Viele Menschen in Deutschland suchten während Corona vermehrt nach dem Sinn des Lebens, aber nur eine Minderheit fand Orientierung durch Religion. Auch die Politik war für die Mehrheit nicht sinnstiftend. Die Menschen haben hingegen mehrheitlich auf Wissenschaft und Familie vertraut. Größte wahrgenommene Bedrohungen für die Zukunft sind nicht Pandemien, sondern Krieg, Armut und Klimawandel.
Krisenzeiten lösen der Forschung zufolge oft emotionale Dynamiken in und um Religion aus. So sind Machtmissbrauch und Missbrauchsskandale in den christlichen Kirchen verbunden mit der Wahrnehmung einer gesteigerten und oft als bedrohlich empfundenen weltweiten politischen Präsenz des Religiösen.
Für das Jahr 2030 hatten die Vereinten Nationen ein Ende der weiblichen Genitalverstümmelung vorausgesehen. Kampagnen in 17 afrikanischen und nahöstlichen Ländern sollten für ein Ende der grausamen Tradition sorgen. Die Covid-19-Pandemie sowie schwere Dürren haben dem nun dramatische Rückschläge beschert. Die Zahl der Genitalverstümmelungen sowie der Verheiratungen Minderjähriger hat in den letzten Monaten wieder zugenommen.
In Krisen erscheint die Zukunft weniger greifbar. Für die sozialwissenschaftliche Forschung sind Zukunftsvorstellungen jedoch ein wichtiger Zugang, um den Verlauf von Krisen zu verstehen – das zeigt sich in der aktuellen Coronapandemie genauso wie bei der Finanzkrise von 2007 oder dem Brexit-Votum. Dabei wird deutlich: Zur Überwindung einer Krise braucht es gesellschafts- und wirtschaftspolitische Zukunftsentwürfe ebenso dringend wie Impfstoffe oder Überbrückungsgelder.