Notizen zu Nordkorea 19

Asylbewerber, Sony-Hack und ein hungriger Mörder

BERLIN. (hpd) In Schweden droht möglicherweise einem Nordkoreaner die Abschiebung nach China. Welche Chancen auf Asyl bestehen in westlichen Ländern? Weitere Themen: Technische Hintergründe des Hacker-Skandals: Ein Blick auf Internet und Intranet in Nordkorea; Nordkoreaner tötet mehrere Chinesen in der Grenzregion.

Schiebt Schweden einen Nordkoreaner nach China ab?

Einem jungen Erwachsenen, der in Schweden Asyl beantragt hat, droht die Abschiebung nach China. Er behauptet, ein Straßenkind aus Nordkorea zu sein, mit 16 Jahren aus dem Land geflohen und über China und Russland im Jahr 2013 nach Schweden gelangt zu sein. Der Asylantrag wurde von Schweden abgewiesen. Jetzt soll er, da er inzwischen volljährig ist, nach China abgeschoben werden, weil die schwedische Einwanderungsbehörde annimmt, dass er chinesischer Staatsbürger ist.

Die südkoreanische Nichtregierungsorganisation “Citizens’ Alliance for North Korean Human Rights” erklärte dazu in einer Pressemitteilung: “Die schwedischen Behörden sollten sich darüber im Klaren sein, welches Schicksal Nordkoreanern droht, wenn sie von China nach Nordkorea abgeschoben werden.” Im Abschlussbericht der UN-Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Nordkorea wird China dafür kritisiert, dass es nordkoreanische Flüchtlinge als “Wirtschaftsmigranten” bezeichnet, obwohl bekannt ist, dass ihnen in Nordkorea Folter, Haftstrafen und sogar Exekution drohen.

Eine private Firma wurde von den schwedischen Behörden beauftragt, die Identität des Jugendlichen zu klären. Die Fragen und die Sprachanalyse seien jedoch nicht geeignet gewesen, um abschließend klären zu können, ob der Junge aus China oder Nordkorea stammt. Desweiteren sei eine Person, die ihn interviewt habe, sogar zu dem Schluss gekommen, dass er Nordkoreaner sei. Die Firma habe schon in der Vergangenheit vollkommen unqualifizierte Gutachten vorgelegt. In dem aktuellen Fall soll der Heimatort des Jugendlichen von einem Interviewer falsch geschrieben worden sein, so dass er auf einer Karte nicht gefunden werden konnte. Die Behörden haben wohl außerdem den Eindruck gewonnen, dass Koreanisch nicht die Muttersprache des Asylanten sei, und auch der Dialekt konnte nicht zweifelsfrei einer Provinz zugeordnet werden.

Da der Jugendliche wahrscheinlich nie eine Schule besucht hat, sei es jedoch nicht verwunderlich, dass er grammatikalische Fehler selbst in seiner Muttersprache macht, warf ein Experte ein. Straßenkinder in Nordkorea bilden die einzige Gruppe, die im Prinzip außerhalb des staatlichen Systems lebt. Weil sie nirgendwo registriert sind, können sie sich im Land freier als die meisten anderen Bürger bewegen. Von Sicherheitskräften werden sie nach Kontrollen oft sofort wieder freigelassen, weil auch sie nicht wissen, was sie mit diesen Kindern machen sollen. Daher ist es nicht erstaunlich, dass der Junge keinen “reinen” Dialekt aus seiner Heimatprovinz spricht.

Die meisten nordkoreanischen Flüchtlinge, die nach China kommen, stammen aus den nordöstlichen Provinzen des Landes. Auf der chinesischen Seite des Grenzflusses Tumen wohnen viele ethnische Koreaner, die einen ähnlichen Dialekt sprechen. Für Gutachter erschwerend kommt hinzu, dass der Dialekt, der in dieser Region Nordkoreas gesprochen wird, stark vom Pjöngjanger Dialekt abweicht. Das heißt, dass die Mundart vieler Flüchtlinge nicht den Erwartungen entspricht, die Südkoreaner an den nordkoreanischen Sprachstil stellen. Selbst für Experten ist es daher nahezu unmöglich, aufgrund des Dialekts einen Nordkoreaner von einem ethnischen Koreaner mit chinesischer Staatsbürgerschaft zu unterscheiden.

Abgesehen von dem geschilderten Fall haben im vergangenen Jahr neun Nordkoreaner Asylanträge in Schweden gestellt. In einem Fall wurde bisher eine Entscheidung getroffen – der Antrag wurde bewilligt. In vielen westlichen Ländern haben nordkoreanische Flüchtlinge nur eine geringe Aussicht auf einen erfolgreichen Asylantrag. Weil Nordkoreaner auch in Südkorea Zuflucht finden können, besteht in Deutschland meist kein Anspruch auf Asyl. Allerdings droht ihnen dann eher eine Abschiebung nach Südkorea und nicht nach China.

Beim aktuellen Fall in Schweden soll es der Flüchtling abgelehnt haben, nach Südkorea gebracht zu werden. Daher ist es auch möglich, dass er bereits dort war und inzwischen die südkoreanische Staatsbürgerschaft besitzt. In einigen Fällen versuchen nordkoreanische Flüchtlinge in Europa oder Nordamerika Asyl zu beantragen, obwohl sie schon einen südkoreanischen Pass besitzen. Ein Antrag auf Asyl wird dann in der Regel abgelehnt. Aber auch diese Praxis kann kritisch betrachtet werden, weil Nordkoreaner in Südkorea häufig Diskriminierungen ausgesetzt sind und vielen die Integration schwerfällt.

Offenbar bestehen auf nordamerikanischer Seite keine Zweifel daran, dass der sogenannte “Sony-Hack” tatsächlich von Nordkorea ausgegangen ist

Der Washington-Korrespondent der New York Times, David E. Sanger, berichtet, dass der größte Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten, NSA, bereits seit Jahren nordkoreanische Computernetzwerke infiltriert. Sanger hatte bereits in seinem Buch “Confront and Conceal” über den Wurm Stuxnet berichtet, ein außergewöhnlich komplexes Schadprogramm, das gezielt Steuerungsanlagen angreift, die u.a. in iranischen Atomanlagen zum Einsatz kommen.

In einem Artikel der New York Times schreibt er, dass die NSA bereits im November 2010 über verschiedene Weg in das nordkoreanische Netzwerk eingedrungen sei. Hierzu seien chinesische Netze genutzt worden, die die Verbindung Nordkoreas mit der Außenwelt herstellen. Außerdem seien die bei nordkoreanischen Hackern beliebten Verbindungen in Malaysia, aber auch direkt nordkoreanische Computer infiltriert worden. Dadurch sei es möglich gewesen, die Beweise zu liefern, dass tatsächlich Nordkorea hinter dem Cyber-Angriff auf Sony steckt.

Nach den sich über mehrere Tage hinziehenden Ausfällen des Internetzugangs in Nordkorea hat Nordkorea den USA vorgeworfen, für diese Vorfälle verantwortlich zu sein. Washington müsse wegen der Feindseligkeiten mit Konsequenzen rechnen, teilte die Nationale Verteidigungskommission mit und warf US-Präsident Obama vor, er würde sich “wie ein Affe im Regenwald rücksichtslos in Wort und Tat verhalten”. Dyn Research, eine Firma, die eigenen Aussagen zufolge die Internet-Verbindungen jedes Netzwerkes und jedes Service-Providers analysiert, twitterte, dass es vereinzelte Ausfälle, wie sie für Cyberattacken üblich seien, gegeben habe, jedoch keinen Totalausfall. Matthew Prince, Chef der Sicherheitsfirma CloudFlare, merkte hingegen an, Nordkorea sei von der globalen Landkarte des Internets ausradiert worden.

Mit wenigen Ausnahmen wird das die nordkoreanische Bevölkerung ohnehin nicht interessiert haben, denn das Regime limitiert den Zugang zum World Wide Web auf einen kleinen Kreis privilegierter Nutzer. 
Nur wenige tausend Mitglieder von Nordkoreas Elite haben also über China einen Zugang in das reguläre Internet. Eine weitere Kommunikationsmöglichkeit besteht via Satellit und wird von Diplomaten sowie einigen wenigen Firmen benutzt. 
Ausländern ist seit Februar 2013 der Zugriff auf das Internet über den 3G-Mobilanbieter Koryolink, einem Joint Venture der ägyptischen Global Telecom Holding und der staatseigenen Korea Post and Telecommunications Corporation (KPTC), möglich.