Jahren darüber ein erstaunliches Buch; „Papal sin, Structures of Deceit“. Strukturen des Betruges sind um Sie und Ihre Kurie entstanden. Die Wahrheit wird manipuliert, aus Angst zuzugeben, dass auch Sie Fehler machen können. Denn wenn Sie das zugeben, würde das vielleicht Ihre Unfehlbarkeit als Lehrer des Glaubens beschmutzen.
Heiliger Vater, den Mantel der Nächstenliebe ist in Ihrer Institution ein Deckmantel für das Böse geworden. Werfen Sie diesen Mantel ab. Demontieren Sie die R.K. Firma Lügen & Betrug. Ihr ehemaliger Kollege Hans Küng hat Sie vor ein paar Wochen zum Rücktritt aufgefordert. Das wäre ein symbolischer Akt der Buße, der dem Schmerz der Opfer von sexuellen und anderen Missbräuchen in der Kirche entspräche. Mein erster Gedanke war: Was sagt denn der? Es wird doch erneut einen neuen Papst gewählt, und der wird sicherlich wieder ein Katholik sein. Und der neue Papst wird durch die Kardinäle gewählt, die durch diesen Papst und die früheren ernannt wurden, sodass es wieder einer der restaurativen Linie sein wird. Aber jetzt denke ich: Tu es trotzdem. Und nützen Sie noch ein Mal Ihre unfehlbare Lehrautorität. Und dies, um sich selbst abzuschaffen, einschließlich der Ehrentitel, die Sie gesammelt haben. Bringen Sie sie in die vatikanischen Museen: Papst Benedikt, der Sechzehnte und der Letzte. Heben Sie das Papsttum auf, und dann können Sie in aller Ruhe wieder nur Bischof von Rom sein.
Und ich wünsche Ihnen aufrichtig einen ruhigen alten Tag, mit angenehmen Mahlzeiten, eine Klaviersonate von Mozart und ein gutes Buch, und zu gegebener Zeit eine feine Himmelfahrt.
Friede und alles Gute,
Peter Nissen
Übersetzung von Rudy Mondelaers aus Liberales.