Die Mannigfaltigkeit an Informationen über die südkoreanische Gesellschaft durch Nachrichten-, aber auch Unterhaltungsprogramme führt dazu, dass Informationen über das Leben im Süden irgendwann nicht mehr als Propaganda, sondern als wahrhaftig wahrgenommen werden – im Gegensatz zu den Inhalten der heimischen Medien. Und schon Berichte über das alltägliche Leben in Südkorea sind sehr wirkungsvoll: Für viele Nordkoreaner ist es unvorstellbar, dass es eine konstante Strom- und Wasserversorgung gibt und man sich kaum Gedanken darüber machen muss, wie man ausreichend mit Kleidung und Lebensmitteln versorgt wird. Die nordkoreanische Propaganda wird zunehmend hinterfragt und Informationen von außen helfen, die Führer nicht als gottähnliche Gestalten wahrzunehmen. Viele Flüchtlinge berichten, dass der Medienkonsum den Wunsch in ihnen ausgelöst hat, aus der Heimat zu fliehen.
Aber auch ganz praktische Hilfe wird von den Radiostationen geliefert: Eun-kyoung Kwon, viele Jahre aktiv bei "Open Radio for North Korea", erzählte von einem Flüchtling, der sie – nun in Sicherheit in Seoul – in ihrem Büro aufsuchte, um ihr für ihre Arbeit zu danken. Er habe in Nordkorea fast täglich ihr Radioprogramm gehört. Er war Fischer und daher auf den zuverlässigen Wetterbericht aus Südkorea angewiesen, denn auf den nordkoreanischen ist vergleichsweise wenig Verlass. Er notierte sich damals eine Telefonnummer, die in den Sendungen immer wieder genannt wurde. Als er sich zur Flucht entschlossen hatte, rief er von China aus diese Nummer an und auf diesem Wege konnte der Kontakt zu einem Schleuser organisiert werden, mit dessen Hilfe er sicher nach Südkorea gelangen konnte.
Viele Flüchtlinge berichten aber auch, dass es teilweise aufgrund von Störsendern oder anderen Hindernissen schwierig war, den Programmen lauschen zu können. Es hat sich herausgestellt, dass Sender, die viele Ressourcen haben, wie etwa Radio Free Asia, in der besten Qualität empfangen werden können. Die von Flüchtlingen betriebenen Radiostationen aus Südkorea senden in der Regel über Kurzwelle aus Drittländern nach Nordkorea. Die Unification Media Group (UMG, koreanische Website), ein Zusammenschluss von Radiostationen, die nach Nordkorea senden, dem Portal "Daily NK" und dem Internetsender OTV, hat es sich zum Ziel gesetzt, mit ihrem Programm in den nächsten fünf Jahren 10 Prozent der erwachsenen nordkoreanischen Bevölkerung zu erreichen, um neben der Lieferung von Informationen auch ein Bewusstsein für Werte wie Menschenrechte, Rechtssicherheit oder Demokratie innerhalb der nordkoreanischen Gesellschaft zu schaffen. Um so viele Menschen zu erreichen, versuchen die UMG und andere Aktivisten in Südkorea durchzusetzen, dass Sendungen über Mittelwellenfunk direkt aus Südkorea gesendet werden können. Dies würde bei gleichbleibenden Kosten beispielsweise Sendezeiten verlängern und auch die Tonqualität erheblich verbessern können. Allerdings sträuben sich viele Politiker dagegen, weil sie fürchten, dass die Nord-Süd-Beziehungen darunter leiden könnten.
Als Beispiel für eine gelungene Medienarbeit nennt die UMG die Rolle der Medien bei der deutschen Wiedervereinigung. Einer der grundlegenden Unterschiede zwischen der deutschen und der koreanischen Teilung liegt darin, dass es zwischen Ost- und Westdeutschland immer einen regen Austausch gab. Neben der Möglichkeit von Besuchen gab es Briefverkehr und Telefonverbindungen. Zwischen Nord- und Südkorea gibt es sehr selten stattfindende, stark kontrollierte Familientreffen. Die Menschen in der ehemaligen DDR hatten weitestgehend Zugang zu Westmedien und die Tagesschau wurde als zuverlässige Informationsquelle für internationale Nachrichten eingeschätzt. Auch am 9. November 1989 sollen insbesondere Westmedien als Katalysator für die Ereignisse gedient haben. Da der sonstige Austausch zwischen den koreanischen Staaten auf ein Minimum reduziert ist, könnten "Südmedien" daher eine entscheidende Rolle spielen.
Der Abgeordnete Ha Tae Kyung betont, dass die südkoreanische Strategie der Wirtschaftssanktionen erfolglos war. Sie hätten auf der einen Seite nur den nordkoreanisch-chinesischen Handel gefördert und das Land ansonsten weiter isoliert. Das Regime sei dadurch nicht geschwächt worden, aber die Bevölkerung leide unter den Sanktionen. Ha wies darauf hin, dass fünf Jahre Sanktionen Nordkorea nicht bewegt haben, aber das einwöchige Senden über Lautsprecher Nordkorea an den Verhandlungstisch gebracht habe. Informationen von außen sind für das Regime hochgefährlich, weil das Informationsmonopol einen wichtigen Pfeiler zur Aufrechterhaltung des Regimes darstellt. Lee Kwang Baek, der Präsident der UMG, stellte fest, dass sich Pjöngjang auf der anderen Seite durch Radiosendungen nicht so stark provoziert fühle wie durch Lautsprecher in der DMZ. Außerdem habe das Radio eine sehr viel höhere Reichweiche, wodurch großen Teilen der Bevölkerung geholfen werden könne, vom Staat unabhängige Informationen zu erhalten und damit das Regime zu schwächen.
Kurznachrichten
Seit dem 15. August, dem 70. Jahrestag der Unabhängigkeit Koreas, ticken die Uhren in Nordkorea offiziell wieder wie im Jahr 1910. Nordkorea hat die Uhren um eine halbe Stunde zurückgestellt und damit die gemeinsame Zeitzone mit Japan und Südkorea verlassen. Die japanische Zeit wurde auf der Koreanischen Halbinsel während der Kolonialherrschaft eingeführt.
Berichte über einen Geheimdienstskandal in Südkorea in den nordkoreanischen Medien haben ihren gewünschten Effekt wohl verfehlt. Während Südkoreas "ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen" – eine mögliche Überwachung von Bürgern durch eine Hacking-Software – von der nordkoreanischen Zeitung "Rodong Sinmun" breit thematisiert wurden, finden es laut Quellen von"Daily NK" viele Nordkoreaner höchst erstaunlich, dass in den Medien Verfehlungen des südkoreanischen Geheimdienstes überhaupt thematisiert werden dürfen. Wie könne es einen Skandal wegen der Überwachung durch den Geheimdienst geben, wenn doch das Ministerium für Staatssicherheit in Nordkorea jedes Telefongespräch und jede Wohnung abhören könne, so dass sich nicht einmal Ehepaare offen unterhielten? Dass man sich über solche Praxen in anderen Ländern beschweren kann, scheint für viele Nordkoreaner Augen öffnend zu sein.