BERLIN. (hpd/ai) Anlässlich des internationalen Tags zur Unterstützung von Folteropfern (26.6.) fordert Amnesty International, die Behandlungszentren für Folteropfer in Deutschland besser auszustatten.
„Die Zahl der Flüchtlinge steigt und viele davon sind durch Krieg und Folter traumatisiert“, sagt Selmin Çalışkan, die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. „Die traumatisierten Flüchtlinge brauchen dringend Behandlungsmöglichkeiten und Deutschland muss diese sicherstellen. Doch die Realität sieht leider anders aus: Viele Folteropfer erhalten diese dringend notwendige Versorgung nicht. Die auf die Behandlung von Folteropfern spezialisierten Zentren sind unterfinanziert und zum Teil in ihrer Existenz bedroht.“
Zurzeit wird ein Großteil der Versorgung von traumatisierten Flüchtlingen von bundesweit circa 30 psychosozialen Behandlungszentren für Flüchtlinge und Folteropfer erbracht. „Die Behandlungszentren haben viel Erfahrung in Traumabehandlung und die nötige medizinische, psychologische und interkulturelle Kompetenz", sagt Çalışkan. Die Zentren selbst schätzen aber, dass sie lediglich 15 Prozent des aktuellen Bedarfs an Versorgung für Folteropfer abdecken können. Die niedergelassenen Psychotherapeuten und Ärzte können diese Lücke nicht schließen, da ihnen meist die entsprechende Qualifikation zur Behandlung von Foltertraumata fehlt. Darüber hinaus bestehen Sprachbarrieren und die Krankenkassen übernehmen oft die notwendigen Dolmetschkosten nicht. „In unserem hoch leistungsfähigen Gesundheitssystem besteht eine eklatante Versorgungslücke – ausgerechnet für die Menschen, die dringend auf qualifizierte Behandlung angewiesen sind, um sich hier wieder ein menschenwürdiges Leben aufzubauen. Deutschland hat ihnen gegenüber nicht nur eine moralische Verantwortung, sondern ist durch die EU-Aufnahmerichtlinie auch rechtlich verpflichtet, Folterüberlebende psychologisch und medizinisch zu versorgen.“
„Dieses Jahr hat sich die ohnehin schwierige finanzielle Situation der Behandlungszentren noch dramatisch verschlechtert“, sagt Çalışkan. „Ausgerechnet in einem Jahr mit steigenden Flüchtlingszahlen müssen die Behandlungszentren sogar um ihre Existenz fürchten: Die verzögerte Bewilligung von EU-Mitteln seit Jahresbeginn hat den meisten Zentren ein großes Loch in ihr Budget gerissen. Viele mussten schon Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. Die gesetzlichen Krankenversicherungen wiederum, in denen Asylsuchende nach 15 Monaten Aufenthalt versichert sind, erkennen die qualifizierte Arbeit vieler Zentren nicht als Kassenleistung an, so dass auch über diesen Weg zahllose Behandlungen nicht finanziert werden können.“
Amnesty International fordert eine schnelle Abhilfe. „Wir fordern die Bundesregierung, die Länder und die Kommunen auf, schnell und verbindlich die langfristige Finanzierung der psychosozialen Behandlungszentren sicherzustellen. Dies ist der einzige Weg, um schnell und effizient für ausreichende und qualifizierte Hilfsangebote für alle Folterüberlebenden in Deutschland zu sorgen.“
Pressemitteilung von Amnesty International