BERLIN. (hpd) Die Besetzung der EU-Kommission kommt nicht so voran, wie Jean-Claude Juncker sich das vorgestellt hat. Dafür mag es eine Reihe gewichtiger politischer Probleme geben. Was sich gestern aber abgespielt hat, ist an Absurdität nicht zu überbieten. Innerhalb der Fraktion der Europäischen Christdemokraten soll es zu Tumulten gekommen sein; der Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Herbert Reul, stört sich an den religiösen Vorstellungen der von Juncker vorgeschlagenen Kommissionskandidatin Bulc.
Dabei hat Reul aus seinem christlichen Herzen keine Mördergrube gemacht: er würde diese Frau nicht eine Stunde allein in seinem Haus lassen, da man nicht wissen könne, was sie dort treibe. Reul schlug vor, Frau Bulc gegebenenfalls in die Psychiatrie einweisen zu lassen.
Da wird die Slowenin Violeta Bulc als “Schamanin” geoutet, verbreitet, sie habe mit der Esoterik-Szene zu tun. Veröffentlich wird, Frau Bulc habe im Internet etwas von “Strukturen” geäußert, die “eigene Leidenschaften” hätten, sie soll von einer “kosmischen Erfahrung”, die sie “tief innen in sich” verspüre, geschwärmt haben.
Sie soll auch davon berichtet haben, dass sie über glühende Kohlen laufen könne. Nun wird letzteres seit Jahren von indischen Fakiren berichtet, die über entsprechende Meditationstechniken verfügen, so dass eine solche Fertigkeit nicht besonders aufregend ist. Für manch wackeren Christenmenschen dürfte eher schon die Tatsache verstörend sein, dass die Slowenin eine Ausbildung zur Schamanin absolviert hat.
Was immer Frau Bulc “glaubt”, es ist ihre Privatsache. Religions- und Weltanschauungsfreiheit ist Menschenrecht! Auch wenn das eine oder andere an den religiösen Auffassungen befremdlich sein mag.
Dass sich der “Glaube” der Kommissionskandidatin auf ihre Amtstätigkeit negativ auswirken könnte, hat niemand schlüssig dargelegt. Dass der “Glaube” von Frau Bulc gegen Menschenrechte verstößt, ebenso wenig. Da sollten sich die Christen lieber einmal einen Blick in den Spiegel gönnen.
Nein, die Christenmenschen werden nervös: ihr Einfluss geht in Europa deutlich zurück, und nicht nur Humanismus, sondern auch Schamanismus und Esoterik wird als Konkurrenz empfunden.
Auf die Idee, dass ein Glaube an einen dreieinigen Gott, an eine Auferstehung von den Toten, an geistwesenhafte Engel, an das Wirken Heiliger (auch noch aus dem “Jenseits” heraus), und dergleichen mehr, von Außenstehenden als skurril wahrgenommen werden könnte, scheint der Christdemokrat nicht zu kommen. Ebenso wenig auch die Idee, dass manches an den christlichen Lehren Außenstehende zu der Annahme veranlassen könnte, die Vertreter dieser Lehren seien reif für die Psychiatrie.
Christliche Überheblichkeit sehen wir hier wieder einmal in aller Deutlichkeit, beruhigend nur, dass solche christlichen Leute nicht über die Macht verfügen, Andersdenkende in die Psychiatrie einzuweisen. Früher, ja früher, da hatten wackere Christen bekanntlich noch ganz andere Möglichkeiten, mit Ungläubigen, Andersgläubigen, Ketzern, Spirituellen umzuspringen. Nur gut, dass diese Zeiten vorbei sind.
8 Kommentare
Kommentare
Stefan am Permanenter Link
Alles richtig, bis auf eins: über Kohlen laufen kann jeder, bei kurzer Kontaktzeit ohne hastige Bewegungen reicht Asche und Schweiß aus um die Sache Schadfrei zu überstehen.
Rainer Buchheim am Permanenter Link
Nun mag getrost ein Jeder nach seiner Fasson selig werden, so lange sie oder er sein mehr oder weniger verquastes Weltbild nicht Anderen aufnötigt.
MK am Permanenter Link
Alles schön und gut. Aber Politiker dieser Qualität benötigen wir wirklich nicht, beisplw.
Morag am Permanenter Link
Nein, liebe(r) MK wir benötigen Politiker dieser Art und Couleur wirklich nicht. Wenn man so denkt, wie Sie, dann kann man wirklich froh sein, dass die Zeiten von Scheiterhaufen und Co vorbei sind.
Das wäre das gleiche, wenn man Ihnen (ich gehe jetzt einmal davon aus, dass sie der christlichen Glaubensrichtung angehören) absprechen würde, dass sie ein denkendes Wesen sind, weil, Gott ja das Denken für Sie übernimmt. Er spricht Sie von Sünden frei, also brauchen Sie ja auch nicht überlegen, WAS sie tun, nicht wahr?
Wenn sie jetzt ärgerlichen Blickes auf den Bildschirm schauen, hat mein Spruch sein Ziel erfüllt. Er hat ihnen gezeigt, wie man sich fühlt, wenn man wegen seines Glaubens verunglimpft wird.
Im übrigen: Alternative Heilmethoden funktionieren. z.B.: . Es ist nachgewiesen dass z.B. Akupunktur - die von vielen auch ins Reich der Fabel verwiesen wird - funktioniert. Mehrere 10000 Menschen die unter chronischen Rückenschmerzen leiden, können ein Lied davon singen, und die größte "normale" Krankenkasse, die mit den grünen Buchstaben, zahlt diese Therapie mittlerweile.
Lieben Gruß!
Morag
(von einer Nicht-christin)
MK am Permanenter Link
Liebe Morang,
ich glaube, Sie haben überhaupt nicht begriffen, was ich mit meinem Beitrag sagen wollte. Sie waren durch meinen "Angriff" auf die Alternativmedizin (die im übrigen ebenfalls extrem ideologisch und religös gefärbt ist, jedenfalls die vehementen Verfechter zeigen dies deutlich) offensichtlich so aufgestachelt, dass Sie sich nun in einer geradezu sinnfreien Beschimpfung ergehen. Dies hatte ich nur als Beispiel angeführt, da ich mich gegen jede irrationale und religiös/ideologisch gefärbte Indoktrination erwehre; v.a. wenn sie durch Personen gefördert wird, die politische Verantwortung und gesellschaftlichen Einfluss haben. Eine Diskussion zu "alternativmedizinischen Methoden" gehört hier nicht hin und ich werde sie mit Ihnen nicht führen. Ich bin forschender Pharmakologe und weiß von was ich rede (was die Krankenkassen machen ist schlichtweg Marketing).
Gruß MK (kurz nach der Konfirmation aus der Kirche ausgetreten, GBS-Mitglied)
Sinmara am Permanenter Link
Ein sehr guter Artikel, der die Problematik unserer leider eben doch nicht pluralistischen Gesellschaft zeigt: Bei den Religionen wird mit unterschiedlichem Maß gemessen.
Statt auf die politischen Ansätze und die tatsächliche Ethik zu schauen (bei welchen Politiker*innen wird das überhaupt getan?) maßt sich der Angehörige einer Religion (Christ) an eine andere Religion /Spiritualität (Schamanin) als krankhaft abzutun.
Wer sich selbst den Blog der Kandidatin mal ansieht kann feststellen, dass sie vernetzt denkt und arbeitet, die Natur und die Balance, das Gleichgewicht achtet. Und das ist in der Tat das was eine Schamanin oder die pagane Religiosität ausmachen würde. Wäre es so schlimm eine Person mit solchen Ansichten an Entscheidungen zu beteiligen? Nein, das wäre ja furchtbar, denn sie hat ja anders als die Lobbyisten der Industie keine "politische Erfahrung" (aber sehr wohl erfolgreiche wirtschaftliche Hintergründe! Und nicht im Esoterikbereich!).
Danke also an Walter Otte für diesen Artikel.
Umso schlimmer einige Kommentare hier.
Alle Überzeugungen über einen Kamm zu scheren zeugt nicht vom beanspruchten objektiv-wissenschaftlichen Hintergrund, den Atheisten so gern für sich beanspruchen.
Und pagane Religiosität und Schamanismus mit dem Esoterik(markt) in einen Topf zu werfen ist barer Unsinn.
Und wo bitte hat die Kandidatin irgendwas mit Alternativmedizin zu tun, bei deren Beurteilung wohl auch etwas mehr Differenzierung angemessen wäre.
Larissa am Permanenter Link
Ohne jetzt zu wissen, was Frau Bulc nun tatsächlich glaubt oder nicht: Abgesehen davon, dass Schamanismus (ähnlich wie Buddhismus) weniger eine Religion als eine Weltanschauung ist, ein Schamane jemand, der nicht an d
Es ist außerdem eine Schande, dass manche nicht-christliche Gläubige ihren Glauben geheim halten müssen, weil sie sonst in keinem Bereich der Gesellschaft akzeptiert und ernst genommen werden.
Denkakustiker am Permanenter Link
Der Glaube ist immer ein Ersatz dafür, was man nicht sicher weiss, also nicht erkennen, erklären, verstehen bzw. zuordnen kann !
Und Politiker die mehr glauben brauchen wir nun wirklich nicht, weil sie mehr schaden als nutzen. Ich glaube es handelt sich hierbei um perfide Spielchen hinter dem (Tera)MindControl.